BGH ebnet Weg für verbraucherfreundliche Rechtsprechung
„Das ist ein weiterer Meilenstein in der Aufarbeitung des VW-Skandals“, freute sich Dr. Ralf Stoll über das für den geschädigten Verbraucher positive Verfahrensende. „Als eine der wenigen Kanzleien bundesweit haben wir von Beginn an die Rechtsansicht vertreten, dass Neuwagenkäufer einen Anspruch auf Neulieferung ohne Zahlung einer Nutzungsentschädigung haben.“ Den Weg für ein solch verbraucherfreundliches Urteil hatte der Bundesgerichtshof mit seinem Hinweisbeschluss vom 8. Januar 2019 (Az. VIII ZR 225/17) erst möglich gemacht. Der BGH vertritt die Ansicht, dass die umstrittene Abschaltvorrichtung im Abgaskontrollsystem des VW-Motors ein Sachmangel darstellt und die Neulieferung eines Fahrzeugs nicht mit der Begründung verweigert werden kann, dass zwischenzeitlich ein Modellwechsel eingetreten ist. Bis zu diesem Hinweis hatten die untergeordneten Gerichte Forderungen nach Neulieferungen von Fahrzeugen abgewiesen, berichtet Stoll. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer gehört zu den führenden im Diesel-Abgasskandal von VW, Daimler und Opel. Die beiden Inhaber vertreten zu dem in einer Spezialgesellschaft die Interessen von rund 450.000 Verbraucher in der Musterfeststellungsklage gegen VW.
15 von 24 Oberlandesgerichten haben VW bisher verurteilt
„Die Rechtsprechung hat sich eindeutig zu Gunsten der VW-Geschädigten gewendet“, bilanziert Ralf Stoll weiter. In den Medien hingegen wird die Rechtsprechung im Diesel-Abgasskandal von VW immer noch häufig als "uneinheitlich" bewertet. Das spiegelt nicht die Wirklichkeit wider, wie das Projekt „Dieselskandal“ der Universität Regensburg nachweist. Bei dem Projekt werden Urteile im VW-Abgasskandal genauer unter die Lupe genommen und ausgewertet. Seitdem für VW positiven Urteil des Oberlandesgerichts Braunschweig hat nahezu jedes andere Oberlandesgericht VW in die Haftung genommen: Berlin (3 Urteile), Celle (1 Urteil), Düsseldorf (2 Urteile), Hamm (1 Urteil), Karlsruhe (7 Urteile), Köln (6 Urteile), Koblenz (5 Urteile), München (1 Urteil), Naumburg (1 Urteil), Oldenburg (4 Urteile), Schleswig-Holstein (2 Urteile), Stuttgart (6 Urteile), Zweibrücken (2 Urteile). Damit haben 15 von 24 Instanzgerichte die Volkswagen AG auf Schadensersatz verurteilt. Nur wenige einzelne Senate der OLGs Bamberg, Koblenz und München haben eine Haftung von VW abgelehnt. Nahezu ausnahmslos stellen die Gerichte auf den Tatbestand der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung ab, § 826 BGB. Auf der Ebene der Landgerichte wird VW ohnehin nahezu durchgehend verurteilt - 98 der insgesamt 115 Landgerichte verurteilen mittlerweile VW. Aufgrund dieser Entwicklung sieht sich der Regensburger Jura-Professor Michael Heese in seiner Ansicht bestätigt, dass Kläger gute Chancen vor Gericht haben.“
Neulieferung eines Fahrzeugs im Diesel-Abgasskandal ist zumutbar
Im aktuellen Verfahren (Az. 13 U 144/17) vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe hatte das Oberlandesgericht den Händler im Diesel-Abgasskandal zur Neulieferung eines VW Sharan verurteilt. Zuvor hatte der Geschädigte beim Landgericht Konstanz (Az. D 2 O 418/16) eine Klage auf Neulieferung erhoben, die abgewiesen wurde. Das Landgericht war der Ansicht, dass eine Klage auf Neulieferung deshalb keinen Erfolg habe, weil das Software-Update zumutbar sei. Die Kosten für das Aufspielen des Updates seien erheblich geringer als die Neulieferung eines neuen Pkw, weshalb dem Händler die Lieferung eines neuen Fahrzeugs im Tausch gegen das Manipulierte unzumutbar sei. Dieser Ansicht erteilte das Oberlandesgericht Karlsruhe eine Absage. Das Oberlandesgericht urteilte, dass die Neulieferung wegen eines Modellwechsels nicht unmöglich sei. Das neue Modell des VW Sharan entspreche vertraglich noch dem alten Modell. Auch sei die Nachlieferung nicht unzumutbar. Im Zeitpunkt des Nacherfüllungsverlangens stand das Update noch nicht zur Verfügung, sodass ausschließlich die Nachlieferung des neuen Fahrzeugs als Anspruch erfüllt werden konnte. Die Nachbesserung war zu diesem Zeitpunkt gar nicht möglich. Der Kläger hatte das Fahrzeug bereits 2011 von einem Händler erworben. Dieses manipulierte Fahrzeug muss er jetzt zurückgeben, für die Nutzung muss er jedoch keine Nutzungsentschädigung bezahlen. Er ist daher das manipulierte Fahrzeug 8 Jahre kostenlos gefahren. Das Autohaus wollte zwar gegen das Urteil Revision einlegen, hat dies jedoch nicht wahrgenommen. Damit ist das Urteil rechtskräftig und der Verbraucher erhält ein neues Auto vor die Tür gestellt.
Welche juristischen Möglichkeiten hat der Verbraucher generell, auf den Diesel-Abgasskandal zu reagieren?
Der Verbraucher kann drei Möglichkeiten für sich in Anspruch nehmen, um seine Rechte durchzusetzen.
- Der Autoinhaber kann vom Kaufvertrag zurücktreten, weil das gelieferte Auto im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) einen Sachmangel aufwies. Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschluss festgehalten, dass Fahrzeuge mit einer Manipulationssoftware mangelhaft sind. Zahlreiche Gerichte haben auch daraufhin entschieden, dass das Fahrzeug ohne eine Fristsetzung zur Nachbesserung zurückgegeben werden kann. Der Kaufvertrag wird dann rückabgewickelt. Der Käufer muss letztlich das Auto mit dem manipulierten Motor zurückgeben, kann aber im Gegenzug den bereits bezahlten Kaufpreis zurückverlangen. Im Abgasskandal bei VW gibt es zahlreiche Urteile, bei denen die Rückabwicklung des Kaufvertrags angeordnet worden ist. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer hat davon einen Großteil erstritten. Möglicherweise muss der Verbraucher jedoch eine sogenannte Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer bezahlen. Gerade im VW-Fall ist Nutzungsentschädigung vor Gericht umstritten. Es gibt Gerichte, die eine Entschädigung für die Autobauer abgelehnt haben. Zur Berechnung der Nutzungsentschädigung bietet die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer einen Nutzungsentschädigungsrechner (hier).
- Der Verbraucher kann sein Fahrzeug auch behalten und den Autobauer auf Schadensersatz verklagen. Dieser Anspruch folgt aus der vorsätzlichen und sittenwidrigen Schädigung des Konzerns nach 826 BGB. Die Autobauer müssen dann den Minderwert ersetzen, der durch die Manipulation entstanden ist. Verschiedene Gerichte haben hier Beträge bis zu 25 Prozent des Kaufpreises ausgeurteilt.
- Von der dritten Option, die die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe erstritten hat, profitierte im vorliegenden Fall der geschädigte Verbraucher: Wer sich einen Neuwagen gekauft hat, kann auch die Neulieferung eines neuen Fahrzeuges ohne Manipulationssoftware verlangen - natürlich gegen die Rückgabe des manipulierten Fahrzeugs. Für die gefahrenen Kilometer des alten Fahrzeugs muss der Verbraucher keine Nutzungsentschädigung bezahlen. Nachdem der Bundesgerichtshof in einem Hinweisbeschluss, den Weg für die Nachlieferung geebnet hat, erstritt die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH am 24. Mai 2019 drei Urteile des Oberlandesgerichts Karlsruhe, durch die die Kläger Neuwagen erhalten und die alten Fahrzeuge über Jahre kostenlos gefahren sind. Mit anderen Worten: Ein neues Auto, ohne für das alte Fahrzeug etwas bezahlt zu haben.