Reuschle bringt Diesel-Abgasskandal trotzdem ans EuGH
Im Kern des Justiz-Skandals steht die Daimler AG und der als Schrecken der Automobilindustrie bekannt gewordene Dr. Fabian Richter Reuschle. Reuschle wollte im November 2019 im Diesel-Abgasskandal 21 Verfahren gegen die Daimler AG aus zwei Zivilkammern des Landgerichts Stuttgart zusammenfassen und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg zur Vorabentscheidung vorlegen. Er beabsichtigte unter anderem klären zu lassen, ob das Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt, ob Verbraucher Nutzungsentgelt an die Autobauer zu zahlen haben und ob der Motor tatsächlich geschützt werden muss. Daimler-Anwälte haben daraufhin gegen Reuschle Befangenheitsanträge gestellt – und erstinstanzlich verloren.
Das OLG Stuttgart erklärte Reuschle dann am 1. Juli 2020 in einem Daimler-Verfahren für befangen. Im vergangenen Jahr war es bereits VW gelungen, Reuschle von VW-Verfahren abziehen zu lassen, in dem sie ihn für befangen haben erklären lassen – unter anderem deshalb, weil seine Frau im Diesel-Abgasskandal gegen VW juristisch vorgeht. Darauf bezog sich unter anderem auch das OLG Stuttgart. Die Daimler AG hat damit erreicht, dass der Gang an den EuGH in einem ihrer Verfahren erstmal verschoben ist. Am EuGH rechnen sich die Autobauer im Abgasskandal wenig Chancen aus. Immer wieder kaufen sie Verfahren weg, damit es zu keinem Urteil auf höchster europäischer Ebene kommt.
Dr. Fabian Richter Reuschle ist es trotzdem gelungen, Fragen im Diesel-Abgasskandal an den EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen. Bei einer Deckungsklage gegen einen Versicherer ging es um die Erfolgsaussichten vor Gericht gegen BMW. Reuschle vertrat die Ansicht, das könne nur abschließend beurteilt werden, wenn der EuGH sich zum Thema Thermofenster äußert. Auch BMW steht unter Verdacht, mit einem Thermofenster das Abgaskontrollsystem der Diesel-Fahrzeuge auszutricksen. Am 18. September 2020 verkündete er für die 3. Zivilkammer des Stuttgarter Landgerichts seinen Beschluss (Az. 3 O 236/20). Und damit ist das Thermofenster, das die Abgasreinigung am Diesel mit Hilfe der Temperatur steuert, doch noch am EuGH gelandet. Eine böse Pleite für die Automobilindustrie.
Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer unterstützt die akribische Wahrheitssuche von Richter Reuschle im Abgasskandal. Die Entwicklungen vor Gericht bereiten der Verbraucherkanzlei große Sorgen. Die Unabhängigkeit deutscher Gerichte sieht sie in Gefahr. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer gehört zu den führenden im Diesel-Abgasskandal. Die beiden Inhaber haben den Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) in der VW-Musterfeststellungsklage vertreten, einen 830-Millionen-Euro-Vergleich ausverhandelt und mit dem Abschluss des Verfahrens am 30. April 2020 deutsche Rechtsgeschichte geschrieben.
Der Befangenheitsantrag gegen 16a Senat am OLG Stuttgart
Der 16a Senat am Oberlandesgericht Stuttgart ist der Spezialsenat für den Diesel-Abgasskandal. Warum hält die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer den Vorsitzenden Richter Dr. Ziegler und seine Kollegen, die Richter Mehrer und Munding, für befangen? Hier die wichtigsten Fakten des Befangenheitsantrags zusammengefasst.
- Der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Stuttgart Dr. Ziegler verhält sich nicht neutral. Er stieß in einem Telefonat die Änderung des Geschäftsverteilungsplans der Reuschle-Kammer am Landgericht Stuttgart an. Ziegler telefonierte mit dem Vorsitzenden Richter der 3. Zivilkammer Patschke. Daraufhin sind Richter Reuschle keine Verfahren mehr zugeteilt worden, die auch nur ansatzweise etwas mit dem Abgasskandal zu tun haben könnten.
- Einer dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden Richters der 3. Zivilkammer, Patschke, ist zu entnehmen, dass der Geschäftsverteilungsplan deshalb geändert wurde, weil er weitere Befangenheitsanträge verhindern wollte. Dort heißt es weiter: Patschke habe am 1. Juli 2020 einen Anruf vom Vorsitzenden Richter Ziegler erhalten. Offensichtlich berichtete Ziegler über den Beschluss gegen Reuschle und forderte Patschke dazu auf, Reuschle durch eine Änderung des Geschäftsverteilungsplans generell aus den Verfahren zu entfernen. Nachdem der OLG-Senat Reuschle in einem Einzelfall mit einer äußerst fragwürdigen Entscheidung für befangen erklärte, sollte Reuschle offensichtlich als lästiger Richter endgültig „entsorgt“ werden.
- Auch der Beschluss des OLG-Senats 16a Richter Reuschle für befangen zu erklären, lässt Zweifel an der Neutralität aufkommen. Gravierend beim Beschluss ist, dass der Senat verfahrensübergreifende Befangenheitsgründe angenommen hat, obwohl ihm nicht einmal die Akte vorgelegen haben soll. Der Senat hat lediglich reine Vermutungen angestellt, die dann zu einer Befangenheit führten. Reuschle hatte die 21 Verfahren eben noch nicht zusammengelegt, so wie der OLG-Senat in seiner Begründung annahm.
- „Dieses Verfahren zeigt in aller Deutlichkeit, dass Herr Ziegler offensichtlich auf der Seite der Automobilindustrie steht. Anders ist dieser Beschluss nicht zu erklären. Es sollte offensichtlich mit Herrn Reuschle ein Richter beseitigt werden, der für die Automobilindustrie unbequem ist“, fasst Dr. Ralf Stoll in seinem Befangenheitsantrag gegen den Senat 16a seine Besorgnis zusammen. Reuschle sei mit Sicherheit nicht befangen, sondern lediglich akribisch und genau in seiner Arbeitsweise. „Darin sieht die Automobilindustrie eine Gefahr. Dagegen ist nichts einzuwenden. Wenn jedoch ein Vorsitzender Richter eines OLG eine solche Ansicht der Automobilindustrie stützt, ist dies in einem Rechtsstaat nicht mehr akzeptabel.“
- Wie unordentlich die Entscheidung am OLG zustande gekommen ist, zeigt auch das Hin und Her beim Thema Akteneinsicht. Die Pressestelle des OLG teilte mit, dass die Akteneinsicht prozessrechtlich nicht möglich gewesen sei. Aus einer Stellungnahme durch Richter Reuschle geht jedoch hervor, dass die Akte teilweise angefordert und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurde. Offensichtlich wird also durch den Senat auch noch die Öffentlichkeit getäuscht. All dies sind erschütternde Nachrichten aus einem Gericht in Deutschland. Ein Richter, der seine Arbeit, im Gegensatz zu zahlreichen anderen Richtern, akribisch ordentlich erledigt, wird aus Verfahren fremden Gründen für befangen erklärt ohne stichhaltige Begründung.
- Nach dieser Entscheidung bewegt ein Vorsitzender eines OLG Senats ein Untergericht dazu, den Geschäftsverteilungsplan so zu ändern, dass der Richter aus Abgasverfahren endgültig beseitigt wird. Ein solches Verhalten begründet zweifelsohne die Besorgnis der Befangenheit. Derzeit kann nicht beurteilt werden, ob die weiteren Richter Mehrer und Munding von dem Anruf des Vorsitzenden Richters wussten und diesen mitgetragen haben. Davon geht Dr. Stoll & Sauer jedoch aus. Es wird deshalb vorsorglich auch gegen diese ein Befangenheitsantrag gestellt.
- Alle drei Richter mögen sich dienstlich zu den Vorwürfen äußern. Anschließend entscheidet die Kanzlei, ob der Befangenheitsantrag zurückgenommen wird.