Im Kern geht es Richter Reuschle um drei Fragen:
- Ist das in den Fahrzeugen der Daimler AG verbaute sogenannte „Thermofenster“ eine illegale Abschaltvorrichtung?
- Sind die Grenzwerte der Euro-Normen nur auf den Prüfständen einzuhalten und ist es damit praktisch egal, was im Realbetrieb aus dem Auspuff herauskommt? So zumindest argumentiert die Automobilindustrie.
- Sollen die Verbraucher bei der Rückgabe ihres Diesel-Fahrzeugs den vollen Kaufpreis erstattet?
Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH aus Lahr empfiehlt den Verbrauchern, sich anwaltlich beraten zu lassen und den Klageweg zu beschreiten. Auf www.dieselskandal-anwalt.de lassen sich die wesentlichsten Optionen online, unverbindlich und kostenlos prüfen. Weitere Infos gibt es kompakt auch hier.
Was ist überhaupt ein Thermofenster?
Ein Thermofenster ist eine strittige Technik, mit deren Hilfe der Motor eines Fahrzeugs vor Überhitzung und Unterkühlung geschützt werden soll. Das Thermofenster beeinflusst anhand der Außentemperatur die Abgasreinigung. Die Abgasreinigung funktioniert nur bei Temperaturen zwischen 15 °C und 33 °C korrekt. Fällt die Außentemperatur unter 15 °C oder über 33 °C wird die Abgasreinigung gedrosselt oder ganz ausgeschaltet. Ungefilterte gefährliche Stickoxidemissionen werden dann in die Luft geblasen. Übrigens: Die Durchschnittstemperatur in Deutschland liegt nur für drei Monaten im Jahr über 15 °C. Die meiste Zeit des Jahres fällt in Diesel-Autos durch das Thermofenster die Abgasreinigung komplett aus oder wird gedrosselt. Auf den Prüfständen sind Temperaturen um die 25 Grad vorgeschrieben. Auf diese Weise fiel das Thermofenster nicht durch die unzähligen Prüfungen.
Wie sieht Daimler im Abgasskandal das Thermofenster?
Für den Autobauer dient die Abschalteinrichtung zum Schutz der Motoren. Das Thermofenster kann auch unter bestimmten klimatischen Verhältnissen Sinn ergeben – beispielsweise im finnischen Winter. Eine Abgasmanipulation streitet Daimler vehement ab. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat jedoch in ihren vier angeordneten Rückrufen genau diese Manipulationen angenommen. Die Daimler AG hat im Diesel-Abgasskandal sogar einen Bußgeldbescheid in Höhe von 870 Millionen Euro der Staatsanwaltschaft Stuttgart akzeptiert. Das Problem des Thermofensters ist die Einstellung, ab welchen Temperaturen die Abgasreinigung gedrosselt oder abgeschaltet wird.
Wer ist überhaupt der Richter Dr. Fabian Richter Reuschle?
Der Stuttgarter Richter Fabian Richter Reuschle ist im Diesel-Abgasskandal der Schrecken der Automobilindustrie. Er hat sich in den vergangenen Jahren intensiv in den Dieselskandal eingearbeitet und interessante Urteile gefällt, die die rechtliche Landschaft in Deutschland beeinflussten. Er betreute Klagen von VW Aktionären, die den Konzern auf Schadensersatz verklagten. Die Kläger sahen sich durch den VW-Vorstand zu spät über den Abgasskandal informiert und auf diese Weise hätten ihre Aktienpakete über Gebühr an Wert verloren. Im Herbst 2018 verurteilte der Richter den Volkswagen-Eigentümer Porsche SE zu 47 Millionen Schadensersatz. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Richter Reuschle wollte auch einen großen Prozess, in dem VW-Vorstände vorgeladen werden sollten, damit sie die entscheidenden Fragen beantworten, wer was angeordnet und vor allem, wer alles über die Softwaremanipulation Bescheid gewusst hatte.
Volkswagen schlägt im Diesel-Abgasskandal mit der Kanzlei SZA zurück
Die VW-Holding, Porsche SE und Volkswagen versuchten bereits frühzeitig, in den Anlegerverfahren den Richter mit Befangenheitsanträgen zu stoppen. Kompetenzüberschreitungen und Selbstprofilierung warfen die Autobauer dem Richter vor. Mit einem ersten Befangenheitsantrag scheiterte VW auch in zweiter Instanz am Oberlandesgericht Stuttgart. Als die Ehefrau von Richter Reuschle Ende 2018 VW auf Rückabwicklung eines Fahrzeugkaufs verklagte, witterte der Konzern seine erneute Chance. Unterstützung holten sich die Autobauer dabei von der Kanzlei Schilling Zutt & Anschütz – und erwirkten in 195 Verfahren am Landgericht Stuttgart die Ablösung des Richters. Der hatte übrigens die Klage seiner Frau selbst offengelegt. Pikanterweise arbeitete in der Kanzlei Schilling, Zutt & Anschütz der kommende Präsident des Bundesverfassungsgerichts Stephan Harbarth, der seit knapp einem Jahr dem Ersten Senat vorsitzt. Harbarth war bei SZA bis zu seinem Wechsel ans Bundesverfassungsgericht Geschäftsführer. An dieser Verbindung, die auch einen Hauch von Befangenheit in sich trägt, nahm politisch bei der Wahl Harbarths zum Verfassungsrichter niemand Anstoß. Und noch eine Pikanterie: Die Richterin, die Richter Reuschle für befangen erklärte, muss im Sommer ihren Platz räumen. Die Schwester der Richterin ist laut WirtschaftsWoche Juristin bei Bosch und hatte offensichtlich die Richterin wegen einer Dieselskandal-Klage gegen Bosch angerufen. Sie musste die Kammer am Landgericht Stuttgart wechseln.