EuGH erklärt im Abgasskandal Rechtfertigung "Motorschutz" klare Absage
Der EuGH befasste sich im vorliegenden Fall mit der Klage eines Österreichers. 2013 kaufte er ein VW-Fahrzeug mit dem manipulierten Diesel-Motor des Typs EA189. 2017 wurde dem Auto das vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) genehmigtes Software-Update aufgespielt. Wenig später ging der Verbraucher juristisch gegen VW vor und verlangte Schadensersatz. Anders als in Deutschland sehen die Gerichte in Österreich keine Ansprüche der Verbraucher gegenüber VW. Schließlich normalisiere das Update die Abgasreinigung. Dass darin verwendete Thermofenster hielten die Gerichte für gerechtfertigt, weil es den Motor vor Beschädigung schütze. Das im Verfahren streitgegenständliche Thermofenster garantiert die gesetzeskonforme Abgasreinigung nur zwischen 15 und 33 Grad. Der Kläger hielt das Software-Update für unzulässig. Der Oberste Gerichtshof in Österreich ließ nun vom EuGH das Thema Update klären.
Der EuGH schlug sich in seinem Urteil auf die Seite der Verbraucher. „Eine Einrichtung, die die Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffoxidemissionen nur innerhalb des Thermofensters gewährleistet stellt eine nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 grundsätzlich unzulässige Abschalteinrichtung dar“, teilte das Gericht am 14. Juli 2022 mit. Der Gerichtshof wies zum einen darauf hin, dass Umgebungstemperaturen von weniger als 15 Grad Celsius im Unionsgebiet üblich sind. „Zum anderen sind die auf Unionsebene festgelegten Emissionsgrenzwerte auch dann einzuhalten, wenn die Temperaturen deutlich unter 15 Grad Celsius liegen.“ Die Software schränkt die Wirkung des Emissionskontrollsystems bei normalen Nutzungsbedingungen ein.
Der Einsatz des Thermofensters zur Schonung von Anbauteilen wie Abgasrückführventil, AGR-Kühler und Dieselpartikelfilter ist aus Sicht des Gerichts unzulässig. Eine Abschalteinrichtung wäre nur dann akzeptabel, wenn unmittelbare Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall bestünden. Also „Risiken, die so schwer wiegen, dass sie eine konkrete Gefahr beim Betrieb des mit dieser Einrichtung ausgestatteten Fahrzeugs darstellen.“ Der Gerichtshof weist jedoch in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Ausstattung mit einer Abschalteinrichtung nicht allein deswegen notwendig sein kann, um den Motor vor Verschmutzung und Verschleiß zu schützen.
VW-Fahrern könnte jetzt die Stilllegung im Abgasskandal drohen
Dass mit dem Software-Update zum VW-Diesel EA189 verwendete Thermofenster ist nach dem EuGH-Urteil unzulässig und illegal. Für die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer ist damit klar, dass der gesamte Abgasskandal neu aufgerollt werden muss. 2,4 Millionen Dieselfahrzeuge sind mit dem EA189 Motor unterwegs und mit dem Software-Update ausgerüstet worden. In letzter Konsequenz droht die Stilllegung. Und auch in dem Nachfolgemodell des Skandalmotors – dem EA288 – befindet sich ein Thermofenster. Auch die meisten anderen Hersteller wie Mercedes, Opel und Fiat verwenden in ihren Dieseln diese Art der temperaturgesteuerten Abschalteinrichtung.
Showdown im Abgasskandal zwischen EuGH und BGH
Allerdings hat der EuGH in diesem Verfahren nicht über die Frage entschieden, ob auch Schadensersatz gegen die Hersteller verlangt werden kann. Hier vertritt der Bundesgerichtshof (BGH) die Ansicht, dass "Thermofenster" jedenfalls keine sittenwidrige Schädigung darstellen und derartige Ansprüche ausscheiden. Der BGH will den Nachweis des vorsätzlichen Handelns nach §826 BGB geführt haben, damit der Verbraucher Schadensersatz erhält. Doch auch in diesem Fall ist noch nicht das letzte Wort gesprochen. In einem weiteren Verfahren am EuGH hat der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen am 2. Juni 2022 die Ansicht vertreten, dass die EU-Abgasregeln auch Rechte von Dieselkäufern schützt. Der BGH sieht das anders. Der Generalanwalt hat vorgeschlagen, dass Verbraucher im Abgasskandal generell Schadensersatz zustehen soll, wenn die Hersteller fahrlässig gehandelt haben und eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut worden ist. Darüber hinaus plädierte der Generalanwalt dafür, die Autohersteller so zu bestrafen, dass die Strafe Wirkung zeigt. Gerade die von Klägern zu zahlende Nutzungsentschädigung an die Autohersteller schmälert den Schadensersatz – frisst ihn gar auf. Diese Vorgehensweise ist dem EuGH-Generalanwalt ein Dorn im Auge. Mit diesem Urteil wird bis Ende des Jahres gerechnet. Hier können große Teile der BGH-Rechtsprechung auf den Kopfe gestellt werden.
Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer geht von einem weiteren verbraucherfreundlichen Urteil am EuGH aus und rät daher vom Abgasskandal betroffenen Verbrauchern, sich anwaltlich beraten zu lassen. Geschädigte müssen durch die Folgen und Auswirkungen des Abgasskandals mit enormen Geldeinbußen kämpfen: Ihnen drohen Fahrverbote, Stilllegungen und Wertverluste, sofern sie die Ansprüche nicht rechtzeitig vor Gericht geltend machen. Verbraucher sollten eine Individualklage erheben. Die Chancen stehen nach aktueller Rechtsprechung sehr gut. Im kostenfreien Online-Check lässt sich der richtige Weg aus dem Dieselskandal herausfinden. Wir prüfen Ihren konkreten Fall und geben Ihnen eine Ersteinschätzung, bevor wir uns auf ein gemeinsames Vorgehen gegen den Autobauer einigen.