Dr. Stoll & Sauer mit nächstem Diesel-Urteil gegen Fiat-Chrysler
Die Verbraucher-Kanzlei Dr. Stoll & Sauer hat ein weiteres verbraucherfreundliches Urteil im Abgasskandal von Fiat Chrysler Automobiles (FCA, jetzt Stellantis) erstritten. Das Landgericht Stade verurteilte dieses Mal den Händler zur Zahlung einer Kaufpreis-Minderung von 25 Prozent. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer fasst das aktuelle Urteil kurz zusammen:
- Der Kläger kaufte im Juli 2019 ein Wohnmobil des Herstellers Pilote für 71.500 Euro. Das Modell P 700 Essentiel ist mit einem für das Basisfahrzeug Fiat Ducato typischen 2,3-Liter-Motor mit 150 PS der Euronorm 6b ausgestattet. Die Motorkennung lautet: F1AGL411C.
- Die Multijet-Motoren sind nach Ansicht der Kanzlei so konstruiert worden, dass die gesetzlich vorgeschriebene Abgasnachbehandlung ca. 22 Minuten nach jedem Motorstart deaktiviert wird. Da der Testlauf auf einem Abgasprüfstand nur ca. 20 Minuten andauert, führt die Deaktivierung der Abgasnachbehandlung dazu, dass in der Prüfungssituation der Anschein vermittelt wird, das Fahrzeug würde den für Fahrzeuge der Euro-6-Klasse gesetzlich vorgeschriebenen Mindestgrenzwert für NOx-Mengen genügen. Tatsächlich beträgt das reale Abgas-Emissionsverhalten insgesamt das 19-Fache und übersteigt somit beträchtlich den Grenzwert. Das haben mehrere Untersuchungen der Deutschen Umwelthilfe an Wohnmobilen der Abgasnorm Euro 5 und Euro 6 ergeben.
- Das Gericht folgte dem Antrag von Dr. Stoll & Sauer. Da sich das Fahrzeug noch in der zweijährigen Gewährleistung befindet, war neben Fiat Chrysler Automobiles Italy auch gegen den Händler geklagt worden. Der muss jetzt dem Käufer eine Preisminderung von 25 Prozent (17.875 Euro) erstatten.
- Beim Urteil handelt es sich um ein sogenanntes Teilversäumnisurteil. Der beklagte Händler sowie FCA Italy hatten sich zur Klage bisher nicht geäußert. Das Autohaus ist nun verurteilt worden. Das Verfahren gegen FCA Italy läuft weiter. Normalerweise äußern sich die Beklagten nach Versäumnisurteilen zu den Anschuldigungen. Aus Sicht der Kanzlei dient die Vorgehensweise der Beklagten zur Verschleppung des Verfahrens. Wichtig ist: Die Argumente der Verbraucherkanzlei sind bei Gericht auf fruchtbaren Boden gestoßen und waren substantiiert genug für eine Verurteilung.
- Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Der Abgasskandal im Fiat-Imperium trifft derzeit vor allem die Freunde von Reise- und Wohnmobilen. Viele Verbraucher sind zwar sauer, wollen Fiat-Chrysler zur Rechenschaft ziehen, aber ihr Wohnmobil behalten und auf Kaufpreis-Minderung klagen. Der Bundesgerichtshof hat diese Möglichkeit am 6. Juli 2021 in einem Verfahren der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer für rechtens erklärt.
- Die Erstattung des Kaufpreises abzüglich der Nutzungsvorteile und die Herausgabe des Fahrzeugs ist eine mögliche Option des Verbrauchers – der sogenannte große Schadensersatz.
- Das Fahrzeug kann aber auch behalten werden, betonten die BGH-Richter. Kläger können von Beklagten den Betrag verlangen, um den sie das Fahrzeug zu teuer erworben haben – der sogenannte kleine Schadensersatz.
- Ganz wichtig: Beim kleinen Schadensersatz wird keine Nutzungsentschädigung fällig. Ein enormer Vorteil zum großen Schadensersatz. Dort zehrt je nach Dauer des Verfahrens und den gefahrenen Kilometern das Nutzungsentgelt die Entschädigung auf und die Kläger gehen leer aus.
- Das Urteil bietet jetzt allen Kunden, die von ihren Fahrzeugherstellern arglistig und vorsätzlich geschädigt worden sind, die Möglichkeit Schadensersatz einzuklagen – unabhängig von den bereits gefahrenen Kilometern.
- Wie wird nun die Minderung des Kaufpreises ermittelt? „Für die Bemessung dieses kleinen Schadensersatzes ist zunächst der Vergleich der Werte von Leistung (Fahrzeug) und Gegenleistung (Kaufpreis) im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich“, heißt es im BGH-Beschluss. Diese Differenz muss ein Gericht feststellen. Das Landgericht Stade ist jetzt von 25 Prozent Minderung ausgegangen.
Erdrückende Beweislast gegen Fiat-Chrysler im Abgasskandal
Die Rechtsprechung im Dieselskandal von Fiat-Chrysler steht zwar noch am Anfang, aber vor den Gerichten lässt sich genügend Substanz vortragen, damit Fiat-Chrysler und Iveco verurteilt werden. Am Landgericht Stade hat Dr. Stoll & Sauer bereits mehrere Versäumnisurteile gegen Fiat-Chrysler/Stellantis erstritten. Ein weiteres Verfahren der Kanzlei befindet sich bereits in der Berufung am Oberlandesgericht Karlsruhe (Az. 14 O 333/20). Außerdem hat das Landgericht Koblenz am 1. März 2021 FCA wegen vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung nach §826 BGB zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt (Az. 12 O 316/20). Die Beweise sind erdrückend. Dr. Stoll & Sauer liegen Unterlagen aus dem Kraftfahrt-Bundesamt und Abgasgutachten zu Fiat-Motoren vor. Für die Verbraucher-Kanzlei steht aufgrund dessen außer Frage, dass Fiat und Iveco Motoren auf unzulässige Weise manipulieren. Hier Daten und Fakten zum Fiat-Komplex im Abgasskandal:
- In den USA klagten bereits 2015 Investoren wegen angeblich irreführender Angaben zu Dieselabgasen gegen FCA. Das Unternehmen hat sich bereits verglichen.
- Im Frühjahr 2016 deckte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) den Abgasskandal bei FCA auf. Der Fiat 500X Euro 6 sprengte mit 1777 mg/km Stickoxid alle Normen. Euro 6 erlaubt einen Ausstoß von 80 mg/km Stickoxid.
- Das von der DUH informierte Kraftfahrt-Bundesamt überprüfte nun ebenfalls Fiat-Fahrzeuge. Im April 2016 fiel neben dem Fiat 500X auch der Fiat Ducato Euro 5 negativ auf. Der Ducato dient als Basisfahrzeug für die Reise- und Wohnmobilbranche.
- Wenig später informierte die Bosch GmbH das Bundesverkehrsministerium darüber, dass der Autozulieferer an Fiat unzulässige Abschalteinrichtungen geliefert hatte.
- Das KBA beabsichtigte, die Typgenehmigung für Reise- und Wohnmobile mit Fiat-Motoren zu verweigern. Am 25. Mai 2016 intervenierte die Geschäftsleitung von Knaus Tabbert brieflich beim damaligen CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer und bat um eine Lösung des Problems. Am 14. Juni 2016 wurde das KBA gestoppt und die Reise- und Wohnmobile erhielten wieder eine Genehmigung. Die deutschen Hersteller sollten keine Nachteile durch eine Fahrzeugtechnik erleiden, die sie nicht zu verantworten hatten.
- Im Mai 2017 leitete die EU-Kommission aufgrund des Fiat 500X ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die italienische Regierung ein. Im Fiat 500x ist ein Multijet-Motor verbaut – also wie in den Wohnmobilen auch.
- 2017 begannen Ermittlungen in den USA gegen den Konzern. Die US-Umweltbehörde EPA fand acht Abschalteinrichtungen in Fahrzeugen mit Fiat-Motoren. Um Klagen beizulegen, zahlte FCA im Januar 2019 mehr als 500 Millionen Dollar (434 Millionen Euro). Zudem musste FCA rund 300 Millionen Dollar für Entschädigungen von US-Autobesitzern sowie Rückrufe und Reparaturen von Dieselwagen bezahlen.
- Am 17. Mai 2018 reichte die EU-Kommission vor dem EuGH Klage unter anderem gegen Italien ein. Deutschland, Italien, Luxemburg und das Vereinigte Königreich sollen die EU-Vorschriften für die Typgenehmigung von Fahrzeugen missachtet haben.
- Am 22. Juli 2020 kam es durch die Staatsanwaltschaft Frankfurt zu Durchsuchungen von Büroräumen bei FCA in Deutschland, Italien und der Schweiz. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt gegen den Konzern wegen Betrugs. Betroffen sind Multijet-Motoren der Abgasnormen Euro 5 und 6 der Baujahre 2014 bis 2019.
- Der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer liegen drei Gutachten vor, die belegen, dass bei Wohnmobilen mit Euro-5- und Euro-6-Motoren die Abgasreinigung im normalen Straßenverkehr nicht funktioniert. Der Motor mit der Abgasnorm Euro 6 überbot den gesetzlichen Grenzwert um den Faktor 19.
- Für die ermittelnde Staatsanwaltschaft Frankfurt ist mittlerweile offensichtlich klar, dass FCA-Motoren der Abgasnormen Euro 5 und 6 mit Abschalteinrichtungen manipuliert werden. Sie seien „amtsbekannt“, heißt es in einem Schreiben der Ermittlungsbehörde, die der Kanzlei vorliegt.
- Das Kraftfahrt-Bundesamt prüft derzeit, wie an den Wohnmobilen der gesetzliche Zustand wiederhergestellt werden kann. Rückrufe und Stilllegungen sind im Bereich des Möglichen.