Was war geschehen seit der "Eroica", die Beethoven bekanntermaßen seinem Heros Napoleon Bonaparte gewidmet hatte? Die Verfechter der Ideale der Französischen Revolution hatten sich gegenseitig zerfleischt oder mussten der Reaktion weichen. Die Befreiungskriege gegen die Invasionen des zum Kaiser selbstgekrönten Revolutionärs Napoleon erreichten nur die Befreiung von den Besatzern, nicht aber die Befreiung von verknöcherten und repressiven politischen Verhältnissen, die - im Gegenteil - mit dem Wiener Kongress für weitere Jahrzehnte zementiert wurden. Beethoven sympathisierte in den 1810er Jahren mit der patriotischen Bewegung und hat sich zu mancher entsprechenden (musikalischen) Kundgebung hinreißen lassen. Aber der Sieg, die Befreiung von Napoleon, die er zum Beispiel in "Wellingtons Sieg" thematisierte, hatte keineswegs die von ihm ersehnte Freiheit für die Bürger erbracht. Es scheint fast, als habe er sich nach dieser Niederlage des frei denkenden Bürgertums in die "innere Emigration" der kammermusikalischen Form zurückgezogen, ehe er sich 1822/23 dem Kompositionsauftrag der Philharmonischen Gesellschaft Londons, einer neuen Sinfonie, zuwandte. Die 9. Sinfonie steht in der Linie der "Eroica" und der 5. Sinfonie und ist der krönende Abschluss dieser Reihe weltanschaulichideeller Sinfonien. Ihr liegt die typische "per aspera ad astra"-Dramaturgie zu Grunde, aus der heraus die Sinfonik im Allgemeinen und die Beethovensche im Besonderen als Ausdruck und Sinnbild umwälzender Prozesse empfunden und interpretiert wurde und wird: Der spannungsreiche 1. Satz entfaltet seine Dramatik in einem verzahnten und weiträumigen Aufbau. Im Scherzo kontrastiert das drängende Hauptthema mit dem eher freundlichmusikantischen 2. Thema. Die beiden Themen des kontemplativen 3. Satzes mäandern, in einem Variationssatz alternierend, im Sog eines gewaltigen Atems vorwärts, bis zu der Überleitung ins Finale. Zitate aus den vorangegangenen Sätzen blitzen als Reminiszenzen auf, ehe in den tiefen Streichern die "Freudenmelodie" einsetzt und das Finale seinen Lauf nimmt.
Der Fall der Mauer am 9. November 1989 wurde von Leonard Bernstein, dem großen Humanisten, in Berlin mit einer Aufführung von Beethovens 9. Sinfonie gefeiert. Der Universalität des Schillerschen Textes und dem aufbegehrenden Impetus der beethovenschen Musik wohnt der Gestus inne, der dem friedlichen Triumph des Augenblickes entsprach. Bernstein griff bekanntermaßen in den Text ein und ließ statt von "Freude" von "Freiheit" singen. Die Reverenz an den historischen Augenblick ist offenkundig. Die Freude über die nun möglich gewordene Verbrüderung - dem dritten Begriff der revolutionären Trias - war in jenem Augenblick schon unüberhörbar.
2. Zyklus-Konzert der Dresdner Philharmonie
Sa 07./ So 08.11.2009, 19.30 Uhr
Festsaal des Kulturpalastes am Altmarkt
Programm:
Ludwig van Beethoven
Chor der Gefangenen aus der Oper "Fidelio" op. 72
Sinfonie Nr. 9 d-Moll op. 125
mit Schlusschor über Friedrich Schillers "Ode an die Freude"
Rafael Frühbeck de Burgos - Dirigent
Manuela Uhl - Sopran
Sarah van der Kemp - Mezzosopran
Jeffrey Dowd - Tenor
Robert Holl - Bass
Philharmonischer Chor Dresden
Einstudierung Prof. Matthias Geissler
Philharmonischer Jugendchor
Philharmonischer Kinderchor
Einstudierung Prof. Jürgen Becker
Karten sind erhältlich in der Ticketcentrale im Kulturpalast am Altmarkt,
Mo bis Fr, 10 - 19 Uhr, Sa 10 - 18 Uhr,
Tel. 0351 / 4 866 866, Fax 0351 / 4 866 353
www.dresdnerphilharmonie.de
ticket@dresdnerphilharmonie.de