Und zum Thema Außerirdische meint Manthey: Die Frage nach außerirdischen Zivilisationen, die sich vielleicht auch der Leser stellt, stellt sich für mich nicht mehr. Sie sind schon lange unter uns. Wir müssen uns eher fragen, wie wir mit ihnen umgehen wollen. Was unsere Zeitreisende tun muss, ist dabei aber keine Hilfe. Ihr Fall ist ein Sonderfall. Wie der Leser das sieht, muss jeder für sich selbst herausfinden. Viel Vergnügen und passen Sie gut auf. Vielleicht sind doch schon Außerirdische unter uns …
„Nehmse Platz, Herr Jeheimrat! Was gibsn Neues aufm Bau? Wieder Nachtschicht gehabt?“ Mit diesen inzwischen berühmt geworden Worten begrüßt ein bekannter Berliner Frisör gewöhnlich fast jeden seiner Stammkunden. Heute aber ist es etwas anders. Denn der Titel des erstmals 1981 im Eulenspiegel Verlag Berlin (wo auch sonst?) veröffentlichten Buches von C.U. Wiesner lautet „Frisör Kleinekorte in Venedig und anderswo“. In Venedig. Und das 1981. Zu DDR-Zeiten …
In dem erstmals 2013 veröffentlichten Buch „Die Erben der Aktion Rose“ von Rudi Czerwenka kannten sie sich, waren sie doch Flüchtlinge aus dem Baltikum, aus Schlesien, die nach dem Krieg hier ein neues Zuhause gefunden, sich etwas aufgebaut hatten in den ersten Nachkriegsjahren, bis Anfang 1953, bis zur „Aktion Rose“. Sie trafen sich durch Zufall wieder, nach der Wende im Westen. Ruth, die Tochter des Fleischermeisters, hatte ihren Besitz schon zurück, Anton liebäugelte nun mit dem Grundstück seiner Frau, doch die war damals die große Liebe des Bürgermeisters von heute. Und wie geht das nun alles weiter?
In dem erstmals 1997 veröffentlichten Buch „Simons Reise zum Es-war-einmal-Stern“ von Rudi Benzien erzählt Opa Ludwig etwas Unglaubliches – vom Es-war-einmal-Stern. Das soll stimmen? Simon hat da seine Zweifel. Aber dann geht es auf die Reise: Zur Wolke Martha, zum Mondmann, zum geblümten Herrn Robert …
Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Erneut geht es um das Thema Rassismus, das sehr viel mit der Missachtung anderer Menschen zu tun hat, bis hin zum Hass und zu tätlichen Angriffen auf Menschen, die zum Beispiel eine andere Hautfarbe haben oder eine andere Sprache sprechen.
Erstmals 1993 veröffentlichte Günter Görlich im SPOTTLESS-Verlag Berlin „Tom und Franziska“: Das ist eine kurze, nur gut 50 Seiten lange Erzählung. Aber diese 52 Seiten haben es in sich. Am Anfang durchkreuzt ein Vater die Sonnabendnachmittagspläne seines Jungen, der gerade aus der Schule gekommen und froh ist, die Woche über die Runden gebracht zu haben. In Gedanken ist er schon mit seinem Freund Marko im Kino Babylon, wo ein spannender Western läuft.
An der Wohnungstür empfängt ihn der Vater und sagt: „Thomas, heute Nachmittag bekommen wir Besuch. Räum dein Zimmer auf und zieh dich um.“
Das ist eine Überraschung für Thomas Ammon an diesem letzten Samstag im April. Schon als ihn der Vater mit Thomas ansprach, war dem Jungen klar, etwas Besonderes stand in Aussicht. Vater rief ihn gewöhnlich Tom, manchmal auch Tommy. Mutter hatte ihn nur Tommy genannt. Doch Mutter konnte nicht mehr zärtlich zu ihm sein - sie lebte nicht mehr. Sie war nach langer Krankheit gestorben. Natürlich will Thomas wissen, wer eigentlich zu Besuch kommt, erfährt aber nur, dass er sie kennt. Es seien Mutter und Tochter.
Thomas, der sich über den verpatzten Sonnabendnachmittag ärgert, spürt, dass sein Vater offenbar ziemlich aufgeregt ist, wirkt wie ein Tiger vor dem Sprung. Das Überraschendste war Vaters Kleidung. Statt der Cordhose trug er eine graue Stoffhose, dazu ein hellblaues Hemd und einen Schlips. Thomas hätte die Tage an einer Hand zählen können, an denen er seinen Vater mit Schlips gesehen hatte. Alles ist sehr ungewöhnlich.
Dann sind die beiden weiblichen Besucher da: Eine blonde Frau war gekommen und ein dunkelhäutiges, kraushaariges Mädchen, ein wenig größer als die Frau. Auch der Vater schaute auf das schwarzhäutige Mädchen. Die Frau sagte: „Das ist meine Franziska.“
Die beiden Frauen wohnen in Schwerin. Dort war sein Vater im Februar zur Kur gewesen. Und er hört, dass auch Franziska keine Mutter mehr hat, früher einen afrikanischen Namen trug, im Süden Afrikas geboren wurde.
Als sein Vater vorschlägt, einen Spaziergang zu machen und Elke Briest fragt: „Wollt ihr eure eigenen Wege gehen, oder schließt ihr euch uns an?“, hat Thomas dunkle Vorahnungen. Er befürchtet, dass an der Ecke Marko und ein paar andere Typen herumlungern. Er spürt richtig, wie sie ihn und das schwarzhäutige Mädchen von oben bis unten mustern. Genau so kommt es auch.
Diese doppelte Liebesgeschichte scheint zu Ende, bevor sie überhaupt richtig anfängt. Dennoch bleibt auch ein Hoffnungsschimmer: Auf einem Blatt stand in großen Buchstaben: „Lieber Tom, wir sehen uns wieder. Deine Franziska“.
Außerdem wollen wir an dieser Stelle wieder darauf hinweisen, dass im gesamten Monat März als „Amazon-Deal des Monats“ der Band „Nebelkerzen“ zu haben ist. Darin befasst sich Autor Siegfried Stang detailliert mit den Haysom-Morden und der Suche nach der Wahrheit in diesem aufsehenerregenden Kriminalfall in den USA. Hatte der Diplomatensohn Jens Söring tatsächlich einen Doppelmord ausgeführt, zu dem ihn seine Freundin Elisabeth Haysom, die Tochter der beiden Opfer angestiftet haben sollte, oder war er doch nicht der zweifache Mörder?
In "Die Zeitreisende, 12. Teil. Die Suche nach den verborgenen Sendern der Minoser in Afrika" von Hardy Manthey finden wir uns mitten in einem rasenden Abenteuer wieder, das Aphrodite und Dieter Landauer quer durch die Zeit und Gefahren führt. Nach einem dramatischen Fluchtversuch aus der Nähe der Pyramiden, durchleben sie brenzlige Situationen, die nicht nur ihre Überlebenskünste, sondern auch ihre Beziehung zueinander auf die Probe stellen. Lesen Sie weiter, um zu entdecken, wie sie mit Verfolgern, historischen Rätseln und der ständigen Bedrohung ihres Lebens umgehen.
„Sie haben wirklich schöne Beine. Was meinen Sie mit einem Sicherheitsgurt? Das ist kein Oldtimer, gnädige Frau. Der Mercedes ist dreißiger Baujahr, glaube ich, und hat noch keine zehntausend Meilen auf seinem Tacho!“, widerspricht er ihr.
Landauer erreicht eine Hauptstraße, fährt deutlich langsamer und fragt erneut: „Wie haben Sie das gemeint, dass Sie hoffen, dass alle erschossen wurden? Sind Sie von der brutalen Sorte Frau? Froh, dass ihr Mann endlich tot ist?“
Aphrodite ordnet ihren zerrissenen Rock, macht es sich bequem und erklärt ihm: „Der schnelle Tod dort oben bei den Pyramiden erspart den Männern grausame Foltern. Unsere Verfolger wissen nicht, wo die Königsgräber sich befinden und hoffen, dass die Männer den Ort kennen. Dass nur ich den Ort kenne, wissen die Mörder nicht!“
Jetzt fahren sie schon über die neue Brücke nach Kairo hinüber.
„Wir können nur hoffen, dass sie uns nicht schon im Hotel erwarten. Ich habe mein ganzes Geld und meine Papiere dort!“, klagt Landauer und will schneller fahren. Aber die vorherrschenden Kutschen und Karren aller Art lassen eine schnellere Fahrt nicht zu.
Aphrodite kann nicht glauben, dass jemand vor ihnen im Hotel sein kann. Von Lingstädt wird kaum davon ausgegangen sein, dass sie ihm oben an den Pyramiden entkomme könnten. Immerhin müssen es ein gutes Dutzend Männer gewesen sein, die Jagd auf sie gemacht haben. Ein Verhältnis von vier gegen einen. Bei so einer Überlegenheit konnte sich niemand vorstellen, dass sie ihm erneut entwischen würde. Noch gibt es auch keine Hubschrauber, die die Killer auf dem Dach des Hotels absetzen könnten. Sie sind also in jedem Fall vor ihnen am Hotel. Zu Landauer sagt sie aber, um für den Fall der Fälle vorzubeugen: „Dann müssen wir uns eben den Weg in unsere Zimmer freischießen. Ich brauche mein Geld auch!“
„Wenn unsere Männer wirklich alle tot sind, ist unsere Expedition doch jetzt schon gescheitert“, erklärt Landauer und stellt den Wagen vor dem Hotel ab. Er steigt aus, geht einmal um den Wagen, pfeift durch die Zähne und sagt: „Ich zähle sechs Einschüsse. Die Irren haben wirklich nicht mit Munition gespart!“
„Sie wollten Sie killen und mich wollten sie lebend haben. Sie als Mann werden einfach nur als Konkurrent aus dem Weg geräumt!“, erklärt Aphrodite, interessiert sich nicht sonderlich für das Auto und eilt die Treppen ins Hotel hoch. Zum Mann an der Rezeption sagt sie: „Meine Zimmerschlüssel bitte. Hat jemand heute schon nach uns gefragt?“
Der junge Mann nickt und erklärt: „Zwei Herren haben nach Ihnen gefragt, gnädige Frau. Sie wollten nicht auf Sie warten und sind sofort wieder gegangen. Ich habe ihnen gesagt, dass Sie zu den Pyramiden wollten!“
„Sie sind ein Idiot. Wer hat Ihnen erlaubt, Auskunft zu erteilen? Wo bleibt Ihre sprichwörtliche Diskretion?“, schimpft Aphrodite zum Entsetzten des Mannes drauflos. Sie wendet sich an Landauer: „In zehn Minuten treffen wir uns hier unten wieder. Wenn ich fünfzehn Minuten später immer noch nicht da bin, fahren Sie alleine, wohin Sie wollen. Nur muss es weit weg von hier sein, wenn Sie weiterleben wollen!“
Dieter Landauer nickt und läuft nach oben. Jetzt nimmt Aphrodite auch lieber die Treppe. So ein Fahrstuhl kann zur echten Todesfalle werden. Ihr nacktes rechtes Bein sorgt bei den Hotelgästen und dem Personal für Aufregung. Doch das müssen sie aushalten. Oben im Zimmer sucht sie sich ein weites Kleid. Zum Glück war sie zu faul, den Koffer ganz auszupacken. Jetzt ist sie schnell fertig und hetzt nach unten. Sie lässt sich ihr Geld aus dem Schließfach geben und bezahlt das Zimmer. Der junge Mann am Tresen tut jetzt beleidigt.
Erst jetzt kommt auch Herr Landauer und sagt überrascht: „Sie sind schon fertig? Wie ist das möglich?“
„Ich habe keine Lust, an diese Männer zu geraten“, erklärt sie und lässt sich von einem Boy den Koffer ins Auto tragen. Sie setzt sich neben dem Fahrersitz ins Auto und muss jetzt nur noch auf Herrn Landauer warten. Erst hier kommt sie etwas zur Ruhe. Aber wirklich Ruhe findet sie nicht. Vier Männer haben den Tod gefunden. Ihr Ehemann ist wahrscheinlich auch tot. Sie hat ihm doch kein Glück gebracht. Gerda und ihre Schwester Ilse werden sie von nun an dafür hassen. Dabei war ihr Mann selbst Schuld. Seine Arroganz und Ignoranz hat ihn das Leben gekostet. Werden ihr die Schwestern das glauben?
Endlich kommt auch Dieter Landauer. Er verstaut seinen Koffer und steigt ein, startet den Wagen und fährt los. Schon auf der Hauptstraße fragt er: „Nun Witwe Güldner, wie soll es jetzt mit uns weiter gehen? Wollen Sie jetzt doch zurück nach Deutschland? Eine kleine Witwenrente könnte für Sie herausspringen. Dann geht es zurück nach Alexandria.“
„Deutschland kommt nicht in Frage. Das habe ich doch schon in Berlin klar und deutlich allen Männern erklärt. Wir müssen weiter in Richtung Süden. Aber nur mit reichlich Benzin versorgt sollten wir so weit fahren, bis es keine Straße mehr gibt!“, schlägt Aphrodite vor und weiß auch nicht, wie es dann weiter gehen soll.
Landauer meint: „Sie sind echt hart im Nehmen. Gut, bis Karthum und weiter soll man schon mit dem Auto fahren können. Eine Kolonie ist nur so gut wie ihre Straßen. Das wussten schon die alten Römer. Die Briten investieren jedes Pfund, das sie über haben, in ein modernes Schienen- und Straßennetz. Aber sollten wir nicht vorher herausfinden, ob Ihr Mann und Doktor Hagemeister wirklich tot sind? Trettnow ist mit vier Einschüssen definitiv tot. Das überlebt nicht einmal ein Grizzlybär. Aber Ihr Mann oben auf der Pyramide hat zwar alles gesehen, aber ihn müssen sie nicht zwingend gesehen haben.“
„Ist das nicht zu gefährlich für uns, dort noch einmal hochzufahren?“, fragt Aphrodite ehrlich besorgt. Ihr Mann ist es definitiv nicht wert, Kopf und Kragen für ihn zu riskieren.
„Nicht, wenn wir es auf meine Art machen“, schlägt Dieter Landauer vor, biegt abrupt in eine Seitenstraße ein und hält vor einer Polizeistation.
Er steigt aus und sagt zu ihr: „Nicht weglaufen. Bin in fünf Minuten wieder hier, Frau Güldner!“
Dass sie nicht mit zur Polizei muss, ist ihr mehr als nur recht.
Doch das parkende große Auto lockt gleich eine ganze Horde bettelnder Kinder an. Sie wirft den Kindern ein paar Münzen zu und hofft so, die Bettelkinder los zu werden. Doch die Kinder lassen nicht locker. Es kommen immer mehr Kinder und umlagern den Wagen.
Genervt holt Aphrodite ihre Pistole aus der Handtasche, hält den Lauf einem Kind an die Stirn und setzt ihre giftigste Mine auf. Es sind nur Sekunden, dann ist kein einziges Kind mehr zu sehen. Schnell lässt sie ihre Pistole wieder verschwinden. Sie blickt sich um und hofft, dass niemand die Pistole in ihren Händen gesehen hat. Dabei sieht sie gut zwanzig Meter entfernt viele bunte Stoffe hängen. Ihr kommt eine Idee. Jetzt hat sie es doch eilig.
In "Frisör Kleinekorte in Venedig und anderswo" entführt uns C.U. Wiesner auf eine humorvolle Reise quer durch Europa, die so reich an skurrilen Begegnungen und Anekdoten ist, dass man glauben könnte, in eine andere Welt einzutauchen. Von einem Dolmetscher, der nebenbei als Direktor eines Weinkellers und als Frisör tätig ist, bis hin zu ungewöhnlichen Silvesterfeiern in Budapest, zeichnet Wiesner ein Bild voller Charme und Witz. Tauchen Sie ein in diese Leseprobe, die Sie durch die Straßen von Budapest führt, vorbei an Cafés und durch eine Silvesternacht, die so bunt und lebendig ist, dass man sie so schnell nicht vergessen wird.
Die Kellner sind jewetzt, trotzdem se jar kein Trinkjeld kriegten. Und sojar unser Dolmetscher Kartski raste mitm Tablett hin und her. Ham Sie denn dis nötig, frägt ihm Mutter, wie er sich nachher zu uns setzte. Ist auch mein Beruf, sagt er, ich bin Direktor von dieses Weinkeller, aber mach ich nur nebenbei. Also hauptsächlich sindse Dolmetscher, sag ick. Nein, sagt er, mach ich auch nur nebenbei. Mein Hauptberuf ist Frisör. Nu kriegten wir aber langsam dis große Wundern. - Aber wann bedienense denn Ihre Kunden, Haarschneiden und so? - Mein Geheimnis, sagt er und grinst übers ganze Gesicht, müssen Sie wissen, bei uns haben Frisör von morgens sieben bis abends um neun geöffnet. Ich gebe Anleitung in große Salon und machen Abrechnung. Wenn Arbeit ist gut eingeteilt, ich fahren nach Feierabend noch Taxi. Also, wie der det macht, weiß ick immer noch nicht, aber jedenfalls sind wir uns als Frisöre an den Abend mächtig näherjekommen und ham auf de Rückfahrt im Bus immer noch jefachsimpelt, während die andern janz laut Heute blau und morgen blau und andre schöne deutsche Volkslieder jesungen ham. Einmal mussten wir unterwegs anhalten, weil Dokter Bohnstengel ein dringendes Bedürfnis hatte. Jaja, hab ick janz laut zu der Ollen jesagt, wenn man erst habilitiert, ist die Blase meistens ooch schon anjegriffen.
Am nächsten Vormittag machtense mit uns die Stadtrundfahrt, und Kartski erzählte uns ’n Schlag aus die Jeschichte von die ollen Mattjahren, als wie sich die Ungarn nennen, wenn se mehr so unter sich sind. Mit Budapest isses jenau umjekehrt wie mit Berlin. Früher warnse zwei Städte, jetz sind se eine. Aber die Donau kam mir nicht halb so blau vor wie unsere Reisejruppe an dem Weinabend. Und auf alles sind die Ungarn unheuer stolz, zum Beispiel auf ihr Parlament. Dis is zwar ne Nummer jrößer als wie unser Palast der Republik, aber dafür ville unmoderner und hat nicht mal Jastronomie.
Von die Fischerbastei war ick ’n bißken enttäuscht. Dis is nämlich nischt andres als wie ne Art riesiger Balkong mit lauter kleine Türmchen und ein Blick auf dis Parlament, aber dis kannten wir ja schon. Wie nu die Leute aus unsre Jruppe alle schwärmten, hab ick jesagt, wir ham ne ville jrößere Bastei inne Sächsische Schweiz, und in Berlin gibts ne janze Fischerinsel. Denn langsam hatten wir jenug von die Kirchen und andre Altertümer, denn wir mussten doch noch unser Jeld unter die Mattjahren bringen.
Nachs Mittagessen sind Muttern und ick gleich losjepeest, haben uns sojar in die neue U-Bahn jetraut, wo in Budapest Felderlotti heißt und einen janz fremdartig vorkommt, weil se innen und außen blitzsauber is. Da kann man ooch nicht schwarzfahren wie bei uns. Wer dis versucht, kriegt gleich ’n Leberhaken mitm Stahlarm von son einjebauten Robotter.
Mit dis Einkaufen hatten wir leider Pech, weil Silvesternachmittag alleJeschäfte geschlossen sind, und nu wars Essig mit Paprika, Salami und meine jestickte Weste. Dafür sind wir in dis jemütliche alte Café Rußwurm aufm Burgberg einjekehrt. Trotzdem dis bloß klitzeklein is, hamse da über fuffzig Sorten Torte und sone leckeren Petöfis mit Zuckerjuß zur Auswahl, aber mehr als acht Stücke hat Muttern beim besten Willen nicht jeschafft. Bloß mit den Kaffee muss man sich mächtig umstellen. Ick sage in mein bestes Reiseführer-Ungarisch zu den Kellner: Velour, Ketten-Fäkalität, also Herr Ober, zwei Schwarze. Sagt er mit unbeweglicher Miene:
Der Herr können ruhig deutsch sprechen. Und denn kam er mit dem Kaffee, dis war aber bloß ein Schluck für jeden. Dafür musste Muttern gleich ihre Herzdroppen nehmen. Denn konnte se bloß noch jappen : Von soville Kaffee brüh ick uns ne janze Woche lang zum Frühstück. Wenn die so aasen, kann sich derJastwirt von den Kaffee nie ’n jroßes Auto leisten. Du weißt ja nicht, sag ick, wat der sonst noch macht, vielleicht isser nebenbei noch Minister und Donaudampfschiffskapitän.
Wie wir zurück zum Hotel jemacht sind, war schon am hellerlichten Nachmittag ein unjeheurer Trubel inne Stadt. Janz ville Leute, vom Opa bis zum Kleinkind, rannten mit sone bunten Papiertuten durch die Straßen und trompeteten, deß einem beinah dis Trommelfell platzte. Muttern sagte, bei den Lärm jeh ick heut nicht mehr aus mein Hotelzimmer. Völlig falsch, sagte ick, ran an Sarch und mitjeweent. Und denn hab ick uns zwei besonders jroße Pappfanfaren jekauft, bei ein Zigeuner am Stand, und der hat mir gleich noch sone Jesichtslarve anjedreht, damit sah ick denn aus wien janz oller Mann und konnte mir in Budapest sozusagen in Carnito bewegen.
Die Silvesterfeier fand in ein besonders feines Etablissemang statt, im Hungaria, aber dis hieß nur so, denn jespachtelt ham wir da pausenlos, und nur die allerfeinsten Sachen, ick kam mir vor wie son Warenprüfer im Delikatladen. Und zur Verdauung hab ick mit Muttern jescherbelt wie einst im Mai. Und dazu nur Schampus jetrunken, wat wir uns in Berlin nie leisten würden, aber wir hatten ja noch unsere janzen Forinten und konnten sojar die Leute am Tisch, wo ihre schon für Bücher, andere Kinkerlitzchen und Salami ausjegeben hatten, noch mit freihalten. Dabei jabs mächtigen Krach zwischen dis Ehepaar Bohnstengel, weil er andauernd mit Muttern danzen wollte. Da is die Olle schon vor zwölfe jiftig wie ne Natter ins Hotel abjezischt, und er hat mit mir Brüderschaft jetrunken. Hubert heißt der Junge und hat erzählt, deß er ooch bloß aus janz kleine Kreise kommt. Und Waldemar, dis is der Autofritze, hat mir immer wieder jesagt, deß ick von ihm jede Menge Radierreifen für mein Auto kriegen kann, dabei hab ick nie eins besessen. Und Kartschi hat mir auf beide Backen jeküßt, was mir ja an und für sich zuwider is: Wilhelm-Batschi, hat er gesagt, ich kommen dich besuchen in Berlin und zeig dir, dass ich nicht verlernt hab Haareschneiden.
Und denn schlugs auf einmal zwölfe. Alle Ungarn standen auf und sangen feierlich die Nationalhymne mit. Dis stellnse sich mal bei uns in Berlin, beispielsweise im Café Nord, zu ner Silvesterfete vor! Aber hinterher jing der Trubel erst richtig los. Alle Leute, auch draußen aufe Straße, fielen sich um den Hals und riefen: Bulldog, euer Fett! - also: Prost Neujahr! Und darauf muss man antworten: Küssele Wisent! - Danke gleichfalls.
Anschließend kam dis Küchenpersonal mit ein lebendiges Schweineferkel. Dis war in eine Serviette jewickelt, und alle Leute durften ihm an Schwanz fassen, dis bedeutet Glück.
Warum quietscht denn das Tierchen so laut, hat die dicke Hampken jefragt. Und da kann ick mir noch jenau erinnern, wie ick jeantwortet habe: Stell dir mal vor, dis würdense mit dein Waldemar machen!
Da hat Muttern ooch schon ihre schmalen Lippen jekriegt, is aufjestanden und hat jesagt: Willem, es is höchste Zeit für dir. Aber denn fehlen mir ’n paar Meter Fülm.
Am andern Mittag hat mir Muttern mit Mühe und Not und ’n nassen Lappen aust Bette jekriegt, und ne halbe Stunde später brachte uns der Bus zum Flugplatz. Aber so richtig aufjewacht bin ick erst, wie wir wieder in Schönefeld jelandet sind. Drei Tage hat se nicht mit mir jeredet. Da hab ick ebent ooch rumjegnatzt und mir jesagt, Leute, die kein Sinn für jroßstädtische Verjnügungen ham, sollen Silvester auf ne Kuhbläke fahren oder aufm Arsch bleiben. Aber am vierten Tag bin ick los und hab ihr für teures Jeld echte ungarische Konjackkirschen jekauft und se ihr mit ein mattjahrischen Handkuss überreicht, woran man wieder sieht, deß Reisen büldet. Aber nu hab ick Ihnen lange jenug aufjehalten. Macht zweifuffzig! Alles Jute und auf Wiedersehen, oder auf ungarisch: Wisent, Latschen hoch!
In der folgenden Leseprobe von "Die Erben der Aktion Rose“ entfaltet Rudi Czerwenka eine Geschichte, die tief in den alltäglichen Begebenheiten und den zwischenmenschlichen Beziehungen eines Dorflebens verankert ist. Durch die Augen von Ruth Wüst erleben wir, wie ein scheinbar kleiner Vorfall – das Verlieren einer Geldbörse – zu einem bedeutungsvollen Moment des Zusammenhalts und der Fürsorge innerhalb einer Gemeinschaft wird. Diese Leseprobe zeichnet ein liebevolles Bild des dörflichen Miteinanders, der unerwarteten Hilfsbereitschaft und der daraus resultierenden tiefen Bindungen. Begleiten Sie Ruth und Petra durch einen Sommer, der nicht nur von der Suche nach einer verlorenen Brieftasche geprägt ist, sondern auch von der Entstehung neuer, unerwarteter Freundschaften.
Es geschah im vorigen Sommer. Sie war noch neu in diesen im Laufe der Zeit gewandelten Dörfern, wollte eigentlich nur ein bisschen bummeln gehen, die Läden und deren Angebote durchforsten. Nach anstrengenden zwei, drei Stunden war dies geschafft. Anstatt bei ihrem Gehöft abzubiegen, ging sie hinunter zum Strand und ließ sich in ihrem dort wartenden Strandkorb nieder. Die Sonne strahlte und lockte, die Augen zu schließen. Dabei war sie wohl eingeschlafen. Jedenfalls war es recht spät, als sie erwachte. Sie ging nach Hause und sortierte dort den Kleinkram aus, den sie zuvor unterwegs in den Geschäften und an den Ständen der Promenade erworben hatte. Plötzlich erschrak sie: Ihre Brieftasche war weg - mit der Geldbörse und all den Chipkarten. In Gedanken verfolgte sie noch einmal ihren Weg von Ollendorp bis Martenshagen mit den jeweiligen Zwischenstationen. Wo war das Täschchen geblieben?
Als Petra von ihrer Arbeit und ins Haus kam, wühlte Ruth immer noch und berichtete zwischendurch von ihrem Malheur. Das Mädchen wollte sofort all die Stellen ablaufen, wo Ruth gewesen war. Aber das war wenig Erfolg versprechend.
Während die beiden ratlos nach Auswegen suchten, ging die Wohnungstür auf, und Fred, Petras Bruder und Pächter der benachbarten Baracke, trat wortlos, aber schelmisch grinsend ein. Er legte die so heiß gesuchte Geldtasche auf den Tisch. Er hatte sie unter einem Kissen in Ruths Strandkorb entdeckt. Als der Eismann vorbeimarschiert war, hatte sie sich ein Leckeis geleistet und nachher, während die Suche nach dem vermissten Etui im Gange war, den Mann mit seinem Eiswägelchen total vergessen.
„Das waren ja nicht die einzigen Stolperfallen“, sagte Petra, die den Abwasch beendet, eine Flasche Wein und die Gläser auf den mit einer bunten Decke verkleideten Tisch gestellt und sich niedergelassen hatte. „Damals haben wir beschlossen, dass ich meine Vollzeitarbeit aufgebe, nur noch halbtags im Center tätig bin und mich täglich ab nachmittags um Frau Ruth kümmere.“
„Ja, mein guter Engel“, nickte die alte Dame und umarmte das Mädchen, dass die Gläser klirrten. „Sie hat sogar ihr eigenes Zimmer hier bei mir. Denn man kann nie wissen, was nachts passiert. Schließlich bin ich nicht mehr die Jüngste.“
Das war der Anstoß, weitere Anekdoten anzubieten, womit Ruth Wüst innerhalb weniger Jahre in den Dörfern und ringsum durch ihre Tapsigkeit, ihre gewollte oder ungewollte Großzügigkeit bekannt und auch beliebt geworden war.
In der folgenden Leseprobe zu "Simons Reise zum Es-war-einmal-Stern“ von Rudi Benzien begeben wir uns auf eine zauberhafte Reise, die jenseits unserer Vorstellungskraft liegt. Begleiten Sie Simon und seinen Opa Ludwig auf einem Abenteuer, das sie an die Grenzen des Universums und darüber hinaus führt. Ihre Neugier und der Wunsch, den geheimnisvollen Es-war-einmal-Stern zu finden, treiben sie voran. Auf ihrer Reise begegnen sie faszinierenden Wesen und entdecken Orte, die nur in den wildesten Träumen existieren könnten. Einer dieser Orte ist der Mond, wo sie auf einen ungewöhnlichen alten Mann mit einem grünen, sich farblich wandelnden Bart treffen. Dieser Mondmann, ein Hüter von Wissen und Geschichten, wird zu einem unerwarteten Führer in ihrem Abenteuer. Lassen Sie sich entführen in eine Welt, in der die Grenzen zwischen Realität und Fantasie verschwimmen, und folgen Sie Simon, Opa Ludwig und Coco, dem schrillen Begleiter, auf ihrer unvergesslichen Reise.
„Alles wird gut“, sagt er und reicht Simon das Fernrohr.
Simon blickt angestrengt in die Richtung, in die Opa Ludwig mit der Hand zeigt:
Neben einem Krater sieht er eine Herde Tiere, die wie kleine Kühe aussehen.
Sie sind gelb-violett gefleckt, haben große Köpfe, die nicht so recht zu ihren kleinen Körpern passen und Augen, die groß wie Untertassen sind.
Auf einem Stein sitzt ein alter Mann mit einem langen, grünen Bart, der auf die Herde aufpasst.
„Das ist der Mann, den wir suchen", sagt Opa Ludwig, nimmt Simon das Fernrohr aus der Hand und bewegt sich in die Richtung, wo die Herde steht.
Simon folgt ihm, Coco fliegt flattrig voraus und schreit nach jedem siebenten Flügelschlag „Jupieh“, wobei das Teeglas auf seinem Kopf hin und her wackelt.
„Denkt nicht, dass ich ‚Herzlich Willkommen‘ sage.
Unangemeldeten Besuch kann ich nämlich nicht leiden.“
Der Mann mit dem grünen Bart dreht ihnen den Rücken zu.
Coco umkreist den Kopf des Mondmannes und schreit mit schriller Stimme: „Herzlich Willkommen, ai, ai, Sir.“
„Wir wollen Sie ja nicht lange stören, sagen Sie uns nur, wie wir zum Es-war-einmal-Stern kommen und schon verschwinden wir wieder“, sagt Opa Ludwig.
Der Alte mit den grünen Bart rührt sich nicht.
Opa Ludwig flüstert Simon ins Ohr : „Versuch’ du es doch mal. Vielleicht redet er mit dir.“
Simon geht um den Mondmann herum, dass er ihm ins Gesicht sehen kann.
„Lieber Herr Grünbart, ich bin der Simon und das ist Opa Ludwig. Wir suchen den Es-war-einmal-Stern. Die dicke Wolke Martha hat uns zu Ihnen geschickt. Sie wissen alles, hat sie gesagt …“
Da passiert etwas Merkwürdiges:
Der grüne Bart, der wie frisches Moos im Wald aussieht, wird auf einmal tomatenrot und das Gesicht des Mondmannes freundlich.
Er winkt ab:
„Da hat die Wolke Martha etwas übertrieben. Ich weiß zwar eine ganze Menge, aber alles weiß ich auch nicht.“
„Gibt es denn den Es-war-einmal-Stern überhaupt?“, fragt Simon.
„Und ob es den gibt. Mein Freund Robert, der Märchengärtner, ist dort zu Hause. Regelmäßig, alle neunhundertneunundneunzig Jahre, besuche ich ihn. In dreihundertdreiunddreißig Jahren ist es wieder soweit. Wartet die paar Tage und ich fliege mit euch mit.“
Simon erschrickt:
„Soviel Zeit haben wir nicht, übermorgen, am Montag, muss ich wieder in die Schule gehen", sagt er.
Der Mondmann steht von seinem Stein auf und sein Bart wird wieder grün:
„Das ‚Keinezeithaben‘ scheint eine Erdkrankheit zu sein. Erst neulich, vor dreißig Jahren etwa, da waren zwei Erdmenschen hier. Sie wirbelten viel Staub auf, steckten ein paar Mondsteine in einen Sack und weg waren sie wieder. Sie haben mich nicht mal fotografiert und meine Mondkälbchen auch nicht", schimpft er.
Simon packt die Neugier:
„Deine Mondkälbchen gefallen mir. Wo hast du die her, lieber Mondmann?“, fragt er.
Der Mondmann setzt sich auf seinen Stein, sein Bart verfärbt sich wieder rot.
„Komm näher", sagt er zu Simon.
Opa Ludwig, der noch immer hinter dem Mondmann steht, macht Simon Zeichen, um ihn zur Eile zu drängen.
Coco fliegt auf den Rücken eines Mondkalbs und quäkt:
„Ai, ai, Sir.“
„Die Mondkälbchen, das sind die Kinder der Kühe von der Milchstraße“, erklärt der Mondmann Simon, „bei mir verbringen sie ihre Kindheit. Wenn sie groß sind und selber Milch geben können, dann bringe ich sie zurück zur Milchstraße. Das dauert genau immer neunhundertneunundneunzig Jahre.
Wenn ich sie in der Milchstraße abgeliefert habe, reise ich für ein paar Tage zu meinem Freund Robert zum Es-war-einmal-Stern, auf der Rückreise zum Mond nehme ich von der Milchstraße wieder die neugeborenen Mondkälber mit und hege und pflege sie wieder neunhundertneunundneunzig Jahre lang.“
„Dann ist der Mond der Kindergarten der Kühe von der Milchstraße und du bist der Mondkälberkindergärtner“, stellt Simon fest
„So ist es, mein Simon", sagt der Mondmann lachend und sein Bart leuchtet purpurrot.
Opa Ludwig hält es vor Ungeduld nicht mehr aus. Er tritt von einem Bein auf das andere.
„Lieber Mondmann“, sagt Simon, „sag uns doch bitte, wie wir den Es-war-einmal-Stern finden.“
In der folgenden Leseprobe von "Tom und Franziska" von Günter Görlich entfaltet sich eine Geschichte, die tief in den alltäglichen Herausforderungen und Beziehungen verwurzelt ist, welche Jugendliche während ihrer formenden Jahre durchleben. Begleiten Sie Thomas, während er sich durch die komplexe Welt der Freundschaften, familiären Bindungen und ersten Liebe navigiert. Die Szene, in der Thomas und Marko ihre unterschiedlichen Sichtweisen auf Franziska und das Konzept der Akzeptanz austauschen, setzt den Ton für eine Erzählung, die Vorurteile, Missverständnisse und das Streben nach persönlicher Identität erkundet. Während Thomas sich darauf vorbereitet, seinen Großvater zu empfangen, spiegelt sein Innenleben die Widersprüche und das Wachstum wider, das so charakteristisch für das Jugendalter ist. Die Begegnung mit Großvater Georg fügt eine weitere Schicht emotionaler Tiefe hinzu, die das familiäre Band und die daraus resultierenden Konflikte und Hoffnungen beleuchtet. Tauchen Sie ein in eine Geschichte, die nicht nur die bittersüßen Facetten des Erwachsenwerdens einfängt, sondern auch die Bedeutung von Verständnis und Empathie in zwischenmenschlichen Beziehungen hervorhebt.
Marko wartete auf Thomas vor dem Klassenzimmer.
Schweigsam trotteten sie eine Weile nebeneinander her.
„Kommen die wieder zu euch?“, brach Marko das Schweigen.
„Genau, sie kommen.“
„Ich würde glatt durchdrehen.“
Thomas zuckte mit den Schultern.
„Du kannst doch gar nicht klarkommen mit der Schwarzen. Geht überhaupt nicht.“
„Wie willst du das wissen?“
„Aber ständig diese Maske um einen herum.“
„Du hast vielleicht eine Ansicht.“
Thomas wurde wütend.
„Ich denke doch nicht allein so“, sagte Marko.
„Die Maske steckt alle Weiber in unserer Klasse glatt in den Sack.“
„Sag das bloß nicht zu laut. Die kratzen dir die Augen aus.“
„Von dir hätte ich eigentlich was anderes erwartet.“
„Du hast sie ja mir nicht gezeigt. Bist vorbeigelaufen.“
„Hab sie ja selber nicht gekannt damals. Zwei Stunden vielleicht.“
„Musst ja wissen, wen du eintauscht gegen mich“, sagte Marko finster.
„Quatsch, ich will niemanden eintauschen“, erwiderte Thomas heftig.
Eine Weile liefen sie schweigend, mit gesenkten Köpfen. Als sie den Zeitungskiosk erreichten, wo sich ihre Wege trennten, blieb Thomas stehen.
„Tschüs“, sagte er und hob die Hand.
„Sehen wir uns in der Woche?“, fragte Marko.
„Vielleicht.“
„Dann bring sie mit, die Schwarze.“
„Franziska heißt sie“, sagte Thomas.
Am frühen Nachmittag, Thomas räumte sein Zimmer auf, läutete die Türglocke. Zunächst dachte Thomas an Marko. Doch er kannte den Freund, der kroch nicht zu Kreuze.
Er hatte ja gesagt, Thomas solle ihm Franziska vorstellen.
Das musste erst einmal passieren.
Vor der Tür stand Großvater Georg und erklärte dem Enkel, dass er in der Nähe zu tun hatte und die Gelegenheit benutze, mal vorbeizuschauen.
„Machst klar Schiff“, sagte er und blickte sich im Zimmer des Jungen um, „der Besuch, wie?“
„Muss ja immer mal gemacht werden.“
„Du bist sehr selbstständig geworden. Na ja, wenn die Frau im Hause fehlt“, sagte Georg Ammon.
Der Junge spürte, Großvater bedrückte etwas, und er ahnte, es war das Zerwürfnis zwischen Mutter und Sohn.
„Ist schade, dass unsere Woche draußen futsch ist“, sagte Opa Georg.
„Aber du weißt doch warum, Opa.“
„Ja, ich weiß es“, sagte Großvater seufzend, „ich seh's ja auch ein. Aber es schmerzt. Und deiner Großmutter ganz schlimm.“
Thomas sah sich mit Marko und den Großeltern in der Veranda sitzen. Cola und Limonade stehen griffbereit im schattigen Schuppen. Und Opa Georg erzählt von seinen Fahrten in ferne Länder, die spannend und aufregend gewesen waren, und bestimmt würde er ein wenig aufschneiden …
„Später komme ich ja zu euch“, sagte Thomas.
Großvater ließ die Katze aus dem Sack.
„Wär’s nicht möglich, mal einen Nachmittag zu uns rauszukommen? Vater, du, und der Besuch“, fragte er.
„Was meint Oma dazu?“
„Sie wird schon einverstanden sein. Sie wird sogar froh sein, glaube ich.“
Da wusste Thomas, Großvater handelt auf eigene Faust. Ob das gut geht?
„Ich weiß nicht, was Papa in der Woche vorhat.“
„Aber einen Nachmittag werdet ihr doch frei haben“, bat Großvater Georg.
Der Junge sah in das erwartungsvolle Gesicht des Großvaters, und er tat ihm leid.
„Ich frage Papa“, sagte er.
„Das wird schon werden“, sagte Großvater freudig.
In der folgenden Leseprobe zu "Nebelkerzen" von Siegfried Stang wird der Leser tief in die verworrenen Pfade der Kriminalforensik geführt. Eine Schlüsselszene des Buches beleuchtet die Bedeutung eines ungewöhnlichen Beweismittels – eines Sockenabdrucks mit der Bezeichnung „LR–3“. In einer Welt, in der Fingerabdrücke und DNA-Spuren oft im Mittelpunkt stehen, öffnet dieser Fall das Tor zu den weniger betretenen Wegen der Ermittlungsarbeit. Robert Hallett, ein Zeuge, keine Autorität in Sachen forensischer Expertise für Sockenabdrücke, bringt eine faszinierende Wendung in den Fall. Mit einer simplen, aber innovativen Methode – einem Overlay, das den Abdruck des Verdächtigen mit dem am Tatort gefundenen Sockenabdruck vergleicht – wird eine bemerkenswerte Übereinstimmung offenbart. Diese Entdeckung stellt nicht nur die forensische Analyse auf die Probe, sondern fordert auch die Leser heraus, ihre Vorstellungen von Beweisen und Wahrheit in der modernen Kriminalistik zu hinterfragen. Tauchen Sie ein in eine Geschichte, die sowohl die Grenzen der forensischen Wissenschaften als auch die menschliche Neigung, über das Offensichtliche hinauszudenken, auslotet.
Der Sockenabdruck LR–3
Seitens der Staatsanwaltschaft wurde dann der letzte Zeuge der Anklage, Robert Hallett, aufgerufen, und zwar im Hinblick auf die blutigen Sockenabdrücke, die die Polizei auf dem Boden im Erdgeschoss des Hauses in Loose Chippings vorgefunden hatte. Hallett stellte den Abdruck mit der polizeilichen Bezeichnung „LR–3“ bei seinen Aussagen in den Vordergrund.
Er trat nicht als Sachverständiger in den Zeugenstand, sondern lediglich als Zeuge, durfte also nur Tatsachen feststellen, nicht jedoch Beweismittel interpretieren. (1077) Das hatte Richter Sweeney so festgelegt, denn er war der Meinung, dass es zu Sockenabdrücken keine polizeilichen Datensammlungen (wie etwa bei Fingerabdrücken) gebe, deshalb sei eine exakte wissenschaftliche Einordnung von solchen Abdrücken nicht möglich. (1078)
Sweeney traf die Entscheidung keineswegs gegen den Willen der Staatsanwaltschaft, denn nach Updikes Auffassung konnte es überhaupt keinen Sachverständigen für Sockenabdrücke geben, weil es keine Datenbanken für diese Art von Spuren und auch keine Vielzahl von Fällen mit dieser Problematik gab. (1079)
Updike hatte alle Beweisstücke zu den Sockenabdrücken mit der Bitte um Untersuchung an das FBI-Labor in Quantico geschickt (1080) und die Aufgabe war Hallett – einem dort beschäftigten Mitarbeiter – zugewiesen worden. Er war kein Experte auf diesem Gebiet der Forensik. Und nun zeigte er auf Anordnung von Richter Sweeney als Zeuge – nicht als Sachverständiger – was er festgestellt hatte. Dazu war von ihm ein sogenanntes „Overlay“ gefertigt worden: Auf eine durchsichtige Folie war in Originalgröße der Fußabdruck aufgebracht worden, den Söring bei der Polizei abgegeben hatte, nachdem seine Fußunterseite mit Spurensicherungspulver (Tintenpulver) präpariert worden war.
Diese Folie wurde nun auf ein ebenfalls originalgroßes Foto von dem blutigen Sockenabdruck vom Tatort gelegt, der die Bezeichnung „LR–3“ trug. (1081) Die Übereinstimmungen waren frappierend. Zu diesem Ergebnis kam sogar Söring selbst: „Die Ähnlichkeit war bemerkenswert.“ (1082) Dieser Einschätzung kann man eigentlich nur beipflichten, wenn man sich das Overlay-Konstrukt anschaut (siehe Foto). Beides sieht auf den ersten Blick deckungsgleich aus.
Es ist schon auffällig, wie oft wir uns auch gegenwärtig wieder mit dem Thema Rassismus und damit mit dem Thema Menschenfeindlichkeit herumschlagen müssen. Daher spielt dieses Thema leider auch in den in den aktuellen Newslettern vorgestellten Büchern immer wieder eine große Rolle, so auch in der heutigen Post aus Pinnow. Günter Görlich erzählt in „Tom und Franziska“ eine Liebesgeschichte, die fast scheitert, noch ehe sie richtig begonnen hat – was auch mit Rassismus und Menschenfeindlichkeit zu tun hat. Und auch „Tom und Franziska“ ruft dazu auf, aktiv zu werden und etwas dagegen zu tun.
Zu empfehlen sind aber auch die anderen vier Sonderangebote des heutigen Newsletters, darunter die neuen Abenteuer von Frisörmeister Kleinekorte und seine stets originellen Gedanken zur Weltlage – im Großen wie im Kleinen, in der größten DDR der Welt wie auch anderswo.
Ansonsten wünscht die Newsletter-Mannschaft auch heute wieder einen schönen Frühling, viel Sonne und bleiben Sie auch im dritten Monat des neuen Jahres vor allem schön gesund und munter und der Welt der Bücher gewogen. Auch die nächste Auswahl bietet wieder viel Lesenswertes.
In der nächsten Woche erwartete Abonnenten und Freunde dieses Newsletters von EDITION digital ein weiteres Abenteuer der Zeitreisen von Hardy Manthey. Diesmal ist es der Teil 13, dessen Titel schon manches andeutet: „Neu Guinea: Die Suche nach den verborgenen Sendern geht weiter. Ein fantastischer Roman“. Der erste Sender der außerirdischen Macht wurde erfolgreich zerstört. Gemeinsam mit dem zwiespältigen Deutschen Dieter Landauer hat Aphrodite den nächsten Sender schon im Visier. Tief im Regenwald Neu Guineas, das 1935 in ein Territorium unter Kontrolle der Holländer und in ein australisches Völkerbundsmandat aufgeteilt ist, soll der zweite Sender irgendwo versteckt stehen. Auch noch in den dreißiger Jahren des 20.Jahrhunderts ist der Weg von Afrika nach Neu Guinea eine Weltreise voller Gefahren und Strapazen. Was in unserer Zeit nach wenigen Flugstunden gemessen wird, ist eine Reise mit dem Schiff über viele Wochen, gar Monate hinweg. Und welche Rolle spielt Dieter Landauer?