1950 war „Bürgermeister Anna“ in der Regie von Hans Müller in den DEFA-Studios Berlin-Johannisthal produziert worden. Die Rolle der jungen und durchsetzungsstarken Bürgermeisterin Anna spielte Eva Rimski, über die heute kaum noch etwas bekannt ist, selbst ein eigener Wikipedia-Artikel fehlt. Ihr Filmdebüt gab sie vermutlich – unter dem Namen Eva Preuß – mit einem kleinen Auftritt in der Verwechslungskomödie „Herzkönig“ (1947). Es folgte eine Nebenrolle in „Anonyme Briefe“ (1948/49), bevor sie mit „Bürgermeister Anna“, ihrer einzigen DEFA-Produktion, die größte Rolle ihrer Filmkarriere spielte. Im Anschluss an die Premiere war sie mit der Produktion in der neugegründeten DDR unterwegs. Belegt ist eine Filmvorführung mit anschließendem Gespräch mit Arbeiterinnen in einem Werk in Magdeburg. Im „Neuen Deutschland“ wird Rimski am 13. April 1950 im Zuge des Besuchs mit den Worten zitiert: „In meiner Unterhaltung mit den beiden Aktivistinnen habe ich feststellen müssen, dass alles Lug und Trug ist, was die westlichen Zeitungen über die Arbeiterinnen in den Fabriken der Deutschen Demokratischen Republik schreiben.“ Ob diese Aussage tatsächlich so gefallen ist …
Parallel war Rimski bis in die früheren 1950er-Jahre in Nebenrollen an verschiedenen Theaterbühnen West-Berlins zu sehen, darunter das Renaissance-Theater, die Tribüne, die Komödie am Kurfürstendamm sowie die Freie Volksbühne. Sie spielte für namhafte Regisseure wie Kurt Raeck, Viktor de Kowa, Axel von Ambesser, Erik Ode und Malte Jaeger. Auf der Kinoleinwand war sie unter anderem die Renate Frank an der Seite von Barbara Rütting und Lutz Moik in „Christina“ (1953). Mit Auftritten im ersten Teil des Episodenfilms „Parole Heimat“ (1955) und in „Zu Befehl, Frau Feldwebel!“ (1956) endete ihre Filmkarriere. In beiden Produktionen wirkte der Schauspieler Michael Cramer (1930–2000) mit, der ihr Ehemann wurde und der einen eigenen Wikipedia-Artikel hat, in dem Eva Rimski zumindest kurz erwähnt wird, da er in erster Ehe vorübergehend mit ihr verheiratet war.
„Bürgermeister Anna“ wurde am 7. und 8. März 1950 anlässlich des Internationalen Frauentages in den Berliner Kinos Tivoli und Filmtheater am Friedrichshain sowie in weiteren 22 Filmtheatern der DDR, in kostenlosen Vorführungen, uraufgeführt. Am 24. März 1950 hatte der Film in den Berliner Kinos Babylon sowie DEFA-Filmtheater Kastanienallee seine Doppelpremiere. Die Erstausstrahlung im Offiziellen Versuchsprogramm des Fernsehzentrums Berlin erfolgte am 9. Mai 1955. Und noch ein interessantes Detail: Um den Film rechtzeitig fertigzustellen, wurde er in Tag- und Nachtschichten von zwei Regisseuren gedreht, von denen aber nur einer die Verantwortung trug und im Vorspann genannt wird. Der zweite Regisseur war Wolfgang Schleif.
In zwei weiteren Schauspielen setzte sich Friedrich Wolf mit dem Deutschen Bauernkrieg auseinander.
Aus dem Jahre 1952 stammt „Thomas Münzer. Der Mann mit der Regenbogenfahne“: Das historische Werk bringt die bewegte Geschichte des Predigers und Revolutionärs Thomas Münzer, der im 16. Jahrhundert für die Freiheit und Rechte der Bauern kämpfte, eindrucksvoll auf die Bühne. Wolf lieferte auch das literarische Szenarium für die 1955/1956 in der Regie von Martin Hellberg folgende Verfilmung durch die DEFA „Thomas Müntzer – Ein Film deutscher Geschichte“. In der Titelrolle war damals der Schauspieler Wolfgang Stumpf (1909 bis 1983) zu sehen, der sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR Filme drehte. Er war einer der wenigen westdeutschen Schauspieler, die bei der DEFA Hauptrollen für aufwendige Spielfilmproduktionen angeboten bekamen.
Bereits 1924 war in Stuttgart „Der Arme Konrad. Schauspiel aus dem Deutschen Bauernkrieg 1514“ uraufgeführt worden - ein kraftvolles Drama, das die packende Geschichte des Bauernkriegs im Jahr 1514 erzählt. Inmitten von Rebellion, Unterdrückung und Freiheitskämpfen erheben sich die Bauern von Schwaben, angeführt von mutigen Anführern wie Konz, Geispeter und Bantelhans, um gegen die tyrannische Herrschaft von Herzog Ulrich zu kämpfen.
1940 schrieb Friedrich Wolf „Beaumarchais oder Die Geburt des „Figaro“. Ein Schauspiel“: Das packende Drama beleuchtet die turbulente Entstehungsgeschichte des berühmten Stücks „Der tolle Tag oder Figaros Hochzeit“. Im Zentrum steht Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais (1732 bis 1799), der brillante Dramatiker und Abenteurer, der sich gegen die Machenschaften und Intrigen des französischen Adels behaupten muss. Den Hintergrund dieses fesselnden historischen Dramas bilden die politischen Spannungen und die revolutionäre Stimmung in Paris.
Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Heute geht es um Politik und Sport, die mitunter mehr miteinander zu tun haben als man denkt und manchmal wünschen mag. Aber die Zeiten sind nicht immer so, dass man sich raushalten kann.
Erstmals 1971 war im Kinderbuchverlag „Der Kristall und die Messer. 7 Jahre eines Rennfahrers“ von Herbert Friedrich erschienen. Der soeben als E-Book bei EDITION digital veröffentlichte Roman „Sieben Jahre eines Rennfahrers. Eine Radsportkarriere im Dritten Reich“ ist eine vom Autor selbst überarbeitete Neuausgabe. „Sieben Jahre eines Rennfahrers“ ist eine dramatische Geschichte um den sportlichen und sozialen Aufstieg des Radrennfahrers Otto Pagler in den 1930er Jahren - packend verwoben mit dem sich unaufhaltsam ausbreitenden Spinnennetz nationalsozialistischer Machtentfaltung.
Reales Vorbild ist der Kölner Bahnrennfahrer Albert Richter (1912-1940) - Weltmeister 1932 im Sprint der Amateure, als Berufsfahrer dann siebenfacher Deutscher Meister und zweifacher Vizeweltmeister -, der seinem jüdischen Manager die Treue hielt und der für seine Standhaftigkeit mit dem Leben bezahlte.
Ein tiefgründiger, vielschichtiger Roman, der die bis tief ins Private vordringende Indoktrination durch die Nationalsozialisten begreifbar werden lässt, der viele nicht standzuhalten vermochten.
Albert Richter starb im Gefängnis in Lörrach, nachdem er am 31. Dezember 1939 an der Schweizer Grenze wegen Devisenschmuggels festgenommen worden war. Die zuletzt offiziell angegebene, jedoch wenig glaubhafte Todesursache war „Selbstmord durch Erhängen“. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung nannte ihn im Mai 1999 einen „Sportler, der durch seine kompromißlose Art und seine Zivilcourage an einer verbrecherischen Zeit zugrunde ging.“
Nach ihm war die Albert-Richter-Kampfbahn benannt, eine Radrennbahn in Halle (Saale), auf der von 1951 bis 1967 Radrennen ausgetragen wurden. Eine Bürgerinitiative um die Journalistin Renate Franz und den späteren Innenstadtbürgermeister Andreas Hupke erreichte, dass die Bahn im Radstadion Köln zur Eröffnung 1996 nach Albert Richter benannt wurde.
In dieser Szene aus Friedrich Wolfs Komödie "Bürgermeister Anna" spiegelt sich das lebendige und aufgebrachte Treiben in einem kleinen Dorf wider. Die Dialoge zeigen die täglichen Herausforderungen und Konflikte der Dorfbewohner, insbesondere Vater Uckers aufgebrachte Reaktion auf den Holzdiebstahl. Die Spannung steigt, als Anna, die Bürgermeisterin, inmitten des Chaos die Kontrolle zu bewahren versucht und die verschiedenen Anliegen der Dorfbewohner koordiniert. Die Szene zeigt eindrucksvoll die Dynamik und den Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft, während sie sich mit alltäglichen Problemen und gegenseitigen Abhängigkeiten auseinandersetzt.
vater ucker: Ob du’s – gottverdimmich – weitergegeben hast?
ursel: Schon heut früh; nun bring dich mal nicht um, Vater.
vater ucker wütend, holt aus: Gleich kleb ich dir eine! Neun Kubikmeter sind wohl ein Dreck?
jupp am Telefon: Was sagen Sie? – Jawohl „gestohlen“! Jawohl „Balken“. B wie Bonifazius, A wie Armbinde, L wie Liebling, K wie Karl, E wie Extrawurst, N wie Nachgeburt … Balken … was? Jawohl aus Holz, nicht aus Pferdemist … jawohl, hinter der Scheune weggestohlen; soll ich buchstabieren? Die Meldung ist schon da? Na schön! Legt den Hörer auf.
ursel: Musst es denn gleich an die große Glocke?
vater ucker außer sich: Ich soll’s wohl runterschlucken und noch „Danke schön“ dazu sagen, du Gans! Nächste Nacht stehlen sie mir noch ’s Bett unterm Hintern weg!
Draußen Lärm. – Anna kommt, gefolgt von einer Anzahl Bauern; sie setzt sich schnell auf ihren Platz hinter dem größeren Tisch.
Anna: Also, Nachbarn, eins nach dem andern, sonst wird man ja närrisch.
haverkorn: Hier meine Ablieferungsbescheinigung für den Hafer, und hier für die Milch fürs dritte Quartal! Wirft zwei größere Zettel auf den Tisch.
Knorpel ebenso: Und meine für Roggen, Milch und Eier!
ein dritter: Da meine!
vierter: Hier für Weizen und Ölfrucht!
anna unter dem Ansturm der Scheine: Langsam! Eins nach dem andern! Was kommt ihr heut alle auf einmal?
haverkorn: Weil man dich sonst nie hier trifft …
Knorpel: Bist ja immer auf dem Bau …
bauer: Ist wohl was Besondres heut los?
vater ucker hitzig: Was sehr „Besondres“, Nachbarn! Vor Anna. Und jetzt bleibt sie mir auf dem Gemeindeamt, bis ich genau weiß, wohin mein Holz verschleppt ist! ’ne Räuberhöhle ist unser Dorf geworden, Nachbarn, Räuberbanden!
anna: Beruhigt Euch, Vater Ucker, wir haben schon Meldung an die Polizei gemacht.
vater ucker: „Meldung an die Polizei“ … was ist denn das? Die Regierung muss hier ran! Die Regierung!
jupp will mit ihm hinaus: Nun lass mal, Vater!
vater ucker erregt: Ich hab ’ne Wagenspur zum Wald gesehn, vom Wald zur Chaussee, von da geht’s zu den Baugeschäften in die Stadt und zu den Schiebern; bis die Polizei kommt, ist das Holz weg! Die Regierung muss hier ran, die Regierung …
haverkorn zu Anna: Bekomm ich nun die Quittung für den Lieferungsschein?
knorpel ebenso: Auch ich hab meine Zeit nicht gestohlen.
ursel: Hier können immer nur zwei abgefertigt werden; die andern warten draußen!
In dieser eindrucksvollen Passage aus Friedrich Wolfs Stück "Thomas Münzer. Der Mann mit der Regenbogenfahne" zeigt sich die leidenschaftliche Rhetorik des Reformators Thomas Münzer. Vor seinen Zuhörern, darunter Herzog, Kanzler und Kurprinz, hält Münzer eine feurige Rede, in der er gegen die Missstände seiner Zeit wettert und die herrschenden Machthaber sowie die Geistlichkeit scharf kritisiert. Seine Worte sind voller biblischer Bezüge und Prophetie, mit denen er die Notwendigkeit einer radikalen Veränderung betont. Münzers unerschrockene Haltung und sein Aufruf zu wahrhaftiger göttlicher Offenbarung und Gerechtigkeit verdeutlichen die Spannungen und revolutionären Ideen, die die Zeit der Reformation prägten. Die Szene endet dramatisch, als der Herzog verärgert die Kapelle verlässt, was die angespannte Atmosphäre und die drohenden Konflikte unterstreicht.
münzer: … nun liegt aber klar am Tage, dass Christus, der zarte Sohn Gottes, dieser Welt erscheinet wie eine Vogelscheuch oder ein gemaltes Männlein. Und ist doch der wahre Stein, der ohne Menschen Hände vom Berge gerissen ward, da die Hauptknechtschaft im Schwange war. Da haben sie also den Geist Christi zu einem Spottvogel gemacht, bis er ein hölzerner Götze geworden ist und ein Schanddeckel der Welt. Solch Holz- und Erzbilder aber gab’s schon ehedem. War da vor mehr denn tausend Jahren der König Nebukadnezar, der hatte einen Traum von einer gewaltigen Bildsäule aus Gold, Silber, Eisen und Ton. Doch kein Wahrsager konnte den Traum deuten; und kam man auf Daniel, den Propheten. Der machte es sich gar sauer. So sollt auch heut der Mensch zur Offenbarung Gottes einen ernsten Mut zur Wahrheit tragen. Dabei wird der Mensch finden, dass er mit dem Kopf nit sogleich durch den Himmel rennen kann, dass er das innerliche Wort erst mit Schmerzen hervorbringen muss wie eine Gebärerin. Denn auch Gott muss erst geboren werden im Menschen. Dies nun sehen die Buchstabenanbeter nit, die aus dem Wittenberger Futtertrog fressen wie Bruder Mastschwein, der gegen mich grunzet. Auch damals verstanden’s die Zeichendeuter nit. Daniel aber sah der Bildsäule golden Haupt, das war das Reich Babylon, die silberne Brust das Meder- und Perserreich, das dritte und vierte aus Eisen war das der Griechen und Römer; das fünfte aber, das wir jetzt vor Augen haben, ist aus Ton und Kot gemengt, darin sich Aale und Schlangen verunkeuschen auf einem Haufen …
Der Herzog wendet seinen Kopf unwillig zum Kanzler, der indessen Münzer sorgfältig beobachtet.
münzer lebhafter: Die Pfaffen und alle bösen Geistlichen sind nun die Schlangen, so wie sie Johannes der Täufer nennet; die weltlichen Herren und Regenten aber sind die Aale und haben das Reich mit Ton beschmieret. Ach, liebe Herren, wie hübsch wird da der Herr unter die alten Töpf schmeißen mit seiner eisernen Stang!
Der Kurprinz ist aufgesprungen. Der Herzog wendet sich erneut zum Kanzler; der gibt beiden ein Zeichen auszuharren. Der Kurprinz setzt sich wieder, schaut jedoch geflissentlich nach links zum Kirchenfenster.
münzer unbeirrt: Darum ihr teuersten liebsten Regenten, lasst euch von Bruder Leisetritt nit verführen mit heuchlerischer Geduld. Der Stein, ohn Hände vom Berg gerissen, ist wahrhaft gewaltig geworden. Die armen Leut und Bauern sehen ihn viel schärfer denn ihr. Er wird auf die Bildsäul niederrollen und sie zerschmettern. Ihr aber, teure Regenten, ihr müsst es wagen um des Evangeli willen, oder Gott wird euch stäupen, so, wie er seine allerliebsten Söhne züchtiget. Hat doch auch Christus mit großem Ernst befohlen: Nehmet meine Feinde und würget sie! Denn ein Gottloser hat kein Recht zu leben, so er die Frommen behindert. Ihr teuren Väter von Sachsen, dass dies aber redlich geschehe, sollen unsre Fürsten dies tun, die Christum mit uns bekennen. Wo nicht, wird ihnen das Schwert genommen werden! Denn sie bezeugen …
Der Herzog ist geräuschvoll aufgestanden und verlässt polternd mit dem Kurprinzen und dem Kanzler die Kapelle. Der Amtmann will folgen, bleibt jedoch ratlos stehen.
Münzer mit erhobener Stimme: Denn sie bezeugen Gott bloß mit hohlen Worten, doch leugnen ihn mit der Tat!
amtmann vorstürzend: Seid Ihr des Teufels, Pfarrer! Wie konntet Ihr den Herzog kränken?
münzer mehr für sich: Wen Gottes Wort kränket, der kann nit zum Verbündnis gehören.
amtmann: Was fabelt Ihr? Der Herzog in Eurem Verbündnis?
münzer: Warum sollt er nit unter Gottes Wort treten so wie der Bauer und Bergknappe?
Von links kommt eiligst der Kanzler.
Kanzler: Herr Amtmann, es heißt, am Schlosstor rotte sich Allstedter Volk.
In dieser Szene aus Friedrich Wolfs "Der Arme Konrad. Schauspiel aus dem Deutschen Bauernkrieg 1514" wird die Spannung und das Chaos der Zeit des Deutschen Bauernkriegs von 1514 lebendig dargestellt. Der Herzog konfrontiert Auerhahn, der den Sieg der Bauern verkündet und die Städte als schwach beschreibt. Auerhahn, trotz seiner niederträchtigen Art, zeigt taktisches Geschick, indem er dem Herzog rät, die Anführer der Bauern zu besänftigen. Gleichzeitig treffen bewaffnete Bauern wie Schneckenherodes und Geispeter ein, entschlossen, ihre neugewonnene Macht zu behaupten und die Adligen zu bestrafen. Inmitten dieser angespannten Situation tritt Konz auf, der trotz des Sieges der Bauern zur Vorsicht und zur Verhandlung aufruft. Diese Mischung aus Aufruhr, strategischem Kalkül und dem Streben nach Gerechtigkeit bringt die komplexen Dynamiken und die revolutionäre Stimmung der Zeit eindrucksvoll zum Ausdruck.
Herzog mit Judica von links auftretend, packt Auerhahn: Halt, Spinnenbein! Wohin, du Galgenhals?
auerhahn: Ihr müsst mit einem Bauern höflicher sein, Signor ducale, viel höflicher, ju, ju! Kennt Ihr mich nit?
judica: Der Überläufer.
auerhahn: Piano, schöne Frau, piu gentilezza, Herr Herzog! Die Bauern haben gesiegt, das ganze Land ist zu ihnen übergegangen, und die Städte sind morsches Geäst! Darum höflicher, Signor ducale!
Herzog: Halt das Maul, grindiger Igel! – Ich paktier mit den Mistgabeln nit, ich reit gen Stuttgart, raff den Adel, und dann auf Leben und Tod: Sens oder Lanz!
auerhahn: Falsch, fieberhaft falsch, peccato! Sens gegen Sens, so heißt die Parole! Ihr müsst den Führern alles bewilligen, dem einen goldenen Berg, jenem einen silbernen Fluss, bis Ihr’s zu erfüllen braucht, ist längst die Wolk geborsten und – divide et impera – könnt Ihr die Regentropfen zwischen den Daumen zerdrücken!
judica: Folgt ihm, Herzog, seht nur seine Nase, der Kerl hat Witterung!
Herzog: Höllenpotzmarter, soll ich vor den Stinkteufeln meine Zung mit Balsam schmieren? Vor der Tür und den Fahnen. Herunter mit den Lappen! Will die Fahnen herabreißen.
auerhahn: Halt, Majestät, später! – Fort, die Bauern! Mit Herzog und Judica nach rechts ab.
Schneckenherodes, Entemeyer, Geispeter und Bauern mit Schwertern, Sensen und Dreschflegeln von links hereinstampfend.
schneckenherodes mit riesigem Morgenstern, sieht sich um, betastet die Wände: Himmelstugertsakrament, ein sauberer Stall, ein geräumig Herberg, das gehört nun uns, alles uns. Potz Stern, dein Wohl, Entemeyer! Tut aus seiner Feldflasche einen großen Schluck. Das ist ein nobler Quartier als im Schorndorfturm, he! Sollst leben, Geis, und der Konz, der Konz vor allem, der’s angedreht und uns rausgehaun!
entemeyer: Ja, der Konz! Wart ihr dabei, wie der Stuttgarter Magistrat die Schlüssel der Tore nit finden könnt; da rief ihnen der Konz hinauf, sie sollten sich nit beeilen, die Bauern hätten Nachschlüssel mitgebracht, und ließ Brechstangen und Rammbäum vorrücken: Da flogen die Schlüssel die Mauern hinab.
schneckenherodes: Haha, feine Nachschlüssel, saubere Türaufkitzler! Dein Wohl, Konz, sollst leben! Trinkt.
geispeter dazwischen: Und Tod denen, die uns geknechtet han, vergesst das nit, Geselln: Ihr geht zur Sitzung mit dem Herzog! Haltet Gericht, kein Gerede! Haltet die Stricke für die Wölf bereit, auch wenn sie vor den Sensen kuschen! Sterben sollen die Rät, sterben der Vogt, der Herzog muss in Haft!
entemeyer: Der Konz wird schon wissen, was er den Herrlein aufgeigt!
geispeter: Der Konz, der Konz … seid ihr selbst nit Männer?
schneckenherodes: Potz Donner, ob wir das sind! Männer wie die Eichen, Bäume von Männern, haha! Trinkt.
Sollst leben, Geis! – Kommt in den Saal, wir wollen’s ihnen zeigen! Mit den Bauern ab.
geispeter: Prr! Das Getobe! Als ob eine Herd Ochsen zum Orgelspielen geht!
Konz, Bantelhans, Sebastian und Fidi von links.
bantelhans: Das Schloss ist umstellt, der Herzog sitzt drin, die Räte stehen gefesselt drunten! Wozu noch verhandeln?
konz: Wir sind zum Verhandeln gerufen und sind zum Verhandeln gekommen; auch Bauernwort gilt!
bantelhans: Unter Bauern! Potz Gift, du vertraust dem Herzog zu viel: Adel und Bauern gehen nit unter einen Hut!
konz: Vertraut ich nit, und hätt ich nit vertraut, Geselln, ihr ständet nit hier! Wir han gesiegt, aber ein Schuft, dem die Toten nit im Traum erscheinen!
geispeter: Und die noch fallen und gemartert werden auch, nit wahr, Bundschuher? Geselln, das Lehener Blutgerüst darf nit wiederkehren! Die Giftschlang zähmt man nit, man zertritt sie!
fidi: Es ist Wahres dran!
konz: Und doch, Geselln – euch allen zum Trotz – ich will kein Blut mehr! Ich setz meinen Kopf dafür! Wir wollen’s mit dem Guten wagen; lasst uns nit zweifeln! Mit Bauern in den Saal ab.
Herzog und Judica aus dem Korridor.
Herzog: Hast du den Kerl gehört, er stank vor Edelmut! Oder war’s Sorglosigkeit? Das wär erträglicher. – Kannt ich die Stimme nit?
judica: Ich sah ihn, es war der Lümmel mit den Augen.
Herzog: Der? – Ein Dolch, ein Rapier, ich muss mit ihm fechten!
judica: Halt, Ihr fabelt! Hört auf mich; Ihr könnt jetzt nichts anderes tun als ja und amen zu allem sagen mit möglichst lieblichem Gesicht; vernehmt: Der Bischof von Würzburg hat uns ein Nachricht werden lassen, er send sogleich fünfhundert Pferd und siebzig Adlige; macht also ein artig Gesicht, Herzog, die Bauernschädel sollen wie Kiesel in den Neckar rollen, zeigt Euch nur heut charmant, spielt ein wenig mit der Maus!
Herzog: Potz Gäuch und fallend Sucht, ich mag das nit! Ich will nit paktieren und zungenfechten. Lebte doch Bruder Eisenchrist noch, wir zwei allein wollten das getrübt Recht mit den Schwertern uns blank wieder fegen und in diese Mondkälber hineintraktieren!
judica: Wozu um die Toten klagen; fort jetzt, Ihr müsst in den Saal!
In dieser lebendigen Szene aus Friedrich Wolfs "Beaumarchais oder Die Geburt des „Figaro“. Ein Schauspiel" wird die angespannte Atmosphäre hinter den Kulissen einer Theaterpremiere deutlich. Mme. Contat, die die Rolle der Suzanne spielt, befindet sich in einem emotionalen Aufruhr. Sie hadert mit ihrem Aussehen und den Unannehmlichkeiten, die vor der Aufführung auftreten. Ihre Zofe Michèle versucht, sie zu beruhigen, während der Chefcoiffeur Pomaret hektisch bemüht ist, die letzten Handgriffe an ihrem Kostüm vorzunehmen. Trotz der aufkommenden Panik und Zweifel, die Mme. Contat plagen, erhält sie ermutigende Worte von Dagincourt, der "Figaro" spielt. Dennoch steigert sich ihr Unmut, bis schließlich Beaumarchais selbst eingreift. Diese Szene zeigt die Dramatik und die Nervosität, die oft hinter den Kulissen eines großen Theaterabends herrschen, sowie die komplexen Beziehungen zwischen den Schauspielern und ihren Unterstützern.
mme. contat: Ich sehe nicht gut aus in der Haube, Michèle?
michèle: Ich bewundere Ihr Spiel als Suzanne, Madame.
mme. contat immer vor dem Spiegel: Und meine Erscheinung?
michèle: Sie müssen stille halten, Madame, die Corsage ist aufgesprungen.
mme. contat wendet sich, richtet Michèles Gesicht hoch: Bist du traurig, Michèle?
Michèle schaut sie an.
mme. contat: Ah, hätte ich dein Gesicht! – Weshalb bist du hier?
michèle trotzig: Ich will sein, wo das Stück ist.
mme. contat schlägt sie lächelnd mit dem Staubwedel: Und wo Herr von Beaumarchais ist! Vielleicht hat er sogar recht; ich will dir Stunden geben. Plötzlich. Die Haube ist ein Hohn auf mich! Sie macht mich zu meiner eigenen Großmutter, aber nicht zu einer Geliebten! Reißt sie herab. Pomaret! Pomaret! Schau durch den Spion im Vorhang, Michèle! Ist das Theater voll?
michèle: Wie ein Sack Erbsen, Madame! Ich glaube, der gesamte Hof der Königin ist erschienen; es glitzert von Edelsteinen und Diademen!
Pomaret, der Chefcoiffeur, kommt von rechts.
pomaret aufgeregt: Ich suche Madame in allen Garderoben.
mme. contat schlägt die Hände vors Gesicht: Sie Teufel! Von rechts kommt dieses Ungeheuer auf die Bühne! Gehen Sie rückwärts hinaus, schneller … halt, reißen Sie ein Fetzchen Tuch hier ab und rückwärts hinaus, kein Wort jetzt … und kommen Sie von links, wenn Sie vor einer Premiere mit mir sprechen wollen! Während Pomaret die Bühne rückwärts gehend verlässt. Das bedeutet Unheil, Michèle, du wirst es erleben, Michèle! Vielleicht sollte ich die Rolle heute nicht spielen?
michèle: Ich kann die Rolle auswendig im Schlaf, ich habe sie bei Tag und Nacht studiert, falls Madame Unheil für sich befürchten.
mme. contat außer sich: Ah, du Schlange, du bist mit im Komplott!? Alles ist heute gegen mich! Sie reißt die Haube herab und trampelt mit den Füßen darauf herum. Wer hat den Bindfaden auf die Erde geworfen? He, du?!
michèle: Sie haben ihn selbst von der Haube gerissen, Madame.
mme. contat hysterisch lachend: Ich werfe vor einer Premiere einen Faden auf die Erde?! Weißt du, Teufelin, was das bedeutet? Faden auf der Erde! Unheil! Katastrophe! – Aber ich werde die Suzanne dennoch spielen, verstehst du mich, du Grasaffe! Sie zerrt Michèle an den Haaren. Du meinst, ich bin zu alt dazu, du Bestie? Gibt ihr eine Ohrfeige; sie erschrickt. Habe ich dich geschlagen, Kind? Man soll seine Feindin nicht berühren vor einer Premiere! Sie küsst Michèle. Vergib mir, mein Süßes, verzeih, die Nerven, du selbst wirst es eines Tages spüren … küsse meine Hand, dass der Fluch von ihr abfällt! Wir sind Freunde … küsse sie! Sie presst ihre Hand an Michèles Mund. Ah, jetzt ist es gut, doppelt gut!
Der Coiffeur Pomaret kommt zaghaft von links.
pomaret: Ist es erlaubt?
mme. contat: Schnell, Pomaret, wie sehe ich aus? Wie eine Küchenmagd, aber nicht wie eine Kammerzofe und Geliebte des Grafen! Sehen Sie diese Haube!
pomaret: Mein Gott, Madame, was haben Sie gemacht? Der Hof ist schon versammelt!
Dagincourt als „Figaro“ von links.
dagincourt zu Mme. Contat: Madame, der Comte deVaudreuil sucht Sie, er möchte Ihr Kostüm, Ihren Kopf bewundern? Wie sehen Sie denn aus?
mme. contat auf einem Stuhl zusammenbrechend: Ich spiele nicht, ich bin verloren.
dagincourt: Sind Sie des Teufels, Madame? Alles wartet auf Sie!
mme. contat schluchzend: Lassen Sie die Vorstellung absagen!
dagincourt sie schüttelnd: Sind Sie wahnsinnig, Madame! Der ganze Hof ist versammelt, die Königin ist gemeldet!
mme. contat springt vor den Spiegel: Kann ich so spielen? Sehen Sie meinen Kopf … meine geröteten Augen …
dagincourt: Ihr Gesicht, Madame, ist göttlich in seinem Zorn! Sie werden einen Riesenerfolg haben!
mme. contat: Sind Sie toll, Dagincourt, mir vor der Premiere von Erfolg zu sprechen! Sie wollen mich vernichten! Wirft sich wieder in den Sessel. Ich spiele nicht, nein, nein, nein, niemals!
Beaumarchais schnell hinzu.
In dieser eindrucksvollen Szene aus Herbert Friedrichs "Sieben Jahre eines Rennfahrers. Eine Radsportkarriere im Dritten Reich" wird die Begegnung zwischen Simon Krone, dem Trainer des Radweltmeisters Otto Pagler, und dem Bürgermeister Treffkorn beschrieben. Krone, der sich aufgrund der aktuellen politischen Spannungen und Ereignisse bei Nacht in einer prekären Situation befindet, sucht Hilfe und Unterstützung. Trotz anfänglicher Abwehrhaltung lässt sich Treffkorn von Krones Dringlichkeit und der Erwähnung Paglers beeindrucken. Während Krone sein Anliegen schildert, erinnert sich Treffkorn an die politischen und sozialen Unruhen, die ihre Gemeinschaft und das Land erschüttern. Die Passage zeigt die Konflikte und Herausforderungen der Zeit, sowie die Notwendigkeit, sich zwischen politischem Druck und persönlichem Gewissen zu entscheiden. Die Szene endet mit Treffkorns Entschluss, die Wahrheit über die "Nacht der langen Messer" in einer kleinen lokalen Zeitung zu veröffentlichen, was symbolisch für seinen Widerstand gegen die nationalsozialistische Unterdrückung steht.
Hinter der Tür redeten sie immer noch, doch war man wohl am Ende, denn da wurden Stühle gerückt. Auch die Stenotypistin hob den Kopf. „Jetzt können Sie bald rein.“ Krone stellte sich ans Fenster, blickte in den Schulhof hinab, wo ein Lehrer Wettläufe veranstaltete, die Kinder schrien Beifall.
Er drehte sich um, weil drei, vier Herren durch das Vorzimmer zur Treppe eilten. In der Tür stand ein Graukopf allein; das musste der Bürgermeister sein. Schon sagte die Spitznasige auch: „Der Herr will zu Ihnen.“
Überrascht musterte Treffkorn den Fremden. Er hatte einen Packen Arbeit auf dem Schreibtisch liegen. Alles war Abwehr in ihm; er war froh, endlich allein sein zu können. Die Amtshauptmannschaft hatte telefonisch rückgefragt wegen der nächtlichen Polizeigeschichte. Er musste diplomatisch vorgehen und brauchte Ruhe. Dieser Mann vor ihm war ihm widerwärtig. Treffkorn öffnete den Mund zu einem „Bedaure. Kommen Sie zur öffentlichen Sprechstunde“.
Da neigte doch der andere ein wenig den Kahlkopf. „Mein Name ist Simon Krone.“ Und dann, um der Sache Gewicht zu verleihen, wucherte er mit seinem Pfunde. „Ich bin der Trainer von Radweltmeister Otto Pagler.“
Es war der Zauberspruch, der für Krone alles bewirkte. Die Bürgermeistershand streckte sich ihm entgegen, die Tür öffnete sich weit, ein Sessel wurde Krone bequem zurechtgerückt, eine Schachtel Silverlind – fünf Pfennige das Stück! – ihm entgegengestreckt. Krone rauchte nicht. Er ächzte zufrieden. Wer hier einmal saß, hatte schon halb gewonnen.
Treffkorn aber, hinter dem eichenen Schreibtisch, forschte im Gesicht des Mannes, der mit dem Namen eines Pagler bei ihm Einlass begehrt hatte. Trainer und Weltmeister – das verfing bei Treffkorn nicht. Aber Pagler. Pagler hatte in der Nacht für zwei seiner Vorderzähne eine Nazifahne verbrannt.
Krone beeilte sich, sein Anliegen so knapp und so eindringlich wie nur möglich darzustellen. Der „Anker“, die Suche nach Pagler. Und die Nacht der langen Messer. Je weiter Krone sprach, desto mehr verspürte er, wie sich Treffkorn ihm aufschloss.
Konrad Treffkorn hörte, was ihm da vorgetragen wurde. Er stützte die Ellbogen auf die Armlehnen seines durchgesessenen Ledersessels. Langsam fiel die Anspannung von ihm ab. Auch er hatte seine Erinnerungen an den vergangenen Abend. Krones Rede weckte in ihm das Echo des eigenen Erlebens. Eigentlich hörte er dem kahlköpfigen Mann auf dem Besucherstuhl nur halb zu. Im Grunde gab er sich mehr diesem Echo hin, weil das alles nicht neu war für ihn, was Krone vorbrachte.
Noch am frühen Morgen hatte Treffkorn Nachrichten über die Verletzten der Nacht gesammelt, neun alles in allem, Blutergüsse und Prellungen.
Christian hatte am meisten gelitten. Soeben hatte er den Gemeinderat hinauskomplimentiert. Sie hatten verlangt, dass er sein Verbot zurücknähme, gewisse Plakate öffentlich anzuschlagen, die für die Hindenburgspende warben. Helft Hindenburg helfen. Der Vater des Vaterlandes, der Junker von Neudeck, zeigte sich als gütiger Geber. Fünf Monate zuvor hatte Hindenburg sämtliche militärähnlichen Organisationen von Hitlers NSDAP verboten. Zwei Monate hatte Hindenburg durchgehalten und dann alle Verbote aufgehoben. Seit Juli verhandelte er mit Hitler. Diesem Hindenburg war nicht zu helfen. Treffkorn hatte seine Hand auf die Plakate gelegt; sie blieben unter Verschluss, so lange er Bürgermeister von Viersdorf war. Und er hatte gleich noch jene dazugetan, die die Bevölkerung aufriefen, für ein neues Segelschulschiff „Niobe“ zu spenden, nachdem das alte mit Mann und Maus im Fehmarnbelt abgesoffen war.
Und da saß ihm einer gegenüber und wollte gegen die Messer angehen. Der Bürgermeister schaute auf seinen Besucher, der mit lebhaften Gesten, Recht fordernd, sein Erlebnis schilderte. Er dachte über den Namen nach, der jüdisch klang. Simon, Simon Krone, vielleicht war er Jude. Nun lauschte er konzentriert, lange, warf knapp eine Frage dazwischen. Dann kam ihm ein Gedanke.
„Lesen Sie das.“ Er schob Krone ein Blatt zu, das offensichtlich durch ein Abzugsgerät vervielfältigt worden war. Krone drehte es ins Licht. Es war das Titelblatt einer kleinen Zeitung. „Die Wahrheit“ stand handgeschrieben darüber. Dann folgten lokale Meldungen für die Viersdorfer. „Löwe im Klee.“ Der Gemeindevertreter Löwe, ein biederer Mann, Zentrumspartei, graste nachts die Kleefelder in der Aue ab, um seinen drei Dutzend Karnickeln das Futter heranzuschaffen. Ganz Viersdorf lachte auf Kosten des Löwen, des stärksten Sprechers für Hindenburg und die „Volksspende Niobe“. Auch so setzte man Gegner matt.
Treffkorn sagte: „Wir werden über die ‚Nacht der langen Messer‘ in diesem Blatt schreiben.“ Fünfhundert Stück für ganz Viersdorf, die Wahrheit über die Vorgänge im „Goldenen Anker“. Es war nicht viel, was Konrad Treffkorn dem Juden Krone zu bieten hatte. Der Viersdorfer Bürgermeister war ein armer Mann, Geld hatten die Hitlerleute.
„Einverstanden“, murmelte Krone.
Es geht sehr historisch zu in diesem Newsletter. Aber das ist nicht schlimm, sondern eher gut. Denn wer sich in der Geschichte auskennt, der kann vielleicht bestimmte Fehler nicht wiederholen und außerdem Vergangenheit und Gegenwart besser vergleichen. Und wer sich in der Geschichte auskennt, der kann wahrscheinlich auch das Verhalten von Menschen zu früheren Zeiten besser verstehen. Wie hätte ich mich eigentlich damals an seiner oder ihrer Stelle verhalten und entschieden? Was hätte ich getan oder eben auch nicht getan? Auf diese Weise kann Literatur mitunter sehr nachdenklich machen.
Allerdings sollte man bei allem Vergleichen auch historische Gerechtigkeit walten lassen und die Vergangenheit nicht vollständig mit den Maßstäben der Gegenwart messen. Denn der mehr oder weniger große zeitliche Abstand hat auch die Maßstäbe verändert.
Unbestritten aber ist die Bewunderung für den Mut für Menschen, Männer wie Frauen, die sich wann auch immer für Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit eingesetzt haben, um es einmal mit den berühmten Losungen der Großen Französischen Revolution von 1789 zu sagen – Schwesterlichkeit eingeschlossen. Beide Begriffe bedeuten so viel wie Mitmenschlichkeit.
Diese Bewunderung gilt für alle geschichtlichen Epochen und Auseinandersetzungen, sei es der Deutsche Bauernkrieg, die Große Französische Revolution, die Zeit des Nationalsozialismus oder auch die Geschichte der DDR. Darüber ist in den heutigen Sonderangeboten nachzulesen.
Bleiben Sie ansonsten weiter vor allem schön gesund und munter und der Welt der Bücher gewogen. Die neuen Sonderangebote für den dritten August-Newsletter sind bereits ausgesucht und zusammengestellt.
Wieder sind viele Texte von Friedrich Wolf dabei, darunter die 1934 entstandene Erzählung „Die Geschichte der Maria Bersch. Der Lebensweg einer wolgadeutschen Bauernmagd“. Maria entwickelt sich inmitten der Wirren der frühen Sowjetunion zu einer entschlossenen Kommunistin. Diese Erzählung ist ein bewegendes Zeugnis von Mut, Widerstandskraft und die Kraft der Veränderung in einer Zeit des politischen Umbruchs.