Eine weite Reise übers Meer unternimmt eine Gruppe von Tempelrittern in „Das Gold der Andentempler. Ein historischer Roman über den Aufenthalt der Templer bei dem Volk der Chachapoya in den Anden (Das Gold der Templer, Teil 3)“ von Ulrich Hinse. Die Ritter sind auf dem Wege ins Paradies, wie zumindest einer von ihnen glaubt. Hat er recht?
Gewohnt tolle Einfälle hat Klaus Möckel auch im zweiten Band seiner Reihe mit den Abenteuern mit dem Zauberlöwen „Der Löwe und die Inselbande“. Wer vermutet schon einen echten Löwen im Stadtpark?
Apropos Löwen. Löwen leben in Afrika. Und nach Afrika will auch Umberto, Schüler einer sechsten Klasse in einer typisch sächsischen DDR-Schule (was ist das eigentlich?), er hat keinen Ranzen, keine Hefte, aber ein, zwei Bücher, die er vor seiner Mutter versteckt, um sie vor dem Verfeuern zu bewahren. Er ist der Held in „Umberto“ von Günter Saalmann. Und er kommt tatsächlich nach „Afrika“ …
Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Heute gehen wir wieder einmal in die Zeit des zweiten Weltkrieges und der unmittelbaren Nachkriegszeit in Deutschland zurück, die wir aus der Sicht eines Kindes miterleben. Aus dem Kind von damals ist inzwischen längst eine Verlegerin geworden und im „Zweitberuf“ eine Oma, die ihren Enkeln von der schweren Zeit damals erzählt. Aber nicht nur das …
2013 veröffentlichte EDITION digital als Eigenproduktion das nach der gleichzeitig veröffentlichten Druckausgabe entstandene E-Book „Oma, ich kann deine Geschichten schon lesen“ von Gisela Pekrul: Die Autorin, Jahrgang 1944, hat in dem Büchlein kleine Episoden aus ihrem Leben aufgeschrieben, die sie schon mehrmals ihren Enkeln erzählen musste. Nun können sie diese Erinnerungen an die Zeit vor rund 60,70 Jahren selbst lesen. Die Geschichten spielen in Wolteritz, einem kleinen Dorf in Sachsen, das heute zu Schkeuditz gehört. Es sind Begebenheiten, die für das kleine Mädchen und ihren Bruder so schlimm waren, dass sie auch nach so langer Zeit noch nicht vergessen wurden. Die Erzählerin kann nun allerdings mit der Gelassenheit der Großmutter nur noch darüber schmunzeln und versucht, diesen Humor auch ihren kleinen Lesern zu vermitteln. Dennoch wird kein Erlebnis zur Nachahmung empfohlen. Es gibt ja auch gar keinen Anlass dafür, denn Toiletten haben längst Wasserspülung und Abfluss statt einer gefährlichen Abfanggrube, auf fahrende Züge kann man nicht mehr aufspringen und es gibt bessere Naschereien als heimlich entwendete Rosinen. Hier der Anfang dieser Erinnerungen an eine lange zurückliegende, schwere und schlimme Zeit, in der zwei befreundete Frauen auf eine ungewöhnliche Idee kommen, an deren Ausführung sie auch ein bisschen Spaß haben dürften:
„Ein Kriegskind
Die Geschichten, die ich hier erzähle, liegen lange zurück, sechzig bis siebzig Jahre. Sie beginnen in einer schlimmen Zeit, dem II. Weltkrieg, wo viele Menschen an der Front oder bei Bombenangriffen auf Städte und Dörfer starben. Da die Lebensmittel immer knapper wurden und die Männer als Soldaten dienten, mussten die Frauen auf dem Dorfe, sofern sie gesund waren, in der Landwirtschaft aushelfen. Sie wurden vom Staat verpflichtet, für wenig Geld beim Bauern zu arbeiten. Wer sich weigerte, wurde hart bestraft, konnte sogar eingesperrt oder zum Tode verurteilt werden.
In Wolteritz, einem kleinen Dorf bei Leipzig, wo alle meine Geschichten spielen, denn ich bin dort aufgewachsen, wohnten damals auch zwei Freundinnen, Minna und Marta. Bei der täglichen eintönigen Arbeit auf dem Bauernhof unterhielten sie sich oft über ihre Kinder und Ehemänner.
Eines Morgens überrascht Minna ihre Freundin mit einem ungewöhnlichen Plan.
„Wenn alles klappt, brauche ich nächstes Jahr nicht mehr zu arbeiten.“
Marta erschrickt und sieht sich vorsichtig nach allen Seiten um:
„Wie willst du das anstellen? Du weißt doch, das ist streng verboten. Du kannst ins Gefängnis kommen.“
„Was Walter und ich tun, ist nicht verboten. Mein Mann hat ein paar Tage Urlaub und muss erst am Montag wieder an die Front. Es wird sicher klappen, wir schaffen uns ein Kind an. Findest du nicht auch, das wäre eine gute Lösung? Sprich doch mit deinem Paul, dann brauchst du dich nächstes Jahr auch nicht mehr auf dem Bauernhof abzuplagen.“
„Psst, nicht so laut. Wenn dich jemand hört“, flüstert Marta. Und nach kurzem Nachdenken: „Du hast recht, die Idee ist gar nicht so schlecht. Vielleicht kriegen wir ja jede ein Mädchen, und die beiden können Freundinnen werden wie wir. Mein Mann hat nichts gegen ein drittes Kind, und wenn wir erst den Krieg gewonnen haben, wird wieder alles besser.“
Bei dem letzten Satz schüttelt Minna kaum merklich den Kopf, sie kann Martas Begeisterung nicht teilen. Walter hat ihr erzählt, wie hart die Deutschen gegen die russische Bevölkerung vorgehen und auch, dass es große Verluste an der Front gibt. Zugleich hat er ihr aber eingeschärft, kein Wort darüber zu verlieren und an das Kind zu denken, das sie zur Welt bringen soll. Sonst würden sie oder er womöglich wegen feindlicher Propaganda abgeholt. Deshalb schweigt sie lieber, sogar gegenüber ihrer besten Freundin.
Ein knappes Jahr später, im darauf folgenden Februar, sehen auch Marta und ihr Mann die Lage weniger optimistisch. Zwar glauben sie noch an den Endsieg, hören aber die Flugzeuge, die fast täglich ihre Bomben über dem nahen Leipzig abwerfen, und müssen sich selbst bei Fliegeralarm im Keller ihres Hauses verstecken. Auf die Lebensmittelkarten gibt es auch immer weniger zu kaufen.
Es ist ein kalter Winter mit sehr, sehr viel Schnee. Paul walzt im Rackwitzer Werk Aluminiumplatten für Kampfflieger. Das Baby in Martas Bauch aber hat es eilig, das Licht der Welt zu erblicken.
Doch der Schnee hat die Telefonleitung zerstört, ein Auto gibt es nicht im Ort, wer soll Marta da zur Seite stehen? Damals halfen sich Nachbarn noch viel mehr als heutzutage.
Marta will ihre Freundin um Unterstützung bitten, aber Minna ist mit ihrer kleinen, zwei Monate alten Tochter Christina zu ihrer Mutter gefahren. So geht sie ein Haus weiter zu Frau Löffler, die auch Rat weiß.
„Ich hole die Hebamme. Ich ziehe mich dick an, nehme den Schlitten meiner Tochter und laufe zu Fuß nach Zschortau. Mach dir keine Sorgen, Marta, wenn es für die Frau zu schwierig wird, kann ich sie auf den Schlitten setzen. Ich schaffe das schon, und wir kommen noch rechtzeitig zu dir.“
Frau Löffler versinkt auf dem Feldweg bis zum Bauch im Schnee, doch beide schaffen es tatsächlich. Das neugeborene Baby bekommt den Namen Gisela und soll Pfingsten, wenn die Frühlingssonne längst allen Schnee weggetaut hat, getauft werden.“ Und damit zu den ausführlicheren Vorstellungen der anderen vier Sonderangebote dieses Newsletters:
Ganz frisch aus den Druckmaschinen gekommen ist soeben als Eigenproduktion von EDITION digital „Tod im Camper. Nora Grafs vierter Fall. Der Schwerin-Krimi“ von Christiane Baumann: Kann Kommissarin Nora Graf sich ein Jahr nach dem Tod ihres Lebensgefährten auf eine neue Beziehung einlassen? Vorerst nimmt ein frischer Fall sie sehr in Anspruch: Ein Pizzafahrer liegt nachts tot auf einer Straße am Rande der Altstadt von Schwerin. Die Besteller der Pizzen bleiben hungrig. Was anfangs nach Verkehrsunfall mit Fahrerflucht aussieht, stellt sich später als Mord durch ein ungewöhnliches Tatwerkzeug heraus. Nora Graf und das Team um Chef Hansen glauben schnell, das Motiv gefunden zu haben. Sie fühlen sich bestätigt, als ein weiterer Mann ermordet wird, der sich vor Jahren an einer Frau vergehen wollte. Rächen sich jetzt Opfer von Sex-Tätern? Oder werden Männer umgebracht, einfach, weil sie Männer sind?
Und wer hat das Wohnmobil in Brand gesteckt, mit dem ein Zeuge unterwegs war? Sollte etwa auch er getötet werden? Hier der spannende Anfang dieses spannenden Krimis, welchem die Autorin eine aufschlussreiche Bemerkung vorangestellt hat:
„Alle handelnden Personen und ihre Namen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Manche Örtlichkeiten und Gegebenheiten sind im Buch anders als in der Wirklichkeit.
Wie es begann
Den weißen Renault direkt vor dem Haus konnte die Frau mit dem Fahrrad vom Feldweg aus sehen. Das Auto war neuerer Bauart, und deshalb hielt sie sofort an. Henning rechnete mit seinem baldigen Ableben und sollte sich noch ein Auto gekauft haben? Nein, der Renault musste jemandem gehören, der unangemeldet bei Henning aufgetaucht war. Er hatte ihr versprochen, dass sie allein wären. Ein letztes Gespräch, bevor er sterben würde. Sie hatte seinem Drängen nachgegeben, jetzt bereute sie es fast. Sie wollte das Treffen schnellstmöglich hinter sich bringen. Henning Adieu sagen und nix wie weg. Doch nun musste sie warten, bis das Auto fortgefahren wurde.
Die Frau legte das Fahrrad hinter einer wild wuchernden Hecke ab und hockte sich leise fluchend daneben. Schon nach wenigen Minuten schliefen ihre Beine ein und die feuchte kalte Luft drang durch die Kleidung. Sie würde sich den Tod holen. Alles wegen Henning. Einem fast Fremden. Wenn sie ihm in all den Jahren irgendwo in Schwerin begegnet wäre, hätte sie ihn kaum erkannt.
Die Dämmerung senkte sich über die verlassene Landschaft. Ringsum war alles dem Verfall preisgegeben. Das Haus, die Scheune, selbst die Felder waren vernachlässigt und mit Gras und Unkraut überwachsen. Hier hatte seit Jahren kein Mensch mehr eine Hand gerührt. Wie konnte man in dieser Ödnis leben?
Endlich kam jemand aus dem Haus. Eine Frau. Was sollte das? Veranstaltete Henning heute ein allgemeines Abschiednehmen mit seinen Verflossenen? Am liebsten hätte sie kehrtgemacht. Sie beobachtete, wie die andere in den Renault stieg, ihn wendete und den schmalen Feldweg zur Hauptstraße zurück fuhr.
Dann spähte die Frau mit dem Fahrrad vorsichtig aus ihrem Versteck, vergewisserte sich noch einmal, dass niemand in der Nähe war. Niemand am Haus und niemand auf den umliegenden Feldern. In diesem alten Gemäuer war Henning aufgewachsen. Das Reetdach saß auf dem Haus wie ein Hut und schien es niederzudrücken. Bis hinein in die Erde. Hennings Eltern hatten es ihrem einzigen Sohn vererbt. An wen würde Henning, der lebenslange Einzelgänger, das Haus weitergeben? Würde überhaupt jemand solch eine Bruchbude haben wollen?
Nach allen Seiten Ausschau haltend, näherte sie sich. Behutsam drückte sie die Klinke runter. Die Tür war unverschlossen, eine Glocke schellte.
„Jördis? Hast du was vergessen?“ Ein Ruf aus den Tiefen des Hauses. Zweifellos Hennings Stimme, komisch, dass sie die wiedererkannte.
„Nein, ich bin‘s. Wir sind verabredet.“
Er schwieg, und sie hielt inne, bereit zur Umkehr. Dann erneut sein tiefer Bass. „Du, wie schön.“
Die Frau ging vom Flur in ein Zimmer mit niedriger Decke, das gut beheizt war. Henning lehnte in einem Sessel mit hoher Lehne, dessen Samtbezug durchscheinend geworden war. Der große kräftige Kerl, der Bauernsohn, war zu einem Schatten seiner selbst geworden. Sein genaues Alter war ihr zwar unbekannt, aber maximal war er fünf Jahre älter als sie. Also müsste er jetzt Ende vierzig sein. Zu jung zum Sterben.
Doch er sah aus wie in den Sechzigern, vorzeitig gealtert und ausgezehrt. In seinen Augen einst sprühende Lebensfreude, sie war erloschen. Über seinen dünnen Beinen eine Wolldecke. In Griffnähe beidseits je ein Tischchen. Auf dem rechten ein Handy und eine Unmenge Medikamente und Spritzen, auf dem linken eine Packung Taschentücher, eine Thermoskanne, eine bunte Keramiktasse mit dunkler Flüssigkeit und ein Glas Wasser. Kein Alkohol und keine Zigaretten mehr. Schräg vor ihm eine Stehlampe mit gelbem, in starre Falten gelegtem Schirm, die mattes Licht spendete. Hinter ihm massive Vitrinen, die bis zur Decke reichten. Gefüllt mit Geschirr, Kristallvasen und -gläsern. Er lebte mit den Möbeln und den Dingen seiner Großeltern.
Die Frau blieb im Türrahmen stehen. „Da bin ich.“
„Ich freue mich, dich zu sehen. Du bist kein Jahr älter geworden.“
„Du schon.“
Er nickte vorsichtig. „Entschuldige, dass ich nicht aufstehe, aber heute ist ein schlechter Tag für mich. Es gibt auch gute Tage, an denen ich rumhüpfe wie ein junger Spund.“ Er lachte kurz auf. „Wann war unsere letzte Begegnung?“
„Das weißt du genau.“
„Ja, meine Liebe. Ich erinnere mich.“ Er atmete schwer, und seine Stimme wurde spröder. „Wie bist du hergekommen?“
„Mit dem Fahrrad, wie du es wolltest.“
„Handy dabei?“
„Wieso fragst du?“
„Ja oder nein?“
„Nein.“
„Bist du Jördis begegnet?“
„Wenn das die Frau mit dem weißen Renault war, dann nein. Ich hab mich vor ihr versteckt. Wer ist sie?“
„Meine Schwester.“
„Du hast eine Schwester?“
„Zu meinem Glück, ja. Sie hilft mir. Nimm Platz, bitte.“
Mit dem Kopf wies er auf einen zweiten Sessel, kleiner und weniger schäbig.
Sie setzte sich, froh, dass sie ihm nicht die Hand schütteln musste. „Also, da bin ich, Henning. Was willst du von mir?“
„Direkt mit der Tür ins Haus. Das hat mir an dir gefallen. Seit sich meine vielen Krankheiten zu einer einzigen Katastrophe vereinigt haben, bin ich jetzt auch immer gleich bei der Sache. Keine Zeit fürs Palavern mehr.“
„Dann raus mit der Sprache. Was willst du? Warum musste ich unbedingt in diese Einöde kommen?“
„Weil wir hier absolut ungestört sind. Meist jedenfalls.“ Er versuchte zu lächeln, doch sein Gesicht verzerrte sich dabei zu einer Grimasse.
„Ich möchte dir zum Abschied ein Geschenk anbieten, meine Liebe.“
„Oh danke, das Haus mit all dem Plunder kannst du mit ins Grab nehmen. Ich verzichte.“
„Alles, was mir gehört, geht an Jördis. Sie kann damit machen, was sie will, es ist mir egal.“ Er unterbrach sich. „Ich will dir helfen, deinen Herzenswunsch zu erfüllen. Mit anderen Worten“, er schien einen plötzlichen Schmerz zu verspüren und hielt kurz inne, „ich will dir anbieten, dein Mittäter zu werden. Ein Mittäter, der dich niemals verraten kann. Sozusagen todsicher.“ Er grinste diabolisch. „Erinnerst du dich an unser Telefonat, auch wenn es schon länger her ist? Ich habe es nie vergessen und musste oft dran denken. Du?“
Sie schüttelte unmerklich den Kopf. Ein Zittern überfiel sie unwillkürlich, und sie bemühte sich, es zu unterdrücken.“
Erstmals 2017 erschien als Eigenproduktion von EDITION digital „Das Gold der Andentempler. Ein historischer Roman über den Aufenthalt der Templer bei dem Volk der Chachapoya in den Anden (Das Gold der Templer, Teil 3)“ von Ulrich Hinse – und zwar sowohl als gedruckte Ausgabe wie auch als E-Book: Pablo de Alvares war ein Ritter des Templerordens, er war in Asturien geboren und seinem Vater ins Heilige Land gefolgt. Dort konnte er sich aus der Festung Akkon retten und war mit dem Großmeister Jaques de Molay nach Paris gekommen. Von dort zieht er mit Joao Lourenco nach Portugal, um das Gold der Templer vor König Philipp dem Schönen in Sicherheit zu bringen. Einem Eid zufolge, den er seinem alten Vater geleistet hatte, folgte er Joao Lourenco mit dem Gold der Templer über das atlantische Meer. Dort jedoch zerstritt er sich mit seinem Ordensbruder und lockte den größten Teil der Schiffsbesatzung hinein in den Urwald – wo er das Paradies vermutete.
Mit den Händlern der Chachapoya gelangten sie nach langer Fahrt auf dem Amazonas zu den Anden, wo die Eingeborenen wohnten und sie herzlich aufnahmen. Dann aber wurden sie von den Inka überfallen, die ihnen das gesamte Gold raubten.
Pablo macht sich auf die Suche und wundert sich, wie wenig Interesse seine Ordensbrüder daran haben, den Schatz wiederzufinden. Selbst sein treuer Gefolgsmann Ragnar, ein hünenhafter Normanne, fällt ihm in den Rücken und verlässt ihn. So muss sich Pablo de Alvares allein auf die Suche nach dem Gold machen. Während dieser Suche lernt er die Steinstraßen der Inka, den Goctafall, den größten Wasserfall der Erde, und die Goldschmiede der Anden, die Tairona, kennen, aber auch Kuelap, die Festung der Chachapoya. Als diese von den Inka angegriffen wird, um die Chachapoya zu unterwerfen, trifft Pablo de Alvares wieder auf den Normannen Ragnar. Es kommt zu einem Kampf auf Leben und Tod. Aber noch sind die Tempelritter ganz neu in Südamerika – und ganz fremd:
„1. Kapitel
Es war erst wenige Wochen her, als die kleine Truppe der Tempelritter aus der Alten Welt, genauer aus dem Norden Portugals, mit ihrem umgebauten Wikingerschiff Le Buscard über das Atlantische Meer gesegelt war. Die Templer waren in einer neuen, für sie völlig fremden Welt angekommen.
Freundliche Menschen hatten sie in ihrem Dorf am Rande eines fast undurchdringlichen Waldes empfangen. Und sie lernten das Leben am großen Strom kennen, das so ganz anders war, als sie es aus Europa kannten. Für sie schien es das Paradies zu sein. Obst, Fleisch, Fisch in Hülle und Fülle. Es konnte ohne Verbote gejagt und gefischt werden und der Wald lieferte die Früchte.
Trotzdem wollte ihr Führer, der Tempelritter Joao Lourenco, der sie mit seinen nautischen Kenntnissen bis hierhin in die Neue Welt geführt hatte, wieder zurück.
Das ergab für Pablo de Alvares, Joaos Stellvertreter, keinen Sinn. Er hatte einen anderen Plan. Er wollte einen Teil der Templer überreden, mit ihm in der Neuen Welt zu bleiben. Sollte Joao doch zurückfahren, mit wem er wollte. Er und seine Gefolgsleute würden hier bleiben. Hier, wo sie das Paradies vermuteten. Aber so einfach war es nicht, diesen Plan umzusetzen. Bei Anwesenheit von Joao würde ihm wahrscheinlich nur Ragnar, der normannische Riese und persönliche Gefolgsmann, folgen.
Die Zeit, seinen Plan zu realisieren, war für Pablo gekommen, als sich Joao mit seinem Vertrauten Kasim und einem weiteren Templer auf einem Jagdausflug befand. Dass dieser Ausflug länger dauerte als geplant, dafür hatte Pablo gesorgt. Über den Dolmetscher, dem Kaplan der Templer, hatte er bei den Gastgebern ein Gerücht gestreut, was vermutlich zum Tod der Jäger führte. Ihm konnte das nur recht sein.
Kaum war Joao mit dem muslimischen Arzt Kasim, seinem vertrauten Freund, zur Jagd mit einem Einbaum abgefahren, setzte Pablo seinen Plan um. Für einige der Templer war das im Stich lassen ihres Anführers schon eine schlimme Aktion. Sie empfanden es als Bruch ihres Eides, den sie dem Orden geschworen hatten. Ewige Treue und Gehorsam. Sich in Abwesenheit von Joao Lourenco von Bord ihres Schiffes in der Flussmündung zu stehlen und auch noch das anvertraute Gold mitzunehmen, war eindeutig ein Treuebruch. Aber warum hatte der Sturkopf Joao sich auch mit Pablo de Alvares gestritten.
Ihr neuer Führer, Pablo de Alvares, hatte Recht. Sie waren hier im Paradies angekommen und genau das hatte Joao Lourenco bestritten. Pablo des Alvares hatte die Zeit eines Jagdausfluges von Joao genutzt und an Bord abstimmen lassen. Nur gut zehn Templer wollten am Le Buscard bleiben, um auf die Rückkehr von Joao zu warten.
Die anderen wollten mit Pablo de Alvares und seinem Adlatus, dem riesigen, blonden Normannen, auf den Booten der Eingeborenen, die sich Chachapoya nannten, weiter ins Paradies fahren.
Fra Domenico, der Kaplan der Templer, hatte sich als Sprachgenie erwiesen und bei ihrem Aufenthalt bei den Eingeborenen innerhalb kürzester Zeit deren Sprache gelernt. So hatte er für Pablo bei den Urwaldhändlern gefragt, ob sie ihn und seine Templerbrüder in ihre Heimat mitnehmen würden.
Die freundlichen Eingeborenen hatten nichts dagegen. So waren die Templer mit ihren Goldkisten und ihren persönlichen Gegenständen, auf die sie nicht hatten verzichten können oder wollten, von Pablo auf die Einbäume der Chachapoya verteilt worden. Alle, die in den Booten saßen, hatten sich freiwillig Pablo de Alvares angeschlossen und fuhren jetzt mit den Eingeborenen den Fluss hinauf ins Paradies, wie sie glaubten.
Die Flut schob die Einbäume recht zügig voran, obwohl die Boote, in denen die Kisten mit dem Gold waren, ziemlich tief im Wasser lagen. Trotzdem tauchten ihre Paddel nur gelegentlich ins Wasser, um die Boote in Richtung zu halten. Von den Abtrünnigen sah sich niemand mehr um. Sie saßen in den Booten und schauten nur nach vorn.
So ist es richtig, dachte Pablo. Immer nach vorne blicken, nicht nach hinten. Vorne ist die Zukunft, hinten ist die Vergangenheit.
Es dauerte eine ganze Zeit, bis sich die Einbäume hinter einer schwimmenden Insel den Blicken der Zurückgelassenen entzogen. Die große, schwimmende Insel zog an ihnen vorbei und für einen Moment glaubte Pablo, er hätte zwischen dem Gewirr aus Pflanzen und Ästen die Gestalt von Joao gesehen. Dann schüttelte er den Gedanken ab und blickte wieder nach vorn. Joao mit seinem Schiff Le Buscard, die sie in diesen Teil der Welt gebracht hatten, waren Vergangenheit. Er wollte nicht mehr daran denken. Nicht zuletzt um seinen Verrat an Joao Lourenco, dem er ja noch vor seinem Vater Treue und Loyalität geschworen hatte, zu vergessen. Aber Joao war eben kein Edelmann, sondern ein einfacher Emporkömmling. Er war nur von einfachem Blut, ein Hidalgo. Wusste der Teufel, was den dreiundzwanzigsten Großmeister des Templerordens bewegt hatte, den jungen Mann aus der Nähe von Aachen im Rheinland mit Führungsaufgaben auszustatten. Eigentlich hätte es ihm, dem spanischen Edelmann, zugestanden, die Führung der Templer zu übernehmen. Da das nicht geschehen war, hatte er schon immer überlegt, wie er Joao seine Position streitig machen konnte. Er dachte an ein spanisches Sprichwort: "Wer seinen guten Ruf verloren hat, geht als Toter durchs Leben." Es ging also darum, dem Hidalgo seine Ehre zu nehmen. Das war für diesen schlimmer, als getötet zu werden. Genau darauf hatte er seinen Plan aufgebaut.
Jetzt war er der Führer der fast dreißig Templer, die sich ihm angeschlossen hatten. Er war am Ziel seiner Träume, wenn auch anders, als er das im Heiligen Land und später in Frankreich und Spanien noch geglaubt hatte.
Es fiel auch nicht schwer zu vergessen, denn die fremdartigen Eindrücke, die auf die Europäer einstürmten, ließen keinen Gedanken an die Vergangenheit zu.
Eine ganze Weile ging es mit den Einbäumen in der Nähe des Ufers entlang, dann bogen sie in ein Gewirr kleinerer und größerer Seitenarme ab. Schon bald hatten die Templer die Orientierung verloren. In der Nähe des Ufers fuhren sie durch eine Art Tunnel unter den Pflanzen in die Tiefe des Urwaldes. Während der Fahrt mussten sie oft den Kopf einziehen, um Ästen und herunterhängenden Lianen aus dem Weg zu gehen.
Zwischendurch schlossen sie sich in einer kleinen Gruppe den Chachapoyajägern auf einen Dschungelmarsch an, um an Fleisch zu kommen. So leicht wie die Eingeborenen auf ihren nackten Füßen über den Waldboden liefen, so schwer taten sich die Templer mit ihren Lederstiefeln. Aber Zeit zum Klagen blieb nicht. Zu viel Neues stürzte auf sie ein. Sie sahen Termitenbauten, Feuerameisen, schöne Schmetterlinge, diverse Pilze und große, bunte Vögel, die von den Chachapoya Ara genannt wurden. Lianen wuchsen von unten nach oben. Sie waren hart und sehr scharfkantig. Sie sahen ein Faultier, mehrere Schlangen, einen riesigen Frosch, diverse Fledermäuse und natürlich Affen. Sie hatten Besuch von einer kleinen Vogelspinne und ärgerten sich über die Moskitos in allen Größen.
Sie genossen den einzigartigen Duft des Urwaldes. Die gejagten Tiere, zu denen auch kleine Affen gehörten, wurden mit Blasrohren erlegt. Die Templer staunten, mit welcher ungeheuren Treffsicherheit die Eingeborenen das Blasrohr verwendeten.
Die Tiere wurden direkt am Lagerplatz aufgebrochen, ausgeweidet und am Feuer gebraten. Die Europäer hatten anfangs enorme Schwierigkeiten, das Fleisch von kleinen Affen zu essen. Zu sehr erinnerten sie die Tiere an kleine Kinder, die auf dem Feuer geröstet wurden. Aber nach und nach verloren sie ihre Scheu vor dem Affenfleisch.“
2012 erschien das E-Book „Der Löwe und die Inselbande. Abenteuer Zauberlöwe, Teil 2“ von Klaus Möckel: Dieser zweite Band der Reihe mit dem Zauberlöwen enthält neue aufregende Abenteuer. Am Ufer eines Sees beobachten Florian und Mareike einen höchst verdächtigen Mann, der in einem Kahn von der gegenüberliegenden Insel heranrudernd, sein Boot im Schilf versteckt. Sie vermuten ein Geheimnis und setzen selbst über. Den Löwen nehmen sie natürlich auch mit.
Doch mit dieser Tat begeben sie sich in große Gefahr. Auf dem Eiland halten Banditen einen Jungen gefangen, um Lösegeld zu erpressen. Die Erpresser entdecken die Kinder und machen Jagd auf sie. Als Florian dann noch das Zauberei verliert, mit dem ihr vierbeiniger Freund zu Hilfe gerufen werden kann, sieht es düster aus. Mareike und Florian brauchen all ihren Mut und ihre Schlauheit, um dagegenhalten zu können. Aber zunächst gibt es erstmal einen …
„Schreck am Nachmittag
Oma Klatt ging um das Brombeergebüsch herum und trat auf die Wiese hinaus. Vom vielen Bücken tat ihr der Rücken weh und sie wollte sich gerade kräftig recken, als sie jäh erstarrte. Ein spitzer Schrei entrang sich ihrer Brust. Der Korb, den sie am Henkel gefasst hielt, entglitt ihrer Hand und fiel zu Boden. Nach allen Seiten hin rollten die Pilze durchs Gras.
„Hilfe!", rief Oma Klatt, drehte sich um und stürzte in den Wald zurück. Ihr Mann, der wenige Schritte entfernt gerade eine prächtige Braunkappe abgeschnitten hatte, sah erstaunt auf.
„Was ist denn los? Wo hast du deinen Korb?"
„Mein Korb? Er liegt ... dort." Sie blieb stehen und deutete ängstlich nach hinten.
Opa Klatt schüttelte verständnislos den Kopf.
„Nun beruhige dich mal. Warum schreist du um Hilfe? Man könnte meinen, du hast ein Krokodil oder wenigstens eine Giftschlange gesehen."
Die Frau fasste sich etwas.
„Kein Krokodil und auch keine Giftschlange", flüsterte sie. „Ich kann's selber nicht glauben, aber es war ... ein Löwe!"
„Ein Löwe?!"
„Ja. Mit gelbem Fell und einer dicken Mähne. Er stand vor mir, keine fünf Meter entfernt, ich schwör's!“
„Also, weißt du", murmelte Opa Klatt vorwurfsvoll, „manchmal könnte man an deinem Verstand zweifeln. Ein Löwe auf Möllers Wiese! Was denn noch alles? Und deshalb schmeißt du nun deine herrlichen Pilze weg.“
Er wollte an ihr vorbei, um den Korb zu holen, doch sie hielt ihn am Ärmel fest. „Geh nicht hin, bitte!“
„Das hält man doch nicht für möglich“, sagte Opa Klatt und machte sich energisch los. „Hörst du etwa irgendein Raubtier brüllen? Nein, nicht einmal ein Hund bellt. Wir sind seit zwei Stunden im Wald unterwegs. Sollen wir wegen diesem Quatsch unser Abendbrot im Dreck liegen lassen?“
Oma Klatt murmelte:
„Aber wenn ich ihn doch gesehen habe. Vielleicht ist er weggelaufen. Aus einem Zoo.“
Ihr Mann freilich war schon bei dem Strauch und stand gleich darauf an der Stelle mit dem Korb. Der lag auch noch da, genau wie die Pilze. Ein Tier dagegen war nirgends zu erblicken.
„Ich hab's doch gewusst", brummte der Alte und hockte sich ächzend hin, um die Pilze aufzusammeln. „Ein Löwe, so ein Blödsinn!“ Er rief nach seiner Frau, die nun all ihren Mut zusammennahm und sich wieder zu ihm gesellte. Trotzdem suchte sie ängstlich mit ihren Blicken die Wiese ab. Statt eines Löwen sah sie allerdings nur weiter rechts am Waldrand zwei Kinder mit Fahrrädern.
Oma Klatt hätte die beiden am liebsten nach der Raubkatze gefragt, aber mittlerweile zweifelte sie an sich selbst. Außerdem waren die Kinder zu weit weg. Immer noch verstört, half sie ihrem Mann, den Korb wieder zu füllen.
Der Junge und das Mädchen dagegen sahen zu, dass sie Land gewannen.
„Du hättest Rex-kun nicht rauslassen sollen“, sagte Mareike, während sie einen Feldweg entlangstrampelten. „Hier sind zu viele Leute.“
„Ich konnte doch nicht wissen, dass die beiden Alten plötzlich aus dem Wald kommen“, erwiderte Florian. „Sonst war ja weit und breit niemand.“
„Pilzsammler gibt's um diese Jahreszeit überall“, wandte Mareike ein, um dann altklug hinzuzufügen: „Na ja, es wird immer wieder mal passieren, dass er jemanden erschreckt, das lässt sich nie ganz verhindern.“
Die beiden besaßen tatsächlich einen Löwen, aber das ist eine Geschichte, die sich nicht so einfach erklären lässt. Etwa vor einem Jahr war nämlich etwas höchst Ungewöhnliches geschehen. Florian hatte von seiner Tante Anja ein Tamagotchi geschenkt bekommen, das sich als total irre erweisen sollte. Er hatte sich nie so ein Ding gewünscht - was sollte er schon mit solch einem Plastik-Ei anfangen. Das Spielzeugtier auf dem Display war etwas für kleine Mädchen und zu diesem Zeitpunkt schon längst nicht mehr der letzte Schrei. Mehr aus technischem Interesse hatte Florian später das Tamagotchi in Gang gesetzt, die verschiedenen Knöpfe bedient und die Funktionen aufgerufen. Als das Außerordentliche dann passierte und der Löwe unvermittelt vor ihm stand, hatte er einen ähnlichen Schreck gekriegt wie Oma Klatt jetzt. Und er hatte nicht das Geringste begriffen.
Auch heute noch, da Florian sich längst an das Tier mit dem sonderbaren Namen Rex-kun gewöhnt hatte, fragte er sich manchmal, wie die Konstrukteure dieses Kunststück geschafft hatten: einen Löwen zum Anfassen, der auf eine bestimmte Tastenkombination hin aus dem Tamagotchi sprang oder wieder darin verschwand. Der rennen, brüllen und sogar sprechen konnte. Seine Schulfreundin Mareike, die einen Sinn für alles Ungewöhnliche hatte, sagte einfach:
„Das ist ein Wunder und Wunder kann man nicht erklären. Ich bin froh, dass Rex da ist. Ich liebe ihn sehr.“
Florian liebte Rex nicht weniger, zumal er sich durch ihn beschützt fühlte. Seit er den Löwen hatte, brauchte er größere Jungs, die oftmals gemein sein konnten, nicht mehr zu fürchten. Dennoch erwiderte er:
„Trotzdem muss es eine Erklärung geben. Man sollte mal in einer Fabrik nachfragen, wo sie solches Spielzeug herstellen.“
„Dort würdest du genauso wenig erfahren", sagte Mareike. „Höchstens, dass Rex eine Verbindung elektronischer Ströme mit magischen Elementen ist oder so ähnlich. Das macht dich auch nicht schlauer.“
Jedenfalls war der Löwe da und ein toller Spielgefährte. Man konnte mit ihm richtig herumtoben, musste bloß aufpassen, dass er von keinem gesehen wurde. Sonst gab es immer gleich ein Riesengeschrei und eine Menge Fragen, die nicht zu beantworten waren.“
Erstmals 1987 erschien im Kinderbuchverlag Berlin „Umberto“ von Günter Saalmann: Umberto, Schüler einer sechsten Klasse in einer typisch sächsischen DDR-Schule, hat keinen Ranzen, keine Hefte, aber ein, zwei Bücher, die er vor seiner Mutter versteckt, um sie vor dem Verfeuern zu bewahren. Vor Lehrern und Mitschülern, die von ihm sagen, dass er stinkt, spielt er den Clown, um auf sich aufmerksam zu machen und Zuwendung zu finden. Er stellt schließlich alles an, dass auch die staatliche Jugendhilfe sich seiner annimmt. Seine Flucht „nach Afrika“ endet schließlich dort, wo er längst hin will: In einem Kinderheim, und das ist nicht das Schlechteste, was einem wie ihm passieren kann. Schließen wir aber erst einmal die Bekanntschaft mit einem Helden, einem nackten Helden, dem auch gleich noch Unrecht widerfährt:
„Kapitel 1
Bekanntschaft mit dem nackten Helden. Umberto beweist seine zwanglose Haltung zu schulischen Pflichten und erfährt bitteres Unrecht. Ein Kumpel von besonderer Sorte.
Da hockt er in der Wanne, Umberto Medock, ein nackter Mensch-Anfänger, kratzt sich einen Schorf vom Knie, wundert sich, dass er im Sitzen Querfalten im Bauch hat, und erklärt einer nassen Herbstfliege, die er im Deckel vom Badeshampoo gondeln lässt: „'ne Badewanne. Wanne, Klobecken, Gasboiler, alles neu. Gestern waren sie vom Kreis hier, verstehst du, die Frau Jugendhilfe, und die Monteure haben die Rohre gelegt.“
Er blinzelt sich den klebrigen Schlaf aus den Augen. Seine Unterlider sind von Fältchen geknifft, die dem Jungengesicht einen listigen, übermüdeten Ausdruck verleihen, wie man sie sonst bei Kindern nicht sieht. Insgesamt jedoch - kein übler Anblick, dieser Umberto Medock.
Jetzt leert er mit entschlossenem Daumendruck die Shampooflasche bis zum Grund und beginnt mit dem Küchensieb Schaum zu schlagen. Gewaltig ist die Wirkung: Erst quillt die Wanne über, dann fliegen die Schaumfetzen, weiß, weiß, weiß, setzen sich auf die Windeln, die zum Trocken hängen, auf die Wand.
Umberto glitscht aus dem Wasser, öffnet das Fenster und schaufelt mit dem Sieb das weiße Zeug hinaus in den Oktoberregen.
Durch die Frongasse kommen zwei geblümte Kinderschirme angequirlt. Unter dem einen blitzt ein signalgelber Anorak: Aleksandra Krautwein, die Neue in der 6c, der Klasse, die auch Umberto besucht. Hihi. Besucht. Fein ausgedrückt.
Der andere Schirm gehört dem wundergottbraven, gescheiten, pünktlichen Raul Fiebig. Die zwei sind bereits dicke Tinte, sie haben ihre Ranzen aneinandergeknotet und tragen sie am Riemen zwischen sich.
Eine Ladung Schaum segelt hinunter, landet auch richtig auf Aleksandras Schirm, leider unbemerkt. Zwei Paar bunte Gummistiefel verlieren sich im rauschenden, hupenden, brummenden Gewühl des Marktes.
Umberto besitzt keine Gummistiefel für solches Mistwetter, er wird sich Zeit lassen mit dem Schulweg.
Seelenruhig steigt er in seine Sachen. In der Turnhose klafft ein Dreieck. Na und, kommen die langen Hosen drüber. Den etwas ausgeweiteten Pullover stopft er in den Bund, so sitzt alles fest und kann nicht rutschen.
Endlich verstaut er den Familienwecker in seiner Anoraktasche und kracht die Wohnungstür hinter sich zu. Sollen Ilona und das Baby gefälligst jetzt aufwachen.
Unten im Hausflur steigt er über Farbeimer und ausrangierte Heizkörper. Die Imbissstube ZUM IGEL wird renoviert.
Durchgeregnet steht er dann in der Klassenzimmertür. Eben ist die Leistungskontrolle vorüber: Aleksandra stakst zurück zu ihrem Platz, hochrot im Gesicht.
„Noch gerade Drei“ , sagt Frau Lehrerin Krautwein zu ihrer Tochter und wendet sich dem Nachzügler zu: „Na, Umberto, mal wieder der verflixte Wecker?“
Umberto zerrt den Wecker aus der Tasche. Ehrliche Entrüstung malt sich auf seinen Zügen: Darf man ihn zu allem Unglück hier verspotten?
Die Lehrerin forscht in seinem Gesicht. Sie kann in den weit aufgerissenen, rot geriebenen Augen keine Spur von Scheinheiligkeit entdecken. Zögernd glättet sich die steile Falte auf ihrer noch jungen Stirn. Und Umberto macht einen Schritt und hebt ihr den Wecker ans Ohr. Ob sie aus der Nähe seinen angenehmen Fichten-Badegeruch schnuppern kann? Er sieht ihre Nasenflügel zittern.
Die Klasse lauscht: Kein Weckerticken ist zu hören, soviel ist amtlich.
„Junge, überleg doch mal“ , sagt die Pädagogin. „Soll es wieder Einträge und Verwarnungen regnen, wie in den ersten Wochen unserer Bekanntschaft?“
„Ja“ , spricht Umberto, heiser vor Hoffnung, „es wäre vielleicht besser.“ Dabei blitzt er streng den Wecker an. Gleich muss sie sein Schülertagebuch verlangen, und er muss antworten, dass es verloren ging. Ein großes Traritrara wird losgehen, und sie wird sich eine Viertelstunde bloß mit ihm abgeben, mit ihm ganz allein.
„Na, häng deinen Anorak hinaus und nimm Platz.“
Er rennt noch einmal auf den Gang zu seinem Garderobenhaken. Den Wecker zieht er ein bisschen auf, auch das Läutwerk, und zwängt ihn zurück in die Anoraktasche.
Frau Krautwein aber wickelt soeben aus Zeitungspapier eine Topfpflanze. Die blüht über und über blaulila, jede Blüte hat in der Mitte ein leuchtendgelbes Sternchen. „Schade“ , meint sie, zur Klasse gewendet, „jammerschade, dass auf Umberto so wenig Verlass ist. Da wird er wohl unser afrikanisches Veilchen sterben lassen, wenn er die Pflege übernimmt, wie er gestern versprach.“
„Ich mach's schon“ , knurrt Umberto. „Ist es wirklich aus Afrika?“ Er nimmt die Pflanze und trägt sie behutsam aufs Fensterbrett neben seinem Platz. Wenn hier einer was von Afrika versteht, dann er.
„Es muss aber regelmäßig gegossen werden und zwar früh, vor dem Unterricht“ , sagt Frau Krautwein und beginnt mit dem heutigen Thema. Wovon handelt es? Natürlich nicht von Afrika, sondern von nördlichen Ländern, irgendwelchen Forden oder Fjorden. Umberto kennt das alles schon, denn er hat die Klasse sechs schon einmal abgesessen. Bloß, da hatte er noch nicht bei Frau Krautwein. Die ist ja ganz neu an der Comeniusschule Walda.
Umberto beobachtet die silberne Halskette an der schwarzen Pulloverbrust der Lehrerin, der Anhänger hat die Form einer kleinen Spinne.
Seine nass geregneten Hosen kleben wie Lappen an den Knien. Er streckt die Beine von sich und zupft den Stoff von der Haut. Selbst in Frau Krautweins Erzählung geht es kalt zu, Eisberge schieben Schutt und Geröll bis in die DDR. Er bibbert. Das Gebibber überträgt sich auf den Tisch, den er mit Aleksandra teilt. Die guckt für einen Moment herüber und zieht vernehmlich Luft durch die Nase. Dann kritzelt sie einen Zettel und schiebt ihn nach hinten, zu ihrem Raul.
Was sie an dem Blässling findet. Um ihr Geschreibsel zu lesen, setzt er die Brille ab und eine andere auf. Ein Junge mit zwei Brillen, lachhaft. Hinter den dicken Gläsern kullern seine Augen dicht an den Buchstaben hin und her wie hellblaue Murmeln.
„Umberto, schau nach vorn!“, unterbricht Frau Krautwein ihre Rede.
„Hier ist was los, eh“ nölt der Angesprochene der Form halber und heftet den Blick auf ihre Nase. Ein Kumpel von ihm, der schon alles über Frauen drauf hat, hat ihm mal erklärt: „Guck den Weibern auf die Nase, dann weißt du Bescheid, auch wenn sie'n Winterpelz anhaben: Wie die Nase, so die Brust ...“
Frau Krautweins Nase ist groß und schön geschwungen.
Umberto kann sich nicht konzentrieren. Jetzt wieder bildet er sich den Geruch heißer Gulaschsuppe ein, faserige Fleischstücke, Gewürzkörner, die weich zwischen den Zähnen zerplatzen.“
Und hätten Sie das auch gewusst, das mit den Weibernasen und was sich aus deren Anblick lernen. Immerhin kann man (oder Mann) mit der Betrachtung eines schönen weiblichen Gesichts herausreden – dann braucht er außerdem nicht frecherweise auf ihre hübschen Brüste oder ihren knackigen Po zu schauen, obwohl das auch ein recht vergnüglicher Anblick sein kann (Sie merken schon, das ist eine typisch männliche An-Sicht).
Aber zurück zu Umberto. Wird er es tatsächlich nach Afrika schaffen? Und was soll Afrika eigentlich bedeuten? Immerhin spielt das Buch zu DDR-Zeiten …
Viel Vergnügen beim Lesen, einen wunderbaren Frühling, bleiben auch Sie weiter vor allem schön gesund und munter und bis demnächst.
Zum Schluss nur noch eine kleine Zusatzfrage, Ihre Gedächtnisleistungen betreffend: Wissen Sie eigentlich noch, was ein Tamagotchi ist oder besser formuliert: war?