Beispiel veranschaulicht die Rechtslage
Im entschiedenen Fall hatte ein Ehepaar – ein Mann mit seiner zweiten Ehefrau – ein gemeinschaftliches Testament („Berliner Testament“) errichtet. Im Falle des Todes eines Partners sollte der andere Partner alleiniger Vollerbe werden. Als sogenannte „Schlusserben“ – also als Erben nach dem Tode des letztversterbenden Partners – wurden die Tochter des Mannes sowie der Neffe der Frau im Testament zu gleichen Teilen benannt.
Als nun jedoch der Ehemann im Alter von 83 Jahren verstarb und seine Frau – wie im Testament beschrieben – alleinige Erbin wurde, schlug diese die Erbschaft aus. Daraufhin beantragte die Tochter des Erblassers einen Erbschein, der sie als alleinigen Abkömmling ihres Vaters und damit als alleinige Erbin ausweisen sollte. Hiergegen wehrte sich der Neffe: Schließlich sei er durch die Schlusserbenregelung im gemeinschaftlichen Testament zum gleichen Teil erbberechtigt.
Der Fall landete vor den Gerichten und abschließend entschied das OLG Hamm zugunsten der Tochter. Die Begründung: Im Testament wurde zwar eine Regelung bezüglich der Schlusserbschaft getroffen, nicht aber eine Regelung zur „Ersatzerbschaft“ für den Fall, dass das Erbe ausgeschlagen wird. Die im Testament eingeplante Konstellation des Todes beider Ehepartner sei nicht eingetreten. Die Schlusserbschaftsregelung sei keineswegs als Ersatzerbenregelung für diesen Fall zu interpretieren. Dies führe dazu, dass die Erbschaft nur der Tochter, nicht aber dem Neffen der Ehefrau zukomme.
Vorsicht bei der Testamentserstellung
Der geschilderte Fall zeigt, dass es zu einem Streit in der Familie kommen kann, wenn bei der Erstellung eines Testaments nicht alle Eventualitäten in Betracht gezogen werden. Im beschriebenen Fall hätte durch einen Zusatz im Testament geregelt werden können, dass die eingesetzten Schlusserben auch dann (ersatzweise) erben sollen, wenn der zunächst erbende Ehegatte die Erbschaft ausschlägt. Dies hätte verhindert, dass die Tochter, die ja nach dem ursprünglichen Willen beider Eheleute eigentlich nicht erben sollte, nur aufgrund der Ausschlagung doch noch zur Erbin wird und die eingesetzten Schlusserben nichts aus der Erbschaft erhalten.
Wer sich mit der Errichtung eines Testaments auseinandersetzt, sollte daher eine Beratung bei einem Fachanwalt für Erbrecht in Anspruch nehmen. Dort wird die Familienkonstellation genau analysiert und der Wille des/der Erblasser(s) so in das Testament aufgenommen, dass eine Abweichung später nicht mehr möglich ist. Dies gibt allen Beteiligten Sicherheit und verhindert Streit nach dem Tode des Erblassers.
Andreas Jäger, Fachanwalt für Erbrecht
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