Im vorliegenden Fall schenkte eine Mutter ihrem Sohn im Jahr 2004 ein bebautes Grundstück, wobei sie sich ein lebenslanges Wohnrecht an allen Räumen des Hauses vorbehielt. Nach einer Vorsorgevollmacht im Jahr 2000 und einer Kontovollmacht im Jahr 2007 erteilte sie dem Beklagten im Januar 2009 eine notariell beurkundete General- und Betreuungsvollmacht.
Statt vorgesehener Kurzzeitpflege unbefristeter Heimaufenthalt
Im August 2009 stürzte die Mutter in dem Haus, das sie bis dahin allein bewohnte, und wurde daraufhin zur stationären Behandlung in ein Krankenhaus eingeliefert. Ursprünglich war vorgesehen, dass die Mutter in einer Kurzzeitpflege aufgenommen werden würde. Stattdessen wurde auf Veranlassung des Sohnes die Mutter entgegen ihrem Willen in eine Pflegeeinrichtung für demenzkranke Menschen aufgenommen, mit der der Sohn einen unbefristeten Heimvertrag abschloss. Daraufhin widerrief die Mutter die dem Beklagten erteilte Vorsorge- und Betreuungsvollmacht, zugleich kündigte sie den Langzeitpflegevertrag und beantragte eine Kurzzeitpflege. Die Schreiben wurden von den Nachbarn der Mutter auf ihre Bitte hin verfasst. Der Sohn teilte dem Pflegeheim mit, seine Mutter sei geschäftsunfähig, daher könne der Langezeitvertrag nur von ihm gekündigt werden. Darüber hinaus untersagte er dem Pflegeheim, andere Familienmitglieder oder Nachbarn zu seiner Mutter vorzulassen. Daraufhin erklärte die Mutter den Widerruf der Schenkung wegen groben Undanks. Sie verlangte von ihrem Sohn die Rückgabe und Rückübereignung des geschenkten Hausgrundstücks. Während des Rechtsstreits verstarb die Mutter. Ihre anderen Erben nahmen den Rechtsstreit auf.
Frage des Respekts
Nach Auffassung des BGH setzt der Widerruf einer Schenkung objektiv eine Verfehlung des Beschenkten von gewisser Schwere und in subjektiver Hinsicht voraus, dass die Verfehlung Ausdruck einer Gesinnung des Beschenkten ist, welche in erheblichem Maße die Dankbarkeit vermissen lässt, die der Schenker erwarten darf. Die Mutter als Schenkerin durfte – unabhängig von der Frage ihrer Geschäftsfähigkeit – erwarten, dass ihr Sohn, den sie umfassend bevollmächtigt hatte, ihre personelle Autonomie respektiert. Er hätte sie zunächst nach ihrem Willen hinsichtlich ihrer weiteren Pflege befragen und diesen Willen berücksichtigen müssen bzw. diesem Willen entgegenstehende Argumente mit ihr erörtern müssen, so der BGH. Der BGH beanstandete, dass das Gericht der unteren Instanz keine Feststellungen dazu getroffen hat, aus welchen Gründen eine Rücksprache mit der Mutter unterblieben ist. Daher verwies der BGH den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung an die Vorinstanz zurück.
Zwangseinweisungen von Senioren sind heutzutage keine Seltenheit mehr. Doch bevor Angehörige diesen Schritt gehen, sollten sie sich fachanwaltlich beraten lassen, um die eigene Rechtsposition abzusichern und unnötige, meist sehr kostspielige Fehler zu vermeiden.
Andreas Jäger
Rechtsanwalt,
Fachanwalt für Familien- und Erbrecht
Mediator
http://www.gks-rechtsanwaelte.de