Verlassen des Unfallortes für Krankenhausbesuch gerechtfertigt
Im entschiedenen Fall hatte sich ein Mann bei einem selbstverschuldeten Unfall die Fingerkuppe des Mittelfingers abgeknickt. Daraufhin war er umgehend in das Auto eines Bekannten gestiegen, um sich zur Behandlung in ein Krankenhaus bringen zu lassen.
Die Staatsanwaltschaft sah in diesem Verhalten einen Verstoß gegen § 142 StGB – das „Unerlaubte Entfernen vom Unfallort“, gemeinhin als Fahrerflucht bekannt. Regelmäßig müssen danach Unfallbeteiligte nach einem Unfall den anderen Unfallbeteiligten und den Geschädigten unter anderem ihre Identität preisgeben, damit beispielsweise die anderen Beteiligten in einem späteren Verfahren mögliche Ansprüche an die richtige Person stellen können. Sind andere Beteiligte nach einem Unfall nicht sofort zu erreichen, so trifft den Verursacher doch zumindest die Pflicht, eine angemessene Zeit zu warten oder die Polizei zu informieren.
Da der Unfallverursacher jedoch weder einen anderen Unfallbeteiligten informierte, noch wartete und die Polizei erst nach seiner ärztlichen Behandlung anrief, klagte die Staatsanwaltschaft ihn unter anderem wegen Fahrerflucht an. Im Verfahren vor dem Landgericht wurde der Mann dann auch zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
BGH hebt Verurteilung teilweise auf
Hiergegen ging der Kraftfahrer vor, sodass der Fall vor dem BGH landete. Die Richter dort gaben ihm Recht: Sie hielten fest, dass das Entfernen vom Unfallort zumindest dann gerechtfertigt gewesen sein könnte, wenn der Unfallverursacher seinen gesetzlichen Pflichten wegen der Behandlung seiner Verletzungen nicht nachgekommen sei, die Behandlung also mitursächlich für das Entfernen vom Unfallort gewesen sei.
Der Fall wurde an das Landgericht zurückverwiesen, welches diesen tatsächlichen Umstand nun zu prüfen hat.
Verteidigungsmöglichkeit bei Anklage wegen Fahrerflucht
Nichtjuristen schütteln bisweilen verständnislos die Köpfe, wenn es um Entscheidungen der Justiz geht. Aus der Sicht eines verständigen Bürgers scheint es zunächst vollkommen einleuchtend, dass ein Unfallort zur ärztlichen Versorgung verlassen werden darf. Dass dies bisher offenbar nicht so klar war, zeigt das Verhalten der Staatsanwaltschaft im geschilderten Fall. Glücklicherweise konnten die Richter des BGH an diesem Punkt für Rechtssicherheit sorgen und betroffenen Unfallverursachern die Möglichkeit eröffnen, nach einem Unfall erst einmal mögliche Verletzungen behandeln zu lassen. Wer sich in einer ähnlichen Konstellation mit einer Anklage wegen Fahrerflucht konfrontiert sieht, sollte deshalb nicht zögern, einen auf das Verkehrsrecht spezialisierten Anwalt aufzusuchen, um sich mit guten Aussichten auf Erfolg gegen den strafrechtlichen Vorwurf zur Wehr zu setzen.
Frank Brüne
Fachanwalt für Verkehrsrecht
http://www.gks-rechtsanwaelte.de