Eine Erleichterung für Messdienstleister besteht laut Fachverband Luftdichtheit im Bauwesen (FLiB e. V.) darin, dass künftig das Abdichten von Öffnungen für die freie Lüftung entfällt. „Messende sparen sich jede Menge Arbeit, wenn sie nicht zig Fensterfalzlüfter abkleben und später in den Ursprungszustand zurückversetzen müssen“, nennt Verbandsgeschäftsführer Oliver Solcher ein Beispiel. Auch bei Fahrschachtbelüftungen von Aufzügen und bei Rauch- und Wärmeabzügen fallen Abdichtungsmaßnahmen und der mit ihnen verbundene Aufwand weg. Zudem sorgen drei Checklisten im nationalen Anhang NA für größere Klarheit bei der Gebäude-Vorbereitung: In ihnen können Messende für alle üblichen absichtlich vorhandenen Gebäudeöffnungen ablesen, wie sie diese im Sinne der Norm präparieren müssen. Der Fachverband erhofft sich dadurch größere Einheitlichkeit der Messungen und bessere Vergleichbarkeit ihrer Ergebnisse.
Langjährige Forderung des FLiB endlich erfüllt
Durch den GEG-Bezug auf den nationalen Anhang schreibt der Gesetzgeber erstmals ein Mess- und Präparationsverfahren vor, das die Luftdurchlässigkeit von Gebäuden weitgehend im Nutzungszustand erfasst. „Fast 20 Jahre lang hat sich der FLiB wieder und wieder für diese Form der Messung ausgesprochen – jetzt endlich wird sie Realität“, freut sich Oliver Solcher. Anstatt, wie bisher üblich, Lüftungswärmeverluste durch absichtlich vorhandene Öffnungen, die im Nutzungszustand offen stehen, beim Blower-Door-Test per Abdichten auszublenden, fließen sie nun in den Dichtheitskennwert ein. Als Folge kann auch die Primärenergiebedarfsberechnung nach DIN V 18599 die energetische Qualität des Gebäudes exakter abbilden.
Damit das problemlos funktioniert, stellt der nationale Norm-Anhang zusätzlich sicher, dass die für den Dichtheitskennwert wichtige Volumenberechnung weiterhin denselben Regeln folgt wie andere in Deutschland gängige Normen. Neu ist lediglich die Bezeichnung als „Luftvolumen VL“. Auch an anderen Stellen bringt die neue Messnorm geänderte Bezeichnungen für Kennwerte und Bezugsgröße mit sich. Darin sieht der FLiB jedoch kein Problem: „Das wird sich einspielen“, erwartet Solcher.
Luftdichtheit der Hülle muss wirklich fertig sein
Messende, zum Teil aber auch Ausführende, Bauleiter und Auftraggeber, müssen sich noch auf weitere Änderungen durch GEG und neue Messnorm einstellen. Beispiele: Künftig sind immer zwei Testreihen verbindlich, eine bei Über- und eine bei Unterdruck, beide fließen in das Messergebnis ein. Dabei fordert das GEG, dass jede Testreihe für sich die Anforderungen an die Luftdichtheit erfüllt. Messungen, die nicht mindestens einen Gebäudedruck von 50 Pascal erreichen, entsprechen nicht der Norm. Und: Blower-Door-Tests für den öffentlich-rechtlichen Nachweis dürfen erst durchgeführt werden, wenn die Luftdichtheit der Gebäudehülle einschließlich sämtlicher Durchdringungen tatsächlich fertiggestellt ist. Um sich mit allen Neuerungen vertraut zu machen, empfiehlt der Fachverband den Messenden, einschlägige Fortbildungsveranstaltungen zu besuchen. Der Verband selbst bietet dazu eine Reihe von Online-Seminaren an.
Achtung: Alte Messnorm hat noch nicht ausgedient
Auch nach Inkrafttreten des GEGs am 1. November 2020 wird es weiterhin „EnEV-Schlussmessungen“ nach DIN EN 13829 geben – nämlich für jene Neubauten, bei denen Bauantrag oder Bauanzeige bereits vor dem Stichtag eingereicht wurden. Weil vor allem bei größeren Bauvorhaben zwischen Bauantrag und Fertigstellung viel Zeit vergehen kann, rät der FLiB allen Messenden, ihre Auftraggeber frühzeitig nach der für das jeweilige Objekt geltenden Rechtslage zu fragen. Nur so können sie auch korrekte Angebote nach DIN EN 13829 oder DIN EN ISO 9972 abgeben. Wann welches Gesetz gilt, regelt § 111 GEG. Er gewährt auch die Möglichkeit, die Anwendung des neuen Rechts zu verlangen, sofern über ein bereits beantragtes Bauvorhaben am 1. November noch nicht bestandskräftig entschieden wurde.
Hintergrund: GEG vs. EnEV – die Verfahrensfrage
Die erste Energie-Einspar-Verordnung verwies für das Überprüfen der Gebäude-Luftdurchlässigkeit allgemein auf DIN EN 13829:2001. Da diese Norm zwei verschiedene Messverfahren beschreibt, die sich in der Art der Gebäudepräparation unterscheiden, herrschte von Anfang an Unsicherheit über die korrekte Vorgehensweise. Spätere EnEV-Versionen legten sich auf „Verfahren B“ fest, das sich seinerseits als interpretationsanfällig erwies. In verschiedenen Staffeln der Auslegungsfragen zur Energie-Einspar-Verordnung bemühte sich die Fachkommission Bautechnik der Bauministerkonferenz um Klärung. Der Erfolg blieb jedoch begrenzt. 2017 mit Staffel 24 nahm der Verordnungsgeber schließlich Bezug auf eine Checkliste des FLiB e. V. für die Gebäudepräparation nach Verfahren B. Der Verband hatte sich selbst zwar stets für Verfahren A ausgesprochen, wollte mit seiner Checkliste aber zumindest für Einheitlichkeit bei der geltenden Regelung sorgen.
Die DIN EN ISO 9972 nun kennt ein Verfahren 3, das nach nationalen Vorgaben gestaltet werden kann. Diese Möglichkeit nutzte der im DIN-Normenausschuss Bauwesen (NABau) zuständige Arbeitsausschuss, um in enger Abstimmung mit dem Verordnungsgeber ein Präparationsverfahren zu beschreiben, das möglichst wenig Interpretationsspielraum lässt und für eine einheitliche sowie realitätsnahe Gebäudevorbereitung sorgen soll. Dabei stand auch die Checkliste des FLiB Pate. Das im nationalen Anhang NA festgehaltene Präparationsverfahren beschreibt nun ein Vorgehen, das – bis auf wenige Ausnahmen – den Nutzungszustand der Gebäudeöffnungen abbildet und damit Verfahren A der alten Messnorm sehr nahe kommt. Indem das GEG ausdrücklich DIN EN ISO 9972:2018 und den nationalen Anhang NA in Bezug nimmt, erhebt es diese Regelung zum neuen Standard für den öffentlich-rechtlichen Nachweis.