Ein starker Führungsanspruch ("Alpha-Instinkt") geht normalerweise mit dem Drang einher, Schwächere zu beschützen. Wer in der frühen Kindheit gehäuft seelische Kränkungen erfährt, verliert jedoch oft diesen natürlichen Fürsorglichkeits-Trieb und ist damit prädestiniert dafür, Schutzbefohlene auszunutzen. Ausdruck dieser Störung des Missbrauchstäters ist das Streben nach absoluter Überlegenheit in seinen Beziehungen: statt Schwächere zu schützen und zu fördern, stärkt er sein Selbstwertgefühl, indem er seine Opfer systematisch bloßstellt, demütigt und ausnutzt. Der sexuelle Bereich ist ein perfektes Umfeld, um Unterwerfung und Verehrung einzufordern.
"Beim sexuellen Missbrauch geht es nicht um Erfüllung, sondern hauptsächlich um Macht. Der Täter will sich als mächtig erleben, indem er die Verletzlichkeit Schutzbefohlener ausnutzt." ergänzt Dagmar Neubronner, Mitarbeiterin des Neufeld Institutes.
Deswegen wählen die Täter Kinder mit schwach ausgeprägtem Alpha-Instinkt, die wenig Selbstvertrauen haben und kein Gefühl dafür, wann ihre Grenzen verletzt werden. Diese Kinder halten still und sprechen nicht über das, was ihnen widerfährt. Denn ihnen fehlt ein Mensch, zu dem sie eine so tiefe Beziehung entwickeln konnten, dass sie es wagen, sich ihm anzuvertrauen. Kinder, die in geborgenen Familiensituationen aufwachsen, entwickeln den nötigen Selbstschutzinstinkt eher, als Kinder, die durch vorzeitige Trennung von ihren Eltern in ihrer Bindungsfähigkeit verletzt wurden.
Wenn wir den Missbrauch eindämmen wollen, müssen wir aus Sicht der Bindungsforschung die Familien und ihre Bindungsfähigkeit stärken, anstatt den Kindern durch vorzeitige Trennung Verletzungen zuzufügen, ihre Bindungsfähigkeit zu schwächen und damit den Boden für weitern Missbrauch zu bereiten.
Zum komplexen Thema, wie Kindheit erfahren wird und welche Auswirkungen dies auf die weitere Lebensentwicklung hat, wird neben Prof. Gordon Neufeld von zahlreichen, international renommierten Referenten auf der Tagung "Das Geheimnis erfolgreicher Bildung" erläutert. Die Tagung findet statt vom 11.-13. Juni 2010 an der Universität in Düsseldorf und wird veranstaltet vom Familiennetzwerk in Kooperation mit namhaften Partnern.