Das Fernstudium in Deutschland hat in den letzten Monaten einen beispiellosen Boom erlebt! Immer mehr Menschen bilden sich online weiter. Und das ist nicht verwunderlich, denn ein Fernstudium bietet viele attraktive Vorteile, vor allem für diejenigen, die sich beruflich weiterentwickeln, neue Ziele erreichen und gleichzeitig Beruf und Familie vereinbaren wollen. Doch was so einfach klingt, ist in der Regel auch mit einem gewissen Maß an Verzicht, einem guten Organisationsvermögen und Disziplin verbunden. Denn einen Abschluss gibt es auch im Fernstudium nicht geschenkt. Und dennoch entscheiden sich jährlich weit über 400.000 Menschen für diese flexible Form der Weiterbildung.
„Die erfolgreichsten AbsolventInnen und ihre ganz persönlichen Lebensgeschichten, in denen ein Fernstudium häufig die Grundlage für die Karriere bildet oder ganz neue Perspektiven im Leben ermöglicht, zeichnen wir mit unserem Studienpreis aus“, verkündet Mirco Fretter, Präsident des Bundesverbandes des Fernstudienanbieter. Erfolg wird im Rahmen des Studienpreises jedoch nicht nur über besonders gute Resultate und Noten definiert. „Wir zeichnen vielmehr Lernkarrieren aus, die vielleicht trotz ungünstiger privater, beruflicher oder auch gesellschaftlicher Umstände erfolgreich zum Abschluss gebracht werden konnten“, so Fretter. Und das schon seit mehr als 35 Jahren. Mit dem „Fernschüler des Jahres“ fing 1985 alles an. 2022 wird der Studienpreis Bildung. Digital. Vernetzt. nun erstmals in fünf brandneuen Kategorien verliehen. Aus mehr als 100 Bewerbungen wählte die Studienpreis-Jury die aktuellen PreisträgerInnen:
Preisträger „Beruf & Karriere“: Philipp Brunner (29) aus Wiesbaden
Ohne Abitur zum Pflegedirektor
Ohne konkrete Zukunftsplanung verließ Philipp Brunner 2010 mit schlechten Leistungen das Schulsystem, vollkommen unwissend, wo es ihn beruflich einmal hin verschlagen würde. Mit einem Praktikum in der Pflege startete der einst desinteressierte Schüler dann seinen beruflichen Werdegang und machte die Pflege zu seiner Berufung. Heute ist Brunner Pflege-Akademiker, der eine Entscheider-Position im Krankenhausmanagement innehat. Denn nach mehreren Aus- und Weiterbildungen in der Pflege startete er 2018 den Fernstudiengang „B.A. Pflegemanagement“ an der APOLLON Hochschule der Gesundheitswirtschaft neben seiner Vollzeitstelle als Krankenpfleger auf Station. Was Brunner beim Start seines Studiums nicht ahnen konnte: Die Corona-Pandemie sollte in Phasen seines Studiums zusätzlich sein vollstes berufliches Engagement fordern. Brunner trat im Juli 2019 eine neue Stelle als Stationsleitung (internes Trainee-Programm) in einem neuen Krankenhaus an. Kurz danach (Anfang 2020), noch frisch mit Führungsaufgaben betraut, startete die Pandemie mit all ihren Folgen für das Gesundheitssystem. In der ersten Welle schaffte es Philipp Brunner noch, die letzte Hausarbeit trotz anstrengenden Zwölf-Stunden-Diensten zu schreiben. Im Herbst 2020 wurde er dann für ca. 2,5 Monate Interimsleitung der Covid-Stationen, da hier alles zusammengebrochen war. Sein Fernstudium verlor er aber auch in dieser belastenden Phase keineswegs aus den Augen. Zutiefst intrinsisch motiviert, schrieb er in dieser Zeit abends seine Bachelor-Thesis und schloss das Studium erfolgreich ab. 2021 wurde er zur Zentrumsleitung befördert. Heute ist Philipp Brunner mit gerade einmal 29 Jahren als Pflegedirektor in einem anderen Krankenhaus tätig.
Seine Motivation: „Trotz der starken Regulierung des Gesundheitsmarktes war und ist es mein großes Ziel, mit modernen und flexiblen Konzepten die Pflege nicht nur zu entlasten, sondern qualitativ voranzubringen, weiterzuentwickeln und ihr den Rücken freizuhalten und zu stärken.“ Dafür bildet sich Brunner auch heute noch fort, hat ein weiteres Fernstudium an der APOLLON Hochschule begonnen („M.A. Gesundheitsökonomie“) und ist als ehrenamtlich tätiger Mentor auch für andere Fernstudierende ansprechbar. Dieses Engagement und diese herausragende Bildungsgeschichte würdigt die Jury mit dem Studienpreispreis 2022 in der Kategorie „Beruf & Karriere“.
Preisträger „Praxis & Transfer“: Thomas Füldner (39) aus Abu Dhabi
Mit den Erkenntnissen des Fernstudiums im Einsatz für nachhaltige Landwirtschaft weltweit
Einen Bachelorabschluss in der Tasche, zog es Thomas Füldner 2009 beruflich nach Abu Dhabi. Einen Masterstudiengang an einer Uni im Ausland zu belegen, kam für ihn aus diversen Gründen allerdings nicht in Frage. So bewarb sich Füldner 2018 an der Wilhelm Büchner Hochschule, weil der Fernstudiengang „Innovations- und Technologiemanagement“ sich sehr gut als Aufbaustudium zu seinem vorangegangenen Bachelorstudium in der regenerativen Energietechnik eignete. „Direkt nach Studienbeginn wurde ich beruflich mit einer Beratungstätigkeit für die Special Olympics in Abu Dhabi beauftragt. Unerwartet hatte ich für die kommenden sechs Monate eine 70-Stunden-Woche mit einem hohen Organisationsaufwand und zusätzlichen Stressfaktoren. An dieser Stelle wurden mir erstmals die Vorteile des Fernstudiums in der Praxis bekannt. Durch die Flexibilität gegenüber einem regulären Studium war es möglich, das Studienpensum an meinen zusätzlichen Arbeitsaufwand anzupassen und diese Hürde zu überwinden, ohne meine Studienleistungen zu gefährden“, erinnert sich der 39-Jährige heute. Während des Fernstudiums lernte Thomas Füldner Prof. Dr. Isenmann kennen, der im Jahr 2020 in einem wissenschaftlichen Förderprogramm (TRIFOLD) tätig war, in dem es darum ging, nachhaltige Landwirtschaft in geografisch schwierigen Regionen sicherzustellen. In seinen studienbezogenen Vertiefungsarbeiten hat Füldner sich somit fortan mit nachhaltiger Landwirtschaft durch Hydroponic-Anlagen beschäftigt und in seiner Masterarbeit die Hydroponic-Technologie analysiert, welche eine Alternative zur herkömmlichen Landwirtschaft bietet, weil nur zehn Prozent des Wassers bei einem 2-5 mal schnelleren Wachstum für die Aufzucht von Pflanzen benötigt wird. Wie bei einem berufsbegleitenden Fernstudium üblich, arbeitete Füldner zeitgleich, und zwar für das Abu Dhabi Ministry for Education and Knowledge (ADEK). Das Ministerium zeigte großes Interesse an seinen Arbeiten und Fülder gründete zusammen mit zwei Partnern das Startup-Unternehmen „Innovative Wise“. Aus einer Kooperation des jungen Unternehmens und seinem Partner aus den Vereinigten Emiraten sind Workshops zu verschiedenen Themen entstanden – unter anderem zu Hydroponics, Electronics/Robitics und Creative Expression – Workshops, an denen bereits im vergangenen Jahr britische und emiratische Lehrkräfte teilnahmen, um das erlangte Wissen an ihre SchülerInnen weitergeben zu können.
„Weiterhin arbeiten wir mit der Word Disability Union (WDU) zusammen und entwickeln innovative Lernkonzepte, um Menschen mit Behinderungen in den ersten Arbeitsmarkt bzw. in die Landwirtschaft zu vermitteln“, berichtet der frisch gekürte Studienpreisträger.
Für seine vielfältigen Transferleistungen, mit denen Thomas Füldner aus seinem Fernstudium heraus wertvolle gesellschaftliche Beiträge leistet, zeichnet ihn die Jury mit dem Studienpreis in der Kategorie „Praxis & Transfer“ aus.
Preisträgerin „Veränderung & Neue Wege“: Stefanie Reichert (44) aus Schönberg (Schleswig-Holstein)
Von der Bankkauffrau zum eigenen Waldkindergarten
Viele Jahre arbeitete Stefanie Reichert als Bankkauffrau, aber glücklich war sie in diesem Job nicht. Auf der Suche nach einem Kitaplatz für den ältesten Sohn, stieß sie auf das Konzept der Waldkindergärten und wusste sofort: „Das ist meine Berufung!“ Sie wollte nicht länger hinter einem Schreibtisch sitzen, sondern viel lieber ihre Zeit mit Kindern in der Natur verbringen. Also musste eine pädagogische Ausbildung her, um den Traum in die Tat umzusetzen. Mit drei kleinen Kindern (damals 2, 4 und 5 Jahre alt) fiel schnell die Entscheidung für ein Fernstudium und Stefanie Reichert schrieb sich für den Fernstudiengang „Kindheitspädagogik“ an der Diploma Hochschule ein. Den Studienstoff erarbeitete sich Frau Reichert abends, wenn die Kinder im Bett lagen und an den samstäglichen Präsenztagen, während die Kinder einen Papa-Tag genossen. Dann kam Corona! Die Präsenz entfiel und Vorlesungen wurden ins Digitale verlegt. Aber mit den Kindern zu Hause war es nahezu unmöglich, diese in Ruhe verfolgen zu können. Also stellte Reicherts Freundin (selbst Erzieherin) ihr kurzentschlossen fortan den Esstisch zur Verfügung. Nebenbei arbeiteten beide gemeinsam das eigene Waldkindergarten-Konzept aus, stellten es den umliegenden Gemeinden vor und wurden mit Anfragen überrannt. Haushaltsplan und Finanzierungsplan waren aufgrund ihrer vorherigen Tätigkeit keine Fremdwörter für Stefanie Reichert. Und dann ging alles ganz schnell. 2019 wurden die ersten Gespräche mit der Gemeinde geführt und schon ein knappes Jahr später, im Mai 2020, eröffnete Stefanie Reichert zusammen mit ihrer Freundin den eigenen Waldkindergarten „nanus“.
„Mit Ende 30 und drei kleinen Jungs den Absprung zu wagen und seinem Gefühl zu folgen, ist eine Herausforderung“, erinnert sich Stefanie Reichert heute. Aber alle Anstrengungen haben sich rückblickend mehr als gelohnt. „Ich bin unheimlich glücklich!“
Nicht nur den Mut zu haben, sein Leben noch einmal vollkommen auf den Kopf zu stellen, sondern auch das Durchhaltevermögen, seine Pläne und Träume in die Tat umzusetzen, dafür zeichnet die Jury Stefanie Reichert mit dem Studienpreis in der Kategorie „Veränderung & Neue Wege“ aus.
Preisträgerin „Gesellschaft & Engagement“: Gerlinde Hauschild (64) aus Rheine
Weiterbildung fürs Ehrensamt um pflegende Angehörige zu unterstützten
Nicht immer dient ein Fernstudium dem Ziel, sich beruflich weiterzuentwickeln oder die Karriereleiter zu erklimmen. Viele Fernstudierende nutzen ihre Weiterbildung für eine außerberufliche Tätigkeit. So auch Gerlinde Hauschild. Sie engagiert sich ehrenamtlich für pflegende Angehörige und unterstützt sie dabei, sich im Dschungel der angebotenen Hilfen und Leistungen zurechtzufinden. „Immer wieder berichten Pflegende von ihrer Orientierungslosigkeit und Verzweiflung“, weiß Hauschild zu berichten. „Ich setze mich für die Verbesserungen in der häuslichen Pflege ein, gründete einen Verein (Generation68-Rheine), um ehrenamtliche Unterstützungs- und Entlastungsangebote für pflegende Angehörige und ihre zu pflegenden Lieben zu schaffen. Weil hierzu jedoch Fachwissen nötig ist, entschied ich mich, den Vorbereitungslehrgang ,Betreuungskraft gemäß §§ 43b, 53b SGB XI‘ beim ILS - Institut für Lernsysteme zu absolvieren.“ Gleichzeitig fand auch Hauschild selbst Unterstützung durch die Aufnahme der Weiterbildung. Denn die Corona-Pandemie und die damit verbundene häusliche Isolation machte ihr zu schaffen. Das Lernen und den Abschluss als Ziel fest vor Augen, half, eine neue Tagesstruktur zu finden und die Leere zu füllen. „Durch die zusätzlich absolvierten Praktika bin ich seit einem Jahr anerkannte Betreuungskraft“, freut sich Hauschild.
Heute arbeitet die rüstige Rentnerin ehrenamtlich im Unterstützungs-Netzwerk-Pflegende-Angehörige (UNPA) Steinfurt. Ziel des Netzwerks ist der strukturierte Austausch aller Akteure, die an der Versorgung Pflegebedürftiger beteiligt sind, um Pflegenden auf schnellsten Wegen Informationen und Unterstützung zukommen lassen zu können. „Unsere Gesellschaft braucht ehrenamtliche und sich weiterbildende Menschen – auch ältere, denn lebenslanges Lernen hört nicht mit Eintritt in den Ruhestand auf“, ermahnt Hauschild. Das sieht auch die Jury ähnlich und prämiert den Weiterbildungswillen und das damit verbundene ehrenamtliche Engagement mit dem Studienpreis in der Kategorie „Gesellschaft & Engagement“.
Preisträger „Fernstudium & Biografie“: Timo Grieger (34) aus Augsburg
Aus Arbeitslosigkeit und Verzweiflung wurden Bachelor und Master
In dieser Kategorie zeichnet der Verband AbsolventInnen aus, in deren Leben das Fernstudium eine zentrale Rolle spielt. Das Lebensalter ist hierbei keinesfalls ausschlaggebend. 2022 geht der Preis an Timo Grieger.
Er startete nach dem Realschulabschluss eine Ausbildung zum Papiermacher und musste schnell feststellen, dass die Papierindustrie in Deutschland ein unsteter Arbeitsmarkt ist. So folgte eine Phase der Arbeitslosigkeit und schwierige, harte Zeitarbeitsjobs, die Energie raubten. Um dieser Spirale zu entkommen, entschied sich Grieger 2009 eine Umschulung zum Mechatroniker zu starten und nahm hierfür eigens einen Kredit auf. Nach erfolgreichem Abschluss und ersten Erfolgen im Job folgte die Weiterbildung zum staatlich geprüften Elektrotechniker und später, nach einer zusätzlich absolvierten Fachhochschulreife-Prüfung, ergriff Timo Grieger 2017 die Möglichkeit, sich an einer Hochschule einzuschreiben und startete mit dem Bachelor „Wirtschaftsinformatik“ seine akademische Laufbahn im Fernstudium. Nur drei Jahre später folgte das Masterstudium „Verteilte und mobile Anwendungen“ an der Wilhelm Büchner Hochschule, welches er ebenfalls erfolgreich abschloss. „Insgesamt verbrachte ich fast neun Jahre meines Lebens im Fernstudium – das ist ein großer Teil meines Lebens. Ich würde sagen, diese lange Zeit hat mich nicht nur geprägt, sondern grundlegend geformt. Beruflich konnte ich eine Treppenstufe nach der anderen nehmen“, blickt der frisch gekürte Studienpreisträger zurück.
Arbeitslosigkeit und Verzweiflung ließen in Timo Grieger den Wunsch nach Veränderung wachsen. „Ich wollte mein Leben wieder in geordnete Bahnen lenken. Einen Schritt nach dem anderen verfolgte ich mein Ziel und erfüllte mir im April dieses Jahres den langersehnten Traum eines Master-Abschlusses!“ Die Jury toppte diesen Traum nun mit dem Studienpreis in der Kategorie „Fernstudium & Biografie“.
„Mit unseren diesjährigen PreisträgerInnen wird einmal mehr deutlich, dass wir nicht allein Bestleistungen in Beruf und Weiterbildung auszeichnen, sondern dass uns die Geschichten hinter den Leistungen interessieren. Wir freuen uns sehr, auch 2022 wieder Menschen mit unserem Studienpreis ehren zu können, die für andere Fernlernende eine Vorbildfunktion besitzen“, informiert Verbandspräsident Mirco Fretter. Am 7. September 2022 sind alle GewinnerInnen zur feierlichen Studienpreisverleihung nach Berlin eingeladen.
Alle Informationen zum Studienpreis und den PreisträgerInnen finden Sie auf: www.studienpreis.org