Konversion von Muslimen streng verboten
Erzbischof Dr. Ludwig Schick, Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, wies auf die unterschiedliche Lage der Christen in den verschiedenen Staaten der Arabischen Halbinsel hin. "Grundsätzlich muss zwischen den Golfstaaten und Saudi-Arabien unterschieden werden." Der Jemen sei aufgrund des Krieges noch einmal eigens zu betrachten. In den Golfstaaten könnten Christen ihren Glauben relativ frei leben: "Es gibt Kultusfreiheit, aber keine Religionsfreiheit", so Erzbischof Schick. Zur Religionsfreiheit gehöre, dass niemand wegen seines Glaubens benachteiligt, bedrängt oder verfolgt werden darf. Alle Menschen sollten nach ihrem Glauben leben können. Auch ein Religionswechsel gehöre zur Religionsfreiheit. Doch auf der Arabischen Halbinsel seien ein aktives Werben für das Christentum oder gar die Konversion von Muslimen streng verboten und würden strafrechtlich verfolgt.
In Saudi-Arabien wären die Lebensbedingungen für Christen deutlich schlechter, betonte Erzbischof Schick. Dort dürfe nur der Islam, vorzugsweise in seiner rigoristischen wahhabitischen Auslegung, praktiziert werden. "Schon der Besitz christlicher Kultgegenstände ist verboten." Für die geschätzt 1,5 Millionen Christen in Saudi-Arabien gäbe es keine einzige Kirche und die Gläubigen seien gezwungen, sich heimlich in Privathäusern und Hotels zu treffen.
Arbeitsmigranten bilden die christlichen Kirchen
Den meisten Menschen in Deutschland sei nicht bekannt, dass Christen in nennenswerter Zahl auf der Arabischen Halbinsel lebten. Besonders in den Golfstaaten habe sich in den vergangenen Jahrzehnten eine lebendige Migrantenkirche entwickelt, informierte der Erzbischof. Schätzungen gingen davon aus, dass Christen in Oman bis zu vier Prozent, in Katar und in den Vereinigten Arabischen Emiraten neun Prozent, in Kuwait zwölf Prozent und in Bahrain 15 Prozent der Bevölkerung ausmachten. Die Mehrheit der Christen gehöre der römisch-katholischen Kirche an. Die christlichen Kirchen auf der Arabischen Halbinsel bestünden fast ausschließlich aus Arbeitsmigranten, die sich nur für einige Jahre in der Region aufhielten. Die Mehrheit komme aus Indien und von den Philippinen. Daneben bildeten Afrikaner, Christen aus den verschiedenen arabischen Ländern und einige wenige Europäer und Amerikaner die Ortskirchen.
Heimat auf Zeit
Die Christen seien sich darüber im Klaren, dass die Arabische Halbinsel nur "Heimat auf Zeit" sei, welche sie nach Auslaufen der jeweiligen Arbeitsverträge wieder verlassen müssten. Wie alle Migranten lebten auch die Christen in einer Art Parallelgesellschaft, die neben den einheimischen Gesellschaften bestehe und kaum Kontakte zu Einheimischen ermögliche, so Ludwig Schick.
Trotz aller Unterschiede von Herkunft, Nationalität und Ritus bildeten die Christen in der Region aufgrund ihres Glaubens eine Gemeinschaft. Die Kirchen seien nicht nur Orte des religiösen Lebens, sie böten auch Freizeitaktivitäten und Hilfe an, den oft sehr harten Arbeitsalltag zu bestehen. "Gerade in der Fremde sind Glaube und Kirche wichtig, um den Menschen Heimat zu geben", hob der Erzbischof hervor.
Etwa drei Millionen Christen leben auf der Arabischen Halbinsel
Der Apostolische Vikar für das südliche Arabien (Vereinigte Arabische Emirate, Oman, Jemen), Bischof Paul Hinder, berichtete über die Situation vor Ort: "Schätzungen zufolge dürfte die Anzahl der ausländischen Christen auf der Arabischen Halbinsel gegenwärtig bei mindestens drei Millionen liegen. Einheimische Christen gibt es praktisch keine." Er erläuterte, dass die Wohnbevölkerung in den Golfstaaten zu einem großen Prozentsatz aus Ausländern bestehe. Die staatliche Haltung gegenüber den Christen schwanke von Land zu Land. "Länder wie zum Beispiel Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate oder das Sultanat Oman sind recht tolerant." In den Vereinigten Arabischen Emiraten existierten acht katholische Pfarreien. 50.000 Gläubige nähmen in Dubai jedes Wochenende an den Messfeiern teil. "Wir sind auf der Arabischen Halbinsel eine Kirche aus Migranten für Migranten. Unsere Vitalität hängt vom außerordentlichen religiösen Engagement der Gläubigen ab", betonte Bischof Hinder.
Religionspolizei unterbindet Gottesdienste in Saudi-Arabien
Der Direktor des Missionswissenschaftlichen Instituts Missio in Aachen, Professor Dr. Harald Suermann, ging auf die Situation der Christen in Saudi-Arabien ein. Er erklärte, dass Christen nach dem Koran eine geschützte Minderheit seien, die das Recht habe, ihren Glauben zu leben und eigene Gotteshäuser zu unterhalten. Das werde in Saudi-Arabien jedoch eingeschränkt. "Liturgische Feiern sind dort verboten und können nur privat unter großer Gefahr vollzogen werden. Regelmäßig würden Gottesdienste von der saudischen Religionspolizei, der muttawa, durch Razzien und Verhaftungen unterbunden", so Professor Suermann. Für viele Christen bleibe nur die Möglichkeit, über Streaming-Angebote im Internet an Gottesdiensten teilzunehmen. Er wies darauf hin, dass innerhalb des saudischen Königshauses um die zukünftige Ausrichtung des Landes gerungen werde. Einerseits gäbe es Strömungen, die sich für gesellschaftliche Reformen einsetzten, andererseits Versuche, die aktuellen Verhältnisse zu stabilisieren. Ob es für die Christen und andere religiöse Minderheiten im Land in absehbarer Zeit zu Veränderungen komme, sei im Moment noch nicht abzusehen.
Arbeitshilfe "Arabische Halbinsel"
In der Arbeitshilfe, die in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, finden sich zahlreiche Hintergrundinformationen zum Christentum in den verschiedenen Ländern der Arabischen Halbinsel. Neben einem Einführungsartikel des anglikanischen Pfarrers Andy Thompson aus Abu Dhabi, der einen Überblick über die Geschichte des Christentums in der Region vermittelt, gibt es einen aktuellen Bericht von Bischof Hinder über die Lage der Christen im Jemen. Die Situation der Arbeitsmigranten in Oman wird ebenso thematisiert wie die Frage der Religionsfreiheit in Saudi-Arabien. Ein Bericht über einen Besuch auf einem der "Kirchen-Compounds" an einem Wochenende gibt einen Einblick in die unterschiedlichen christlichen Kirchen, Traditionen und Riten auf der Arabischen Halbinsel. Die Arbeitshilfe kann im Internet unter http://www.dbk-shop.de/de/deutsche-bischofskonferenz/arbeitshilfen/solidaritaet-verfolgten-bedraengten-christen-unserer-zeit-arabische-halbinsel.html?info=25844&dl_media=25216 heruntergeladen werden.
Gebetstag für verfolgte und bedrängte Christen am zweiten Weihnachtstag
Am Gedenktag des ersten christlichen Märtyrers Stephanus, am 26. Dezember, erinnert die römisch-katholische Kirche in Deutschland seit 2012 besonders derjenigen Christen, die heute überall auf der Welt aufgrund ihres Glaubens verfolgt werden. Im Mittelpunkt des diesjährigen "Gebetstags für verfolgte und bedrängte Christen" stehen besonders die Christen in Saudi-Arabien, die ihren Glauben nur im Untergrund leben können.