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Raus aus der Öffentlichkeit: Ist Glaube reine Privatsache?

(lifePR) (Fribourg/Schweiz, )
Auf einer religionspolitischen Tagung an der Universität Fribourg referierten und debattierten am 15. März Vertreter aus Politik, Wissenschaft und verschiedener (nicht)religiöser Organisationen über die Rolle, die Religion und Glauben heute in der Öffentlichkeit zusteht. Dabei ging es auch um das Verhältnis von Kirche und Staat sowie um die Unverzichtbarkeit von Religionsfreiheit in einer pluralistischen Diskurskultur.

Religionsgemeinschaften leisteten wichtige Beiträge für das Gemeinwohl und die gesellschaftliche Entwicklung, schrieb die Schweizerische Evangelische Allianz (SEA) in einer Medienmitteilung zur Tagung. Zu nennen seien unter anderem die zahlreichen Angebote, die verschiedene Kirchen in der Schweiz zur Unterstützung der rekordhohen Zahl von Flüchtlingen in den letzten Jahren initiiert hätten. Nach wie vor sei Religion für Menschen in der Schweiz eine wichtige Grundlage ihres gesellschaftlichen Engagements. Auf der anderen Seite gäbe es aber auch Menschen, die Religion zwar als private Option tolerierten, ihr aber keine öffentliche Anerkennung mehr zugestehen wollten und wieder andere fühlten sich durch Religion provoziert.

Die Unverzichtbarkeit der Religionsfreiheit in einer pluralistischen Diskurskultur

Professor Dr. Heiner Bielefeldt, ehemaliger UN-Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit, stellte in seinem Referat einleitend fest, dass es beim Menschenrecht der Religionsfreiheit umfassend um Gedanken-, Gewissens-, Religions- und Weltanschauungsfreiheit gehe. Das werde reduziert auf „Religionsfreiheit“. Die großen Dramen der Missachtung der Religionsfreiheit mit systematischen Verfolgungen, Vertreibungen, Unterdrückung, Folter, Mord, Entfremdung der Kinder von den Eltern, spielten sich nicht in Europa ab, so Bielefeldt.

Die Herausforderungen der Religionsfreiheit in europäischen Demokratien verortete er in den Veränderungen der Gesellschaft, die nicht durch Anpassung der Strukturen nachvollzogen worden sei (Staatskirchenrecht in Deutschland) und zu faktischer Diskriminierung führen könne, die aber nicht gewollt sei. Es werde von gewissen Politikern eine aggressive Religions- und Identitätspolitik betrieben, mit der Ressentiments mobilisiert würden. Man spreche dann von „Leitkultur“. Das Aufhängen von Kreuzen in staatlichen Räumen werde gefordert und das Schweinefleischessen in Schulkantinen werde zur Ausgrenzung missbraucht: „Kreuz und Kottelet“ laute ein Abgrenzungsslogan, so der ehemalige UN-Sonderberichterstatter.

Bielefeldt beobachte seit einiger Zeit auch Angriffe auf die Religionsfreiheit aus linksliberaler Ecke. Religionsfreiheit werde von diesen Kreisen als antiliberales Recht verstanden und passe deshalb nicht in eine liberale Menschenrechtsagenda. „Man hat Angst, Religionsfreiheit mache Errungenschaften des säkularen Rechtsstaates zunichte“, sagte Heiner Bielefeldt. Diese Position sei untergründig stark im Rechtspopulismus vertreten, aber auch im Feminismus.

Die Forderung der Trennung von Religionsgemeinschaften und Staat sei für ihn negativ besetzt, so Professor Bielefeldt. Es gehe vielmehr um eine bewusste „Abstandnahme“, die der Staat zu Religionsgemeinschaften und Religionslosen pflegen sollte. Säkularismus sollte als raumgebendes Prinzip verstanden werden und nicht als leerer Raum. „Religionsfreiheit ist Begründung für den säkularen Staat“, sagte er. Der Staat habe im offenen Raum eine Gestaltungsaufgabe. Bielefeldt bezog in seinem Referat Stellung für die öffentliche Präsenz von Religion.

Engagierte, mitunter kontroverse Podiumsdiskussion

„Es wird heute schon fast als übergriffig dargestellt, wenn man seine Religiosität noch öffentlich zeigt“, stellte EVP-Nationalrätin Marianne Streiff auf dem Podium fest. Andreas Kyriacou, Präsident der Freidenker-Vereinigung der Schweiz (FVS), gestand Religionsgemeinschaften ihren Platz in der Öffentlichkeit zu. Ihn störte aber die Sonderstellung der Landeskirchen. Der Staat solle religiöse Organisationen gleich behandeln wie andere zivilgesellschaftliche Akteure, beispielsweise Umweltschutz-organisationen. Für Nationalrat Gerhard Pfister (CVP), wäre es durchaus reizvoll zu sehen, wie die Landeskirchen sich ohne staatliche Gelder schlagen würden. „Es würde sie möglicherweise aus einer gewissen Bequemlichkeit herausholen.“

Neben Referaten und Podiumsdiskussion vertieften die Teilnehmer die Rolle von Religion in der Öffentlichkeit in verschiedenen Workshops. Diskutiert und Lösungsansätze skizziert wurden etwa zu den Fragen, ob und wie sich religiöse Vertreter zu assistiertem Suizid äußern sollen und wie sich die häufig in die Sektenecke geschobenen Freikirchen von dieser Diskriminierung befreien können.

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