Überraschendes ereignete sich gleich zu Beginn. Der Vortrag fand im in jenem Haus im südhessischen Heppenheim statt, in dem einst der bekannte jüdische Religionsphilosoph Martin Buber, Großvater von Frau Buber Agassi, wohnte. Im Jahr 1938 war er mit ihr zusammen vor den Nazis nach Jerusalem geflohen. Karl Netzer aus dem Publikum stand auf, ergriff das Wort und bewegte so den Referenten dazu, seine gerade begonnene Rede gleich wieder abzubrechen.
Dies sei das Haus in dem seine gute Freundin Judith Buber Agassi geboren wurde, sagte er und ging dabei im Saal nach vorne. Frau Professor Buber Agassi wolle die Arbeit des Vereins Friedensmal Wendepunkt unterstützen, führte er weiter aus. Dann überreichte er dem Referenten eine Beitrittserklärung von ihr. Er habe ihr das Friedensmal vorgestellt und sie war von der Arbeit so angetan, dass sie dem Verein beitreten wollte. Frau Professor Buber Agassi ist Ehrenbürgerin der Stadt Heppenheim und sie arbeitete weltweit an renommierten Universitäten im Fachbereich Soziologie.
Die Freude im Gesicht des Referenten war nicht zu übersehen. Nun konnte der Vortrag beginnen. Es war eine spannende zweieinhalbstündige Veranstaltung über die Entwicklungsgeschichte und die Motivation beim Jerusalem Friedensmal. Die Idee für dieses "Friedensmal für Deutschland" war Im Jahr 1998 entstanden. Zunächst für Berlin geplant, sah es dann so aus, als könne es in der katholischen Hochburg Fulda verwirklicht werden. Nach dem Hohmann-Skandal hätte dies jedoch keine Chance mehr gehabt, führte Thomas Zieringer aus. Schließlich wurde es im südhessischen Bensheim von den Behörden genehmigt.
Mehrfach wäre das Projekt auf seinem 16-jährigen Weg beinahe gescheitert. Es gab viel Widerstand, aber eben auch engagierte Zustimmung, sagte der Referent. Eine Aktion für das Jerusalem Friedensmal schaffte es sogar mit der Aussage "The opposite of the Holocaust is in a sense the idea of Jerusalem" auf die Titelseiten von international renommierten israelischen Zeitungen.
Es gab Probleme mit Vandalismus und Antisemitismus. So wurde vor Kurzem bei Bauarbeiten ein voll beladener Anhänger, der mit weniger als 5 Mann gar nicht zu bewegen ist, den Berg hinuntergestoßen und der Sachschaden war groß. Der Referent schilderte, dass auf Facebook eine Aktion für das Friedensmal in Deutschland unmöglich war, weil sie dort wegen eines überhandgenommenen Antisemitismus abgebrochen werden musste. Dann wurde die Aktion mit den gleichen Aussagen auf Facebook in den USA und Israel durchgeführt, wo sie sehr erfolgreich war. Innerhalb von 2 Wochen konnten über 10.000 Menschen in Diskussionen einbezogen werden.
Der Referent erläuterte den Namen des Denkmals. Der Name "Jerusalem" sei ganz bewusst als ein Bekenntnis zu einer jüdischen Wurzel unserer Kultur gewählt. Es müsse selbstverständlich werden, das so auszusagen. So sei zum Beispiel "unsere" Symbolik vom Baum des Lebens - das zentrale Element des Friedensmals - aus dem Judentum in unsere deutsche Kultur gekommen.
Das Friedensmal sei ein Denkmal, das für das Leben stehe und auch da passe das Bekenntnis zur jüdischen Wurzel, weil das Judentum vom Selbstverständnis her eine Religion des Lebens sei und auch die jüngere deutsche Geschichte daran nichts ändern könne. Würden wir uns darüber bewusst sein, wie viel uns mit dem Judentum verbindet, würden wir nochmals eine andere und eigene Betroffenheit über den Verlust empfinden, den die Nazi-Herrschaft für die deutsche Kultur bedeutete, sage Thomas Zieringer.
"Yerushalayim", hebräisch für Jerusalem, ist auf einem (Ge)-Denkstein zu lesen. Das sei als Metapher zu verstehen. Das "himmlische Jerusalem" sei Ausdruck einer Friedenshoffnung. Es bezeichne nicht die Welt, wie sie heute ist, sondern es sei dem Menschen eine Ermutigung, darauf hin zu leben und das gehe nur mit dem Herzen. So sei auch die ganze Denkmalgestaltung darauf hin ausgelegt, die Herzen der Menschen zu erreichen.
Der Anspruch des Friedensmals "Erinnern alleine reicht nicht" mache darauf aufmerksam, dass zum Gedenken an eine dunkle Vergangenheit unbedingt auch die Zeichen der Hoffnung und neuen Lebens gehören, soll Erinnerung nicht zum Selbstzweck werden. Es gehe nicht um eine Entscheidung "Mahnmal oder Friedensmal", sondern um ein Verständnis, dass sich beides in einer Gesamtheit so ergänzt, dass es zusammen Herz und Verstand erreicht. Es soll eben auch keinen "Schlussstrich" in den Herzen der Menschen geben, weil sie als Schuldgefühl missverstehen, was eigentlich eine positive Verantwortung für das Leben heute meint.
Die Inschrift "Wo sich Staub zu Licht wandelt" auf einem Gedenkstein des Jerusalem Friedensmals soll gerade das zeigen, sagte der Referent. Der Satz stammt aus einem Gedicht der jüdischen Literaturnobelpreisträgerin Nelly Sachs. Sie hatte die Shoa überlebt und formulierte danach in ihrem Gedicht "Chor der verlassenen Dinge" so: Ihr Zuschauenden, die ihr keine Mörderhand erhobt, aber die ihr den Staub nicht von eurer Sehnsucht schütteltet, die ihr stehenbliebt, dort, wo er zu Licht verwandelt wird.