- Zulieferer BOSCH hat bereits 2006, zusammen mit den Fahrzeugherstellern Audi, BMW, Daimler und VW, Strategien, in Kenntnis der Unzulässigkeit der Funktionen, besprochen und bestimmt.
- Auf Rechtswidrigkeit wurde seitens von Bosch explizit hingewiesen.
- Behauptung der Automobilhersteller, Abgasstrategien seien zulässig, durch neue Dokumente eindeutig widerlegt.
„Aus den Unterlagen ergibt sich eindeutig, dass der Zulieferer Bosch bereits im Jahr 2006 zusammen mit den Fahrzeugherstellern Audi, BMW, Daimler und VW Strategien in Kenntnis der Unzulässigkeit der Funktionen besprochen und bestimmt haben. (…) Dabei wurde festgelegt, dass die Verantwortung und spätere Rechtfertigung allein bei den Kunden (Fahrzeugherstellern) liegen soll und die Abgasstrategien nur nach den Wünschen des jeweiligen Herstellers angefertigt wurden. Wir werden die neuen Tatsachen in den nächsten Tagen in all unsere offenen Verfahren einführen. Das sind mehrere tausend. Gleichzeitig werden wir prüfen, ob die neue Beweislage sogar Auswirkungen auf gerichtlich bereits entschiedene Fälle hat. Der wirtschaftliche Schaden durch fehlerhafte Gerichtsentscheidungen, die auf nun nachweislich falschen Annahmen beruhen, dürfte immens sein.“, so Philipp Caba, Vorstand von Gansel Rechtsanwälte. „Darüber hinaus geht aus den Unterlagen eindeutig hervor, dass die Fahrzeughersteller bewusst, d.h. in Kenntnis der Unzulässigkeit, aus wirtschaftlichen Erwägungen illegale Abgasstrategien beauftragt und genutzt haben.“
Die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche von Verbraucher:innen vor Gericht sollte dadurch einfacher werden. Grund hierfür ist der in Deutschland geltende „Beibringungsgrundsatz“ vor Gericht. Nun kann der Tatsachenvortrag in den Zivilverfahren, mit den neu veröffentlichten Dokumenten der DUH, belastbar gestützt werden und die Behauptungen der Automobilhersteller widerlegt werden.
Bis zu 5 Millionen Fahrzeuge betroffen – hohe Erfolgsaussichten vor Gericht
Die Deutsche Umwelthilfe spricht in ihrer Pressemitteilung vom 17.11.2022 davon, dass die Klagen, die vor dem Verwaltungsgericht Schleswig bereits im Februar 2023 verhandelt werden, insgesamt 119 Fahrzeugmodelle umfassen und dadurch geschätzte 5 Millionen Fahrer:innen betreffen wird. Die Ausweitung des ohnehin gigantischen Abgasskandals mit mehreren Hunderttausenden zurückgerufenen Fahrzeugen sowie finanziell entschädigten Halter:innen, ist also bereits absehbar.
Philipp Caba, Vorstand von Gansel Rechtsanwälte, fasst die neue Dimension der Entwicklungen wie folgt zusammen: „Kunden von BOSCH waren ja offensichtlich nicht nur VW, Audi, Porsche und Daimler Chrysler. Sondern auch BMW, Opel, Toyota und Fiat, was sich ebenfalls aus den Dokumenten ergibt. Die Unterlagen bieten folglich gerade in Verfahren gegen Autohersteller wie BMW, Fiat oder Opel, die bislang weniger im Vordergrund der Ermittlungen standen, erstmalig handfeste Belege zum Nachweis der Kenntnis über den Einsatz unzulässiger Abschaltstrategien.“
Wie viele neue Fälle dadurch insgesamt hinzukommen werden, lässt sich derzeit nicht seriös vorhersagen. Sicher ist sich Caba aber darin, dass „sich die Erfolgsaussichten der betroffenen Dieselfahrer:innen massiv verbessern, da sie durch die Unterlagen endlich wasserdichte Beweise haben.“ Hinzu kommt die für die Kläger:innen günstige Entwicklung der Rechtsprechung auf europäischer Ebene.
Menge an Strategien deutet auf kriminelles Handeln
Die sogenannte temperaturgesteuerte Abschalteinrichtung (Thermo- oder auch „Betrugsfenster“ genannt) ist eine im Auto verbaute Technik, die anhand der Außentemperatur die Abgasreinigung beeinflusst. So ist zum Beispiel geregelt, dass bei einer Zahl von Dieselfahrzeugen der betreffenden Manipulationsmodelle die Abgasreinigung nur bei Temperaturen zwischen 20 und 30 °C ohne Einschränkung arbeitet. Temperaturen, die üblicherweise in Prüfsituationen herrschen. Außerhalb dieses Temperaturfensters wird die Abgasreinigung gemindert oder sogar ganz abgeschaltet. Auf den Prüfständen blieb diese Abschalteinrichtung deshalb lange unentdeckt, da in Prüfsituationen bislang Temperaturen um die 25 °C vorgeschrieben waren.
Durch die nun veröffentlichten Dokumente der Deutschen Umwelthilfe wird das gesamte strategische Gebaren der Automobilhersteller deutlich. Diese legen nämlich offen, dass es bis zu 44 unterschiedliche Abgasstrategien – je nach Kunde von BOSCH – seit 2006 gegeben haben muss. Die bloße Anzahl beweist: Die Abschaltung der Abgasreduzierung im Normalbetrieb war nicht das Werk einzelner Ingenieure, sondern das Ergebnis eines strategisch angelegten Betrugs auf Führungs- und Vorstandsebene über Jahre hinweg. „Der Einblick in die Gestaltungsvielfalt aller Strategien, insgesamt 44, lässt gar keinen anderen Schluss als profitgesteuerte Manipulation mehr zu. Kein Gericht dürfte das nunmehr noch anders sehen können.“, so Philipp Caba weiter.
Gansel Rechtsanwälte wird, nach der gestrigen Pressekonferenz der DUH samt aller Enthüllungen, die Situation umgehend und mit einem Expertenteam prüfen und dann schnellstmöglich über alle juristischen Optionen betroffener Fahrzeughalter:innen informieren.
Weitere Informationen unter https://www.gansel-rechtsanwaelte.de/.