Ziel
Zunächst soll ein grundlegendes Verständnis des vierfüßigen Kletterns erarbeitet werden. Die Ergebnisse sollen zu einem biologisch inspirierten Kletterroboter führen. Erstmals soll unter Anwendung verschiedener Analysetechniken eine systematische Untersuchung des Kletterns unter kinematischen und dynamischen Aspekten erfolgen.
Technisches Ziel des Verbundprojekts ist die Entwicklung eines kleinen bis mittelgroßen Kletterroboters nach dem Vorbild kletternder vierbeiniger Wirbeltiere.
Die Maschine soll folgenden Anforderungen genügen:
- Kletterfähigkeit auf Substraten mit variablen Durchmessern (Leitungen, Masten, Rohre)
- Autonome Bewegungsfähigkeit (möglichst eigene Energieversorgung; lokale, regionale und zentrale Intelligenz)
- Steuerbarkeit und Datenaustausch kabellos (zentrale Intelligenz)
- Nutzlasttragfähigkeit zur Aufnahme von Sensoren, die Informationen aus der zumeist technischen Umwelt aufnehmen und drahtlos weiterleiten (zum Beispiel Kamera und Beleuchtung, Thermosensoren, Chemo-Sensoren)
- Zugfähigkeit für das Nachziehen von leichten Hilfsseilen
- Erweiterungsfähigkeit als Plattform für manipulative Fähigkeiten.
Mit dem Projekt "InspiRat" soll der Nachweis der Einsetzbarkeit eines Kletterroboters nach dem Vorbild eines kleinen Wirbeltiers für zwei ausgewählte Applikationsszenarien erbracht werden. Diese Szenarien zielen insbesondere auf Einsatzbereiche, die für eine Inspektion durch den Menschen nicht oder nur schwer zugänglich sind (enge Kabel- und Rohrleitungsschächte).
Technologie
Bisherige Kletterroboter sind für die Inspektion und Reinigung glatter Wände (Fensterscheiben, Beton- oder Stahlflächen) mit Saugnäpfen ausgelegt. Ein Beispiel hierfür ist die Roboterplattform SIRIUS, die am Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung (IFF, Magdeburg) als modularer Kletterroboter für die Bewegung an für den Menschen schwer zugänglichen Flächen entwickelt wurde. Eine weitere ähnliche Entwicklung findet am Institute TAMS (Technical Aspects of Multimodal Systems) der Universität Hamburg statt. Diese Maschinen brauchen jedoch immer ein glattes und weitgehend ebenes Substrat, um die Haftung durch Saugnäpfe zu gewährleisten.
Einen der ersten Versuche der Umsetzung von Haftmechanismen auf einem Klettersystem hat die Gruppe des "Polypedal Lab" (University of Berkeley, US-Staat Kalifornien) um Prof. Dr. Robert J. Full unternommen. Der Roboter "MechoGecko" haftet auf dem glatten Substrat allein aufgrund der Mikro-Adhäsion von speziellen Haftpads. Allerdings ist die bisher großteils verwendete Kinematik der Beine mit dem Freiheitsgrad f = 1 nicht geeignet, um anspruchsvolle Kletter- und Greifaufgaben zu erfüllen. Zum Klettern in komplexeren Umgebungen sind Beine mit einem größeren Freiheitsgrad unabdingbar.
Der Einsatz von hochbeweglichen Extremitäten stellt eine Neuerung und auch Herausforderung in diesem Bereich der Robotik dar. Zentrale Aufgabe wird die Integration von intelligenten Mechanismen in die Maschine sein, um den erforderlichen Steuerungsaufwand zu minimieren und die Anzahl von energiebedürftigen Antrieben so gering wie möglich zu halten.
Viele kleine Wirbeltiere sind gute Kletterer. Um die Prinzipien zu verstehen, die hinter diesen Fähigkeiten stecken, werden in Jena die Grundlagen zur Biologie des Kletterns erforscht. Mit einer weltweit einzigartigen, biplanaren Hochgeschwindigkeits-Röntgenvideoanlage können Jenaer Zoologen den Tieren "unter die Haut schauen" und die Bewegung des Skeletts genau untersuchen.
Eine konventionelle Bewegungsanalyse mit Hilfe von Markern an der Oberfläche der Tiere liefert nur begrenzt aussagekräftige Ergebnisse - speziell hochfrequente Bewegungsanteile können dabei nicht aufgelöst werden. In Jena können dreidimensional bis zu 1000 Bilder in der Sekunde aufgenommen werden. Diese mehrdimensionale, schnelle Aufnahme ist für die Analyse der Bewegung kleiner Tiere notwendig. Die Anlage wurde in Zusammenarbeit mit dem Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, den Zoologen der Universität Jena und der Siemens AG entwickelt.
Mit seinen Kenntnissen über bionisch inspirierte Mikroadhäsions- und Greifmechanismen soll Dr. Stanislav N. Gorb vom Stuttgarter Max-Planck-Institut dazu beitragen, dass der Roboter nie die Haftung am Substrat verliert, auf dem er klettert. Die speziell angepassten Oberflächen sollen zur Reibungsmaximierung beitragen.
Die an Wirbeltieren gewonnenen Erkenntnisse in einen kletternden Inspektionsroboter zu übertragen ist Aufgabe der Projektpartner von der Technischen Universität Ilmenau und der Tetra GmbH. Zentrale Aufgabe ist die Integration von intelligenten Mechanismen in die Maschine, um den erforderlichen Steuerungsaufwand zu minimieren und die Anzahl von energiebedürftigen Antrieben so gering wie möglich zu halten.
Das Fachgebiet Biomechatronik bietet durch seine interdisziplinäre Zusammensetzung aus Naturwissenschaftlern und Ingenieuren beste Voraussetzungen dafür, das Gesamtprojekt zu koordinieren.
Anwendung
Betrachtet man den Markt von Systemen für die Kanal- und Rohrinspektion, kann von einem erheblichen und wachsenden wirtschaftlichen Potenzial ausgegangen werden. Die im Schadenfall zum Beispiel durch Brände oder Umweltbelastung entstehenden Kosten übersteigen um ein Vielfaches die Kosten für die Prävention mit automatischen Inspektionssystemen. In Extremfällen können die Schäden nicht mit Geld aufgewogen werden (siehe Brand der Bibliothek "Anna Amalia" in Weimar). Alte wie neue Bauwerke haben Bedarf an hilfreichen technischen Kletterern, die sich vor allem in engen Kabel- und Leitungsschächten bewegen können.
Für den zu entwickelnden Kletterroboter sind weitere Anwendungsgebiete insbesondere zur Kabel- und Leitungsinspektion in den Bereichen Transportmittel (Schiffe, Flugzeuge), technische Großanlagen, Bergbau, Rettungswesen und Erkundungsaufgaben erkennbar.