Vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten
Positiver als in den letzten Monaten sind die Konjunkturmeldungen aus den USA - das passt zu den Vermutungen, dass die Weltwirtschaft zwar eine Delle bekommt, die Rezessionsgefahr aber kleiner geworden ist. Die Forschungsinstitute halten eine ausgeprägte Rezession in den USA mittlerweile für unwahrscheinlich. Die aggressiven Leitzinssenkungen der US-Notenbank von 5,25 Prozent im September auf nunmehr zwei Prozent, das Steuerpaket des Staates und nicht zuletzt der schwache US-Dollar könnten noch ein "Soft-Landing" herbeiführen. Die Ausfuhren der USA stiegen zum Vorjahresquartal um 5,5 Prozent. Insbesondere die Nachfrage nach Ausrüstungsgütern ist deutlich besser als in früheren Rezessionsphasen. Auch wenn die Arbeitslosenquote aufgrund des jüngsten Jobabbaus bei Banken, Baufirmen, Fluglinien usw. auf zwischenzeitlich 5,1 Prozent gestiegen ist (Deutschland 8,1 Prozent), ist die Gefahr eines großflächigen Personalabbaues zuletzt deutlich gesunken. Dies bestätigten auch die Arbeitsmarktdaten vom 2. Mai, die anstelle eines Anstiegs auf 5,2 Prozent sogar einen Rückgang auf 5,0 Prozent meldeten. Insofern stehen die Zeichen gut, dass sich - auch im Hinblick auf die Präsidentschaftswahl - der Konsum in den USA in der zweiten Jahreshälfte festigen wird. Die Börsen jedenfalls gehen aktuell von einer weiteren Stabilisierung der US-Wirtschaft mit allen positiven Konsequenzen für die Weltwirtschaft aus. Auch die englische Notenbank (BoE) hat sich in ihrem aktuellen Stabilitätsbericht hoffnungsvoll geäußert: Demnach könnte die Talsohle der Finanzkrise demnächst durchschritten sein.
Dollar hoch, Gold runter
Wenngleich das Zinsgefälle zwischen USA und Europa nach wie vor gegen den US-Dollar spricht, so hat sich mit dem Anstieg der zweijährigen Renditen von 1,30 Prozent Mitte März auf 2,40 Prozent Ende April einiges deutlich entspannt. Dass der Verfall des Dollars gestoppt sein könnte, lässt sich im Moment auch am Goldpreis ablesen: vom Rekordhoch bei 1050 USD je Unze pendelt sich Gold aktuell wieder auf einem vernünftigeren Level bei rund 850 USD ein. Nicht zuletzt, weil die Spekulanten dem Dollar offenbar wieder mehr zutrauen. Schätzungen gehen davon aus, dass der Dollar im Moment 25 bis 30 Prozent unter seiner tatsächlichen Kaufkraft gehandelt wird. In Europa half der schwache Dollar-Kurs zwar, den Rohstoffpreisanstieg abzufedern, umso problematischer wirkt dieser Effekt jedoch bei deutschen bzw. europäischen Exporteuren, allen voran der Autoindustrie, dem Maschinen- und Flugzeugbau. Wichtig war und ist, dass der freie Fall des US-Dollar abgewendet wird.
Die Preise spielen nicht mit
Was eigentlich nicht ins Bild von der Bodenbildung der weltweiten Konjunkturentwicklung passt, ist die anhaltend hohe Inflation. Sowohl in den USA als auch in Europa macht die Preisentwicklung nicht nur den Notenbankern Sorgen. Die aktuellen Tarifabschlüsse und der Fachkräftemangel in Deutschland (öffentlicher Dienst, Post) lassen bei rückläufigen Arbeitslosenzahlen nicht vermuten, dass die Gefahr demnächst gebannt sein könnte. Hoffnungsvoller sieht es diesbezüglich in den USA aus, wo der Anstieg der Arbeitslosenquote von 4,5 Prozent vor einem Jahr auf nunmehr fünf Prozent den Gewerkschaften Gegenwind liefert. Entlastung dürfte also eher aus dem Lohn-, als aus dem Rohstoffsektor kommen. Die Energie- und Rohstoffpreise sind zwar Anfang Mai endlich wieder zurückgekommen, an der Tankstelle werden dennoch viele private Konsumvorhaben vereitelt. Der Rückgang der deutschen Einzelhandelsumsätze im März mit -6,3 Prozent bestätigt diesen Anfangsverdacht. Allerdings hatte der März 2008 drei Werk-, sprich Einkaufstage weniger als der März 2007 und zusätzlich hatte sich wahrscheinlich so manche "Kriegskasse" zu Ostern (23. März) noch nicht ausreichend vom Weihnachtseinkaufen erholt. Der GfK-Konsumklimaindex vom vergangenen Dienstag sah für Deutschland jedenfalls überraschend positiv aus. Wenn die jüngste Konsolidierung von 120 auf 110 USD/Barrel am Rohölmarkt anhalten sollte, könnte das die Verbraucher weiter entlasten und die wirtschaftliche Entwicklung zumindest im zweiten Halbjahr stimulieren.
Banken auf der Gewinnerseite?
So komisch es klingt. Ausgerechnet die Banken, allen voran die Institute in den USA, könnten von den aktuellen Entwicklungen am Kapitalmarkt mit am stärksten profitieren. US-Banken können nun ihre maroden ABS-Bestände an die Fed abgeben und erhalten im Gegenzug billige Liquidität, die sie gleichzeitig mit hohen Risikoaufschlägen an deren Kunden ausleihen. D.h. die Zinsmarge hat sich deutlich verbessert, wodurch sich ausgerechnet das Zinsergebnis, das in den vergangenen Jahren kaum noch zum Gesamtergebnis der Banken beigetragen hat, beflügelt wird. Nicht umsonst entdecken die Landesbanken, aber auch die Großbanken plötzlich wieder den Mittelstand und das "Massengeschäft". Im Investmentbanking wurden gleichzeitig tausende Jobs gestrichen, was die künftigen Personalkosten entlastet. Die enormen Gewinne aus dem Investmentbankingsektor gehören freilich vorerst der Vergangenheit an. Zudem rechnen wir mit einer Konzentrationswelle in der Bankenlandschaft, aber auch mit einem wieder anziehenden M&A-Markt: Unternehmen mit gutem Standing und guter Bonität, wie z.B. die Deutsche Bank, bereiten sich mit Kapitalerhöhungen schon auf entsprechende Übernahmen vor. Eine genauere Betrachtung des Bankensektors macht vor diesem Hintergrund jedenfalls Sinn.
Volatilität könnte zurückgehen
Gründe, um schwarz zu sehen, gab es in den letzten Monaten genug. Verstärkt werden die Marktbewegungen nach oben wie nach unten von der naturgemäß sehr prozyklischen Einschätzung von Volkswirten, Bankanalysten, Unternehmenslenkern, etc. Die Industrie zeigte sich aber bislang weitgehend unbeeindruckt. Die Maschinenbauer sprachen angesichts voller Auftragsbücher (ebenfalls nicht antizyklisch) auf der Hannover Messe sogar von weiteren zehn Rekordjahren, die vor ihnen stünden - trotz starkem Euro. Auch wenn die amerikanische im Gegensatz zur englischen Notenbank nach wie vor erhebliches Stresspotential an den Märkten sieht, hat sich das Börsenwetter aktuell deutlich aufgehellt. Wir bleiben daher bei unserer Empfehlung vom Vormonat:
Der Einstiegszeitpunkt ist gut, aber man sollte noch nicht alles auf eine Karte setzen.
Helmut Knestel ist Fondsmanager der unabhängigen Vermögensverwaltung GECAM AG und mitverantwortlich für das Portfoliomanagement der fünf GECAM Dachfonds. Sein Marktkommentar erscheint monatlich.