Horst Köhler nutzte seine Rede für eine deutliche Analyse der bisherigen Arbeit von Banken: "Ein erdrückender Anteil ihrer Finanztransaktionen erfüllt keinen mit der realen Wirtschaft und mit vernünftigen Anliegen nachhaltiger Entwicklung verbundenen Zweck." Den sich immer weiter verschärfenden Hochfrequenzhandel der Finanzindustrie verurteilte er in ungewohnt scharfer Form. Der Handel habe nichts zu tun mit der Wertschöpfung für eine bessere Welt, "sondern verkündet die Herrschaft des Geldes von Wenigen mit Maschinen. Daher sollte er abgeschafft werden."
Die Politik ermahnte er, stärker als bisher darüber nachzudenken, die nationale Souveränität vor dem Hintergrund der globalen Abhängigkeiten neu zu definieren: "Nationale Interessen müssen sich künftig einordnen ins globale Gemeinwohl." Es sei die Aufgabe der Staaten, die Bankenregulierung noch stärker als bislang voranzutreiben. Denn als Präsident des Internationalen Währungsfonds habe er gelernt, welche Finanzsysteme in der Welt aufgebaut werden und dass sie nur wenigen zugute kommen. "Aber alle müssen die Risiken des Scheiterns oder der Krisen tragen - das ist nicht in Ordnung", so Köhler.
Bundestagspräsident Norbert Lammert kritisierte die einseitige Regulierung des Bankensektors durch die Politik: "Eine Gesellschaft, die moralische Ansprüche kodifizieren muss, und die in gesetzliche Verpflichtungen umsetzen muss, was sie an sozialem Verhalten von ihren Mitgliedern erwartet, hat schon verloren." Diese Schlacht könne auf dem Feld der Gesetzgebung sicher nicht gewonnen werden. Vielmehr gelte es in einem breiten gesellschaftlichen Prozess darüber nachzudenken, ob das Maß moralischer Standards und Verhaltensmuster, ohne das auch Wirtschaftsunternehmen ihre Glaubwürdigkeit verlören, in unserer Gesellschaft noch hinreichend gesichert sei. In Anbetracht hoher Bonizahlungen und "grotesker Einkommen selbst bei verweigerter Leistung" in der Wirtschaft habe er aber Zweifel daran. In diesem Zusammenhang bezeichnete Lammert die immer größer werdende Kluft der Einkommen in Deutschland als riesiges Problem. "Die Leistungsdifferenzen in unserer Gesellschaft sind bei weitem nicht so groß wie die Einkommens- und Vermögensdifferenzen", sagte der Politiker unter dem Applaus der Gäste.
Auf diese Differenzen verwies auch der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler: "Die Chancen dafür, dass Sie alle gemeinsam und ihre Bündnispartner den Mainstream verändern, statt in ihm aufzugehen, diese Chancen halte ich für ausgezeichnet. Denn erstens ziehen werteorientiert arbeitende Finanzinstitute von vornherein Mitarbeiter an, die mehr wollen als ein Leben auf der Überholspur und fette Boni; sie ziehen Sinnsucher und Sinnstifter an, nicht Goldgräber und Piraten. Und zweitens stabilisiert der Erfolg, den werteorientiertes Banking bewirkt, bei allen Beteiligten das schöne Gefühl: Wir sind auf dem richtigen Weg." - Trotzdem ließen beide Redner keinen Zweifel daran, dass dieser Weg noch lang sein wird und weiter gesellschaftlicher Unterstützung bedarf.
Dieser Weg müsse laut Thomas Jorberg, Vorstandssprecher der GLS Bank, nach einer Energie- und Agrar- nun auch eine Bankenwende beinhalten. "Wenn der Mensch zunehmend dem Geld dient und nicht das Geld dem Menschen, dann wird es Zeit, dass wir eine Wende einleiten." Eine solche Wende bedeute nicht umzukehren, sondern seine Ziele immer wieder zu hinterfragen und auf einem Kurs zu bleiben, der von Werten geprägt sei und deren Wirksamwerden. Dies sei ein langer Prozess. Jorberg: "Wir müssen viele kleine Schritte tun, um die Welt zu verändern."
Dass die GLS Bank bei diesem Weg nicht alleine ist, sondern Teil einer gesellschaftlichen Bewegung, machten die vielen Gäste und Diskussionen während der Veranstaltung deutlich. Die Botschaft, die vom RuhrCongress ausging, war eindeutig: Der Ruf nach einem anderen, sozial-ökologischen Bankenwesen ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Und dort ist die GLS Bank eine Sperrspitze, wie Alt-Bundespräsident Horst Köhler hervorhob und seine Rede mit einem kleinen Augenzwinkern schloss: "Geht es der GLS Bank gut, freut es den Köhler."