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Habemus papam. Und jetzt?

Wir fragen unsere Autoren

(lifePR) (Gütersloh, )
Der neue Papst steht fest. Sind sie mit der Wahl zufrieden?

Hermann Häring:

Unter den gegebenen Voraussetzungen bin ich mit der Wahl zufrieden.

Der Papstname Franziskus signalisiert die Vision von einer Kirche, die für Gerechtigkeit im Weltmaßstab und vor Ort steht. Sein erstes bescheidenes Auftreten lässt auf eine Entschlackung des römischen Prunks in Hofhaltung und Liturgie hoffen. Die Tatsache, dass seit 1272 Jahren der erste Nichteuropäer Papst wird, lässt hoffen, dass der katholische Eurozentrismus konsequent abgebaut wird.

Zufrieden bin ich weder mit dem Alter des Papstes noch mit seiner Wahl durch eine Altherrenriege, die über keinerlei Legitimation durch die Kirchengemeinschaft verfügt. Nach allem, was man bis jetzt weiß, sind seine Auffassungen zu Lehre, Moral und Kirchenstruktur konservativ, d.h. stark fundamentalistisch geprägt. Aber eine neue Verantwortung kann Menschen ändern. Darüber muss er möglichst bald Klarheit schaffen. Sonst ist der große Vertrauensvorschuss, den er sich schon beim ersten Auftritt erworben hat, schnell verspielt.

Georg Schwikart:

Die Funktion des Papstes wird absolut überschätzt! Er wird, wie alle Päpste, zum Frieden ermahnen und zur Gerechtigkeit aufrufen - den Lauf der Welt wird das nicht beeinflussen. Was kirchliche Reformen angeht, wäre es völlig naiv, von Papst Franziskus notwendige Schritte zu erwarten. Sympathisch ist mir der Name, den er sich gegeben hat: Franz von Assisi war einer der ganz Großen in der Kirchengeschichte - durch sein alternatives Leben.

Tilman Jens:

Bei aller Zurückhaltung, die ein Protestant in der Kommentierung zu üben hat. Ich denke, es hätte schlimmer kommen können. Ein Mann, der die Weihnacht als Seelsorger in einem argentinischen Knast verbracht hat, macht Eindruck. Über seine Rolle zur Zeit der Militärdiktatur wüsste ich allerdings gerne Genaueres. Da hoffe ich auf eine - gewiss noch ungewohnte - vatikanische Selbstaufklärung.

Welche Herausforderung ist Ihrer Ansicht nach die wichtigste für den neuen Papst?

Hermann Häring:

Die wichtigste Herausforderung ist der Aufbau einer wirklich geschwisterlichen Kirche. Sie setzt die Auflösung innerkirchlicher Monokratien und die Aufwertung dezentraler (kontinentaler bzw. nationaler) Entscheidungszentren voraus. Dabei nimmt die Reform des Papsttums mit all seinen Macht-, Leitungs- und Lehransprüchen eine Schlüsselstellung ein, denn es lebt aus einer antimodernistischen Mentalität und einem Unfehlbarkeitsanspruch, gegen den ein noch so bescheidener Papst nicht ankommen kann.

Georg Schwikart:

Die katholische Kirche ins dritte Jahrtausend hineinzuführen. Das heißt keineswegs Anpassung um jeden Preis, das bedeutet aber ein Ernstnehmen der Realität. Und zur dieser Realität gehört, dass sich der moderne Mensch - weltweit - selbstbestimmt entfalten will. Kirchliche Gängelung, ob in Sachen Sexualität, Rolle der Frau, Lebensform (Ehe, Scheidung, Zölibat, gleichgeschlechtliche Partnerschaft), Ökumene wird nicht mehr akzeptiert. Die Kirche könnte sich als Wegbegleiterin verstehen.

Tilman Jens:

Er wird, das ist fast eine Binse, seine Kirche grundlegend neu ordnen und öffnen müssen. Er muss den systematischen sexuellen Missbrauch in den eigenen Reihen ohne Pardon aufklären. Aber darauf können nur die katholischen Brüder und Schwestern (und gegebenenfalls ein paar couragierte Staatsanwälte) drängen. Aus meiner evangelischen Sicht muss der neue Papst endlich die Ökumene voranbringen. Ein erster Schritt wäre, die in ihrer Überheblichkeit schändliche, von Joseph Ratzinger verfasste Erklärung "Dominus Iesus" zu widerrufen, die uns Protestanten als Christen zweiter Klasse zu denunzieren sucht. Die Zeit der Alleinvertretungsansprüche ist vorbei.

Ist es überhaupt möglich, wirkliche Reformen in der katholischen Kirche durchzusetzen?

Hermann Häring:

Absolutistische Systeme lassen sich nicht durch kontinuierliche Reformen auflösen; dramatische Korrekturen und Brüche sind also unvermeidlich. Wir kommen voran, wenn sich engagierte Gemeinden mit kenntnisreichen Theoretikern und den wenigen reformwilligen Kirchenführern vernetzen, um mit Klugheit Schritt um Schritt zu setzen. Beispiele sind der österreichische "Aufruf zum Ungehorsam" und die "Pfarrei-Initiative Schweiz". Der aktuelle Zusammenbruch der klassischen Pastoral kommt solchen Entwicklungen entgegen, weil es niemanden mehr gibt, der die Gemeinden bevormunden könnte. Dabei hat die Fachtheologie die fundamentalistischen Eckdaten des katholischen Denkens biblisch und historisch zu widerlegen. Musterbeispiele dafür sind die Unfehlbarkeitstheorie, eine männerorientierte Amtstheologie und eine vorneuzeitliche Sexualmoral.

Georg Schwikart:

Nicht, wenn weiterhin das hierarchische Gehorsamsprinzip dominiert. Die Kirche nimmt sich selbst zu wichtig. Jesus hat nicht von Kirche gesprochen, sondern das Reich Gottes verkündet: eine andere Art zu leben und zu glauben. Das Reich Gottes gibt es schon, manchmal ist es sogar innerhalb der Kirche zu spüren, oft aber auch jenseits ihrer Grenzen und Strukturen.

Tilman Jens:

Auch Franziskus hat das Recht auf hundert Tage! Vielleicht setzt der Mann aus Argentinien ja doch überraschende Impulse. Ich fände ein ökumenisches Abendmahl ein eindrucksvolles Zeichen des Neuanfangs. Die katholische Lehre schließt ja Wunder nicht aus.

Literaturtipps:

Dr. Georg Schwikart: Abgekanzelt. Protokoll einer Inquisition. Bereits erschienen (Januar 2013)

Prof. Dr. Hermann Häring: Versuchung Fundamentalismus. Glaube und Vernunft in einer säkularen Gesellschaft. ET: 25. März 2013.

Tilman Jens: Der Sündenfall des Rechtsstaats. Eine Streitschrift zum neuen Religionskampf. Aus gegebenem Anlass. ET: 22. April 2013

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