Möhrle: "Für die weitaus meisten Handwerker ist die Einkommenssteuer identisch mit der Unternehmenssteuer. Eine Erhöhung würde also die regionalen Leistungsträger weiter belasten, während die global operierenden Unternehmen ihre Gewinne in Europa steuermindernd hin- und herschieben können."
Handwerksbetriebe brauchten jedoch Planungssicherheit; alles andere würde die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen - was laut aktuellem Konjunkturbericht viele Betriebe planten - wieder in Frage stellen.
Dramatisch könne sich die Situation auf dem Fachkräfte- und Ausbildungsmarkt dennoch entwickeln: "Wenn es uns nicht gelingt, mehr junge Menschen für eine duale Ausbildung im Handwerk zu gewinnen, dann droht im schlimmsten Fall tausenden Handwerksbetrieben das Aus, weil die alt gewordenen Handwerksunternehmer keine Nachfolger finden", so Möhrle.
Die berufliche Bildung stärken
Das Handwerk unternehme alle erdenklichen Anstrengungen, diese Entwicklung umzukehren. Allerdings erwarte er von der Politik, dass sie das Handwerk unterstütze. Die Gemeinschaftsschule, die Lehrerausbildung, die Berufsorientierung und der Erhalt von Kleinklassen an Berufsschulen - hier müssten viele Räder ineinandergreifen, damit das gelinge.
In diesem Zusammenhang erinnerte er daran, dass das Handwerk bereits vor über zehn Jahren ein Konzept für die Weiterentwicklung des Schulsystems vorgelegt habe: "Konsequenzen aus PISA" sei die Antwort auf den großen internationalen Schülertest gewesen, der die Schwachstellen des deutschen Schulsystems gnadenlos aufgedeckt habe.
Aber auch wenn das Handwerk aus seiner Sympathie für die Gemeinschaftsschule nie einen Hehl gemacht habe, so werde man deren Entwicklung scharf beobachten müssen. So dürfe zum Beispiel die Gemeinschaftsschule nicht zu einem Ausbluten und dem Ende der Realschulen führen. Die berufliche Bildung müsse aber auch an anderen Stellen deutlicher unterstützt werden. Das Land Bayern gehe hier wieder einmal mit gutem Beispiel voran und mache ernst mit der vielgepriesenen Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung.
"Ab dem 1. September 2013 erhalten im Nachbarbundesland alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Meisterprüfung oder einer gleichwertigen öffentlich-rechtlichen Fortbildungsprüfung eine finanzielle Anerkennung des Freistaates in Höhe von 1.000 Euro. Dazu kann ich nur sagen: Baden-Württemberg hat die Studiengebühren abgeschafft, im Gegenzug wäre die Einführung einer Meisterprämie nur gerecht und konsequent. Das wäre in der Tat ein Baustein mit Signalwirkung für den Weg in die berufliche Bildung", so Möhrle.
Das Handwerk: international und regional
Weitere Themen der Vollversammlung waren unter anderem eine Präsentation von Gabriele Hanisch, der stellvertretenden Geschäftsführerin von Handwerk International Baden-Württemberg, sowie Satzungsänderungen.
Hanisch informierte über den Service von Handwerk International und dem Enterprise Europe Network.
Stellvertretend für die acht Handwerkskammern in Baden-Württemberg sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ansprechpartner für die Auslandsmarkterschließung von Handwerksbetrieben sowie Anlaufstelle für Zoll und Export, für Messeteilnahmen, Kooperationen und internationale Projekte.
Auch wenn nur fünf bis acht Prozent der Handwerksbetriebe im Exportgeschäft tätig seien, so Hanisch, so betrage das Exportvolumen dieser Betriebe doch bereits insgesamt rund drei Mrd. Euro; hinzu kämen ca. drei Mrd. indirekte Exportumsätze.
Als Vorbereitung für die Vollversammlungswahlen standen dann noch zwei Satzungsänderungen auf der Tagesordnung. Das betraf zum einen die Sitzverteilung der nächsten Vollversammlung sowie die Anhebung der Altersgrenze für die Wahl in den Vorstand der Handwerkskammer Reutlingen. Während der erste Punkt einstimmig beschlossen wurde, verfehlte der Antrag auf Anhebung der Altersbegrenzung für Vorstandsämter von 65 auf 68 Jahre die notwendige Anzahl von 28 Stimmen knapp (27 Ja-Stimmen, neun Nein-Stimmen und eine Enthaltung).