Die sich zurzeit abzeichnenden Entwicklungen seien nicht gut für das Handwerk. So dominiere die Wahlverliererin SPD in der öffentlichen Diskussion die Koalitionsverhandlungen und beherrsche mit ihren plakativen Forderungen nach einer Rente mit 63 oder der Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns die Verhandlungen in der Öffentlichkeit und baue darüber hinaus mit ihrer Annäherung an die Linke eine Drohkulisse auf. Als Störfeuer für eine einvernehmliche Lösung komme aus dem Unionslager die Forderung der CSU nach einer Pkw-Maut hinzu, die Bundeskanzlerin Angela Merkel noch im Fernsehduell mit Peer Steinbrück vor der Wahl kategorisch ausgeschlossen habe.
Möhrle: „Jedenfalls verstärkt sich der Eindruck, dass die Anliegen des Handwerks oder des Mittelstands ganz allgemein in den Koalitionsgesprächen nicht wahrgenommen werden: Zu befürchten sind insgesamt eher mehr Auflagen und Bürokratie oder etwa auch weitere Steigerungen der Energiepreise.“
Auch auf die Politik der Landesregierung in Baden-Württemberg bezogen fand Möhrle deutliche Worte. Steuererhöhungen seien definitiv der falsche Weg, um den Landeshaushalt zu konsolidieren – dieses Ziel müsse allerdings höchste Priorität haben. „Wir müssen offensichtlich immer wieder darauf hinweisen, dass nicht die Einnahmen das Problem sind – das Problem ist auf der Ausgabenseite zu suchen“, so Möhrle.
Schließlich rechne die Landesregierung ab 2015 mit 400 Millionen Euro Mehreinnahmen pro Jahr durch höhere Steuern. Zusätzlich dürfte im Hinterkopf manch eines Politikers herumspuken, dass der Bund mit Steuererhöhungen Grundlagen schaffen werde, auf denen das Land dann seine mittelfristige Finanzplanung aufbauen könne.
Europäische Kapriolen
Möhrle ging außerdem auf Pläne des Rats und der EU-Kommission zur weiteren Deregulierung so genannter reglementierter Berufe ein. Die Kommission vertrete die Auffassung, dass vor allem der reglementierte Marktzugang bei bestimmten Berufen für die wirtschaftlich schlechte Situation – vornehmlich in den südlichen EU-Staaten – verantwortlich sei. Darunter falle absurderweise zum Beispiel auch der Meisterbrief in den zulassungspflichtigen Handwerken in Deutschland, aber auch der Diplom-Barkeeper und der Diplom-Reiseführer in anderen Ländern.
Auf EU-Ebene werde es von vielen Ländern trotz der guten Arbeitsmarktsituation in Deutschland nicht als zwingend angesehen, dass ein gut funktionierendes duales System notwendigerweise die Regulierung für den Marktzugang von Berufen erfordere. Möhrle: „Schließlich haben wir mit unserer niedrigen Jugendarbeitslosigkeit und unserem Fachkräftepotenzial eindeutige Vorteile gegenüber den Ländern, die ein solches System nicht haben.“
Im Rahmen einer Informationsreise des Beirats des Baden-Württembergischen Handwerkstags (BWHT) nach Brüssel habe auch EU-Energiekommissar Günther Oettinger betont, dass auf EU-Ebene der nach Auffassung des Handwerks zwingende Zusammenhang zwischen beruflicher Marktzutrittsregulierung und dem Erfolg des dualen Berufsbildungssystems nicht immer gesehen werde. Es gelte darum, sich mit Ländern zu verbünden, in denen dieses System ebenfalls Tradition habe oder mit Ländern, die für dieses System offenbar Sympathie hätten.