"Die britische Entscheidung mag enttäuschend sein", meint Harald Herrmann, Präsident der Handwerkskammer. "Man muss aber eingestehen, dass es auch bei einem Verbleib nicht so hätte weitergehen können wie bisher."
Und Hauptgeschäftsführer Dr. Joachim Eisert spitzt diese Kritik dann leicht polemisch weiter zu: "Vielleicht wird mit dem eines Tages vollzogenen "Brexit" alles besser - denn all die Liberalisierungen und Hürdensenkungen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gingen auf EU-Ebene fast immer vom Vereinigten Königreich aus."
Das habe sich zuletzt auch bei der so genannten "Transparenzinitiative zum Abbau von Berufsreglementierungen" gezeigt. Um ihre Ziele - nämlich letztendlich die Abschaffung einer "geprüften Qualifikation" - dennoch durchzusetzen, wolle die EU nun im Rahmen ihrer neuen Binnenmarktstrategie einen sogenannten Dienstleistungspass kreieren, in dem vermerkt werden soll, was der Gewerbetreibende im Heimatland alles darf.
Angriff auf Grundlagen der Stabilität Hier drohe womöglich die Gefahr, dass er all das dann im Zielland auch ausüben dürfe, wenn dieses den Passinhalten nicht innerhalb einer bestimmten Zeit widerspreche: "Das ist letztendlich die Einführung des im Zuge der Dienstleistungsrichtlinie von uns damals noch erfolgreich abgewehrten Herkunftslandprinzips durch die Hintertür", so Herrmann. So könne man auch die erfolgreichen handwerklichen Strukturen in Deutschland angreifen.
Auch die Überlegungen zu einer "Societas Unius Personae"(SUP), also einer Einpersonengesellschaft mit einem Gründungskapital von einem Euro, gingen in diese Richtung. "Die von der EU-Kommission positiv hervorgehobene Möglichkeit der Online-Gründung eines Betriebes innerhalb von drei Tagen ist nur um den Preis möglich, dass weder die hinter der Gründung stehenden Verantwortlichen, noch die eingereichten Unterlagen überprüft werden", meint Eisert. Dies gehe zu Lasten des gesamten Rechtsverkehrs.
Der Hintergrund sei wohl, dass die EU das Geschäftsleben vordergründig "leichter" machen wolle: Das habe aber zur Folge, dass der Gründer möglichst über keine Qualifikation mehr verfügen müsse (wie etwa den Meister) und er am besten unverzüglich Unternehmer "spielen" könne - ohne Rücksicht auf die vermögensrechtlichen Belange seiner Kunden oder Geschäftspartner, so Eisert weiter.
Handwerkliche Interessenspolitik Scharf kritisiert wurde außerdem der momentane Sachstand eines der wichtigsten rechtspolitischen Vorhaben der Großen Koalition in dieser Legislaturperiode, der so genannten Kostentragungspflicht für den Teileaus- und Wiedereinbau bei der Haftung für Sachmängel.
Der Bundestag möchte das Gewährleistungsrecht zwar in einem für das Handwerk und den gesamten verarbeitenden Mittelstand zentral wichtigen Punkt verbessern. "Allerdings muss diese Regelung "AGB-fest" sein", beharrt Eisert und verweist auf den Bundesrat, der das Handwerk hier unterstützt. Letztendlich gehe es darum, wer die Kosten des Aus- und Einbaus einer fehlerhaft an den Handwerker gelieferten Ware oder mangelhaft bereitgestellten Materials für die Verarbeitung übernehme.
Da große Unternehmen nicht zuletzt wegen ihrer Marktmacht ihre Allgemeinen Geschäftsbestimmungen (AGB) vorschrieben und ihre Haftung inhaltlich weitgehend und zeitlich auf ein Jahr einschränkten, hätten Handwerker kaum eine Chance, ihre Interessen durchzusetzen und würden weiterhin auf ihren Kosten sitzenbleiben.
Die politische Auseinandersetzung um dieses Thema zeige zugleich, wie schwer es mitunter falle, gegen den Großhandel und die großen Industriehersteller erfolgreich handwerkliche Interessenspolitik zu betreiben, so Eisert.