Folglich war auch die anhaltende Corona-Pandemie eines der Themen im schriftlichen Bericht von Präsident und Hauptgeschäftsführer an die 39 Vollversammlungsmitglieder. Aber auch die vergangene Bundestagswahl, Konjunktur, Ausbildungssituation im Kammerbezirk und die Rückzahlung der Corona-Soforthilfe aus dem Jahr 2020 wurden zur Sprache gebracht.
Der obligatorische Rückblick des Präsidenten auf die konjunkturellen Entwicklungen des dritten Quartals fiel positiv aus, denn die zuversichtlichen Erwartungen des Frühjahrs hätten sich weitgehend erfüllt, und zwar quer durch alle Gewerke. Dass die Corona-Krise noch nicht überwunden sei, zeige allerdings die Entwicklung der Einkaufspreise für Material und Vorprodukte, die in manchen Branchen seit Jahresbeginn stark gestiegen seien. „Davon sind vor allem die Bauhandwerker betroffen, die Zulieferer aus dem Metall- und Elektrobereich und die Ausbaubetriebe“, so Präsident Harald Herrmann. „Doch die Handwerksbetriebe in der Region gingen optimistisch ins Schlussquartal.“
Die Gleichstellung von Söhnen und Töchtern gegenüber familienfremden Mitarbeitern in der steuerlichen Absetzbarkeit von finanziellen Aufwendungen für die Fort- und Weiterbildung war ein weiteres Thema, das Präsident Herrmann ansprach. Es sind oft die eigenen, im Betrieb mitarbeitenden Kinder, die den Meisterabschluss anstreben, um später mal den elterlichen Betrieb zu übernehmen: „Die Eltern finanzieren die Meistervorbereitungskurse und die Prüfungsgebühren. Damit wollen sie langfristig auch die Betriebsnachfolge sichern. Als betriebliche Aufwendung darf das in diesen Fällen aber nicht abgesetzt werden. Das benachteiligt speziell Familienbetriebe, die an die nächste Generation übergeben wollen.“ Die Handwerkskammer Reutlingen hat die Sache an den Zentralverband des Deutschen Handwerks, ZDH, herangetragen und die Bitte geäußert, das Thema aufzugreifen.
Hauptgeschäftsführer Dr. Joachim Eisert präsentierte in seinem Bericht die Abschlusszahlen der Lehrlingsverträge zum 31. Oktober 2021. Trotz intensiver Nachwuchswerbung und des größeren Ausbildungsangebots in der Lehrstellebörse – von April bis September waren im Vergleich zu den anderen sieben Kammern in Baden-Württemberg in Reutlingen die meisten Ausbildungsangebote verzeichnet – waren mit 1.757 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen 53 Verträge weniger in der Lehrlingsrolle eingetragen als zum gleichen Stichtag im Jahr 2020. Das mache ein Minus von 2,9 Prozent aus. Deshalb sei es wichtig, mehr junge Menschen zu einer Ausbildung im Handwerk zu bewegen. „Seit dem 1. Januar 2021 sind wir an der Initiative Ausbildungsbotschafter des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg beteiligt. Aktuell konnten wir bis heute 45 Ausbildungsbotschafterinnen und -botschafter für die Einsätze an Schulen gewinnen, die 23 Gewerke repräsentieren. Sie alle trommeln für das Handwerk.“
Ein weiteres Thema, das Eisert aufgriff, war das Rückmeldeverfahren in Sachen Corona-Soforthilfe 2020. „Die Handwerksbetriebe, die im Frühjahr 2020 durch unsere gutachtliche Mitwirkung Soforthilfe bekommen haben, sind nun von einem Schreiben der L-Bank, in welchem sie zur ‚Rückmeldung‘ aufgefordert werden, überrascht worden“. Dieses Verfahren diene dazu, die Förderfälle abzuschließen, die Zahlungen korrekt zuzuordnen, aber auch einen eventuellen Rückzahlungsbedarf festzustellen. Eine Rückzahlungspflicht treffe vor allem diejenigen Antragsteller, die in der ersten Sorge um die Pandemieentwicklung und vor dem Hintergrund der unsicheren Öffnungsperspektiven die Soforthilfe in voller Höhe beantragt hätten, deren Liquiditätsengpass sich im Rückblick dann aber doch nicht als so hoch herausstellte. „Wir können den Unmut der Betroffenen verstehen, aber von Anfang an waren die Förderbedingungen zumindest in diesem Punk klar: Bei der Corona-Soforthilfe handelte es sich um einen bedürftigkeitsabhängigen Zuschuss. Darauf haben wir im Rahmen der Beratungen auch immer wieder hingewiesen“, so Eisert.
Auch der Beschluss des Wirtschaftsplans für das Jahr 2022 war Gegenstand der Winter-Vollversammlung. Zwar weist der neue Erfolgsplan mit den Aufwendungen für die laufende Kammertätigkeit in Höhe von 16,7 Millionen Euro einen Fehlbetrag von ca. 1,7 Millionen Euro aus; nachdem aber die Sommer-Vollversammlung einen Gewinnvortrag auf das kommende Wirtschaftsjahr von knapp 1,5 Millionen Euro beschlossen hatte, müssen zur Deckung aus der sogenannten Betriebsmittel-rücklage lediglich etwas über 225.000 Euro entnommen werden. Diese Verfahrensweise, so Eisert, sei Folge dessen, dass man auch im Jahr 2022 den Beitragssatz noch stabil halten wolle: 145 Euro Grundbeitrag, Zusatzbeitrag 0,9 % vom Gewerbeertrag. Neu, transparenter und verursachungsgerechter sei die Finanzierung des Sonderbeitrags zur überbetrieblichen Ausbildung: die ÜBA-Umlage bemesse sich künftig nach einem Prozentsatz vom allgemeinen Kammerbeitrag (für das Jahr 2022: 35%). Der Berufszuschlag, den es bisher schon gab, wird künftig bei 275 Euro gedeckelt.