Neue Gesetze sowie der Corporate-Governance-Kodex haben seit Ende der 90er-Jahre den Aufsichtsräten zusätzliche Aufgaben gebracht. Sie beteiligen sich an der strategischen Unternehmensplanung, gestalten Reorganisationsprozesse aktiv mit. Die Wissenschaftler des WZB untersuchen in der von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie, ob die Gremien ihren erweiterten Kompetenzen gerecht werden. Dazu haben sie mehr als 1.000 Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter aus den Aufsichtsräten der Unternehmen befragt, die dem 76er Mitbestimmungsgesetz unterliegen.
Die Wissenschaftler attestieren "deutliche Verbesserungen bei der Entwicklung der Leistungsfähigkeit". Diese Leistungsfähigkeit definieren sie als Fähigkeit, die für das langfristige Unternehmenswohl richtigen Entscheidungen zu treffen; als Selbstverständnis eines - trotz heterogener Zusammensetzung - gemeinsam arbeitenden Gremiums und als die Fähigkeit, auf Entscheidungen der Unternehmensleitung Einfluss zu nehmen.
Sowohl die Qualität der Entscheidungen als auch die soziale Integration des Gremiums haben nach Einschätzung vieler befragter Arbeitnehmervertreter in den vergangenen Jahren zugenommen - in großen Aufsichtsräten mit 20 Mitgliedern deutlicher als in kleinen mit 12. Diese Tendenz gilt auch für das Gesamtprofil der Aufsichtsratsarbeit: So charakterisieren knapp 66 Prozent der befragten Mitglieder in einem 20er-Gremium ihren Aufsichtsrat als "eher vorausschauend-beratungsorientiert", 34,5 Prozent nennen die Arbeit "eher rückblickend-kontrollorientiert". Arbeitnehmervertreter in 12er-Aufsichtsräten urteilen zurückhaltender: Nur 54 Prozent attestieren hier eine vorausschauende Strategie. Insgesamt sehen 91 Prozent in den bestehenden Aufsichtsratsgrößen eine Stärke des deutschen Systems.
Ebenfalls von Vorteil sei die heterogene Zusammensetzung des deutschen Aufsichtsrates, so die Forscher. Jede der Gruppen im Gremium verfüge über ein spezifisches Wissensprofil, das nicht ohne weiteres ersetzt werden kann. Vertreter der Anteilseigner hätten etwa Markt- und Kunden- sowie betriebswirtschaftliches Wissen. Die betrieblichen Arbeitnehmervertreter verfügten über internes Organisationswissen. Die Gewerkschaftsvertreter brächten politisches und rechtliches Wissen ein. Keine der Gruppen könne alle Wissensarten allein abdecken, so die Analyse.