Die amtliche Streikstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) registrierte für das vergangene Jahr 166.000 Streikende und 429.000 Streiktage. Pro tausend Beschäftigte fielen damit 12,4 Arbeitstage durch Streik oder Aussperrung aus. Dies ist der höchste Wert seit 1993 - damals lag der Ausfall bei 17,5 Tagen (zur Entwicklung der Ausfalltage im Zeitverlauf siehe Grafik im pdf-Anhang; Link zur PM mit Anhang am Fuß dieses Textes). Die Streikstatistik 2006 spiegelt die breite Beteiligung an den Warnstreiks der Metallindustrie sowie die große Anzahl der Streiktage in den langen Arbeitskämpfen im öffentlichen Dienst wider, so die Analyse von Dr. Heiner Dribbusch, WSI-Experte für industrielle Beziehungen (Detaillierte Daten zur Verteilung von Streikenden und Streiktagen nach Branchen siehe Tabelle 1 im Anhang).
Im europäischen Vergleich ist Deutschland nach wie vor ein sehr streikarmes Land. Dazu trägt nach Analyse vieler Forscher der Flächentarif ebenso bei wie die "sozialpartnerschaftliche Einbindung" durch die Mitbestimmung. Aussagekräftige Daten liefert vor allem die längerfristige Perspektive. Zwischen 1996 und 2005 fielen in der Bundesrepublik im Jahresdurchschnitt 2,4 Arbeitstage pro tausend Beschäftigte aus. Das war noch weniger als in der Schweiz. In Spanien fielen 144,9 Arbeitstage aus, in Italien 86,8, in Frankreich 71,5. In Großbritannien waren es 23,6 und in den Niederlanden immer noch 7,8 Arbeitstage. Bezieht man für Deutschland - Daten aus den anderen europäischen Ländern liegen noch nicht vor - das Jahr 2006 mit ein, steigt die Zahl der Ausfalltage moderat auf 3,3 Tage pro tausend Beschäftigte (siehe Grafik im Anhang).
Allerdings habe sich im letzten Jahr eine deutliche Verhärtung der Arbeitsbeziehungen angedeutet, stellt WSI-Experte Dribbusch mit Blick auf charakteristische Arbeitskämpfe des Jahres 2006 (Übersicht siehe Tabelle 2 im Anhang) fest: "Viele Arbeitskämpfe des letzten Jahres waren nicht gestiegener Streikfreude der Gewerkschaften, sondern dem unternehmerischen Angriff auf tarifliche Standards geschuldet", resümiert Dribbusch mit Blick auf den öffentlichen Dienst. Parallel eskalierten zunehmend Auseinandersetzungen in einzelnen Betrieben: "Spätestens bei Schließungsdrohungen fallen auch in streikarmen Branchen Barrieren gegenüber Arbeitsniederlegungen." Solche "defensiven Arbeitskämpfe" könnten zunehmen, prognostiziert der Experte.