Die Spitzen von Union und FDP haben sich am Donnerstagabend im Kanzleramt nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur auf eine Vereinfachung des Steuerrechts verständigt. Das soll Arbeitnehmern eine Entlastung von insgesamt 590 Millionen Euro im Jahr bringen. Firmen sollen durch weniger Bürokratieaufwand alles in allem vier Milliarden Euro sparen.
Zentraler Punkt der Einigung ist die Werbungskostenpauschale für Arbeitnehmer. Sie soll von derzeit 920 Euro auf 1000 Euro angehoben werden. Das bringt Arbeitnehmern mit geringen Werbungskosten mehr Geld. Alle anderen müssen weniger Einzelbelege beim Finanzamt einreichen, um ihre Werbungskosten - etwa Aufwendungen für Arbeitsmittel - geltend zu machen. Allein diese Anhebung kostet den Staat nach Angaben der Koalition 330 Millionen Euro im Jahr.
Nach Berechnungen des Neuen Verbandes der Lohnsteuerhilfevereine (NVL) bedeutet die Maßnahme für Millionen Arbeitnehmer weder eine Steuerermäßigung noch eine Vereinfachung. Bestenfalls profitiere ein Bürger mit drei Euro im Monat. Dem stünden höhere Beiträge zu den Krankenkassen gegenüber, so dass sich gar keine Entlastung ergebe.
Erleichterungen wurden auch beim Kindergeld sowie bei der steuerlichen Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten vereinbart. Sind volljährige Kinder noch in Ausbildung, arbeiten aber nebenbei, verzichtet der Fiskus bei der Festsetzung des Kindergelds auf eine Einkommensprüfung. Das kostet den Staat 200 Millionen Euro.
Auf weitere 60 Millionen Euro verzichtet die öffentliche Hand, weil bei der Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten nicht mehr zwischen beruflich oder privat bedingten Aufwendungen unterschieden wird. Weniger Papierkram soll auch bei der Entfernungspauschale anfallen. Arbeitnehmer können zudem künftig nur noch alle zwei Jahre eine Steuererklärung abgeben.
Dem Koalitionsausschuss lag eine Liste mit insgesamt 41 Punkten zur Steuervereinfachung vor. Dazu gehören auch Maßnahmen wie weniger schriftliche Nachweise und Dokumentationspflichten, mehr elektronische Überweisungen an die Finanzämter sowie zeitnahe Betriebsprüfungen der Unternehmen durch Steuerprüfer.
Die von der Koalition beschlossenen Steuervereinfachungen sollen nach Angaben von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) möglichst schnell greifen. Dazu solle ein Gesetz rasch in den Bundestag eingebracht und verabschiedet werden. Es werde geprüft, welche Maßnahmen rückwirkend zum 1. Januar 2011 in Kraft treten könnten, sagte Schäuble am Donnerstagabend in Berlin am Rande des Spitzentreffens der Koalition.
Kritik kam schon wenig später von der deutschen Wirtschaft. Man begrüße zwar die Absicht, die Unternehmen von Bürokratie zu befreien, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Werner Schnappauf, der «Berliner Zeitung» (Freitag). Diese Reformen nützten vor allem dem deutschen Mittelstand. Die Möglichkeiten für eine wirklich durchgreifende Vereinfachung wurden jedoch mit dem Paket «noch nicht erschlossen», meinte Schnappauf.
In der «Bild»-Zeitung (Freitag) kündigte der stellvertretende Vorsitzende der CDUCSU-Bundestagsfraktion, Michael Fuchs, zusätzliche Änderungen an. «Wir werden versuchen, in der Fraktion noch weitere Vereinfachungen nachzuschieben», sagte er. «Dann könnte die Bürokratie-Entlastung für Firmen sogar fünf Milliarden Euro betragen oder noch höher ausfallen.» Auch der Bundestagsabgeordnete und Obmann der FDP im Finanzausschuss, Daniel Volk, will weitere Vereinfachungen. «Das ist nicht das Ende, sondern erst der Anfang», sagte Volk. «Weitere Schritte der Vereinfachung werden folgen.»