Größere Trauben mit veränderten Inhaltsstoffen könnten zukünftig die Basis für den Weißwein Riesling und den Rotwein Cabernet Sauvignon sein. Das legen Studien aus dem Weinanbaugebiet Rheingau von Yvette Wohlfahrt und Manfred Stoll von der Hochschule Geisenheim nahe. Seit 2014 untersuchen sie Wachstum und Inhaltsstoffe der Rebsorten auf den Versuchsflächen mit 20 Prozent erhöhtem Kohlendioxid (CO2)-Gehalt, wie er für 2050 vorhergesagt wird. Über die Ergebnisse sprach Wohlfahrt am 27. September 2016 auf der FACE2FACE-Tagung in Gießen. Unter dem Motto „FACEing the Future – Food Production and Ecosystems under a changing climate“ trafen sich hier Klimaforscher, die weltweit CO2-Effekte mit „Free Air Carbon Dioxide Enrichment (FACE)“-Systemen untersuchen.
Bereits im zweiten Jahr der Untersuchungen, war unter erhöhten CO2-Bedingungen der Einzel-stockertrag bis zu zehn Prozent höher bei Riesling und bis zu 18 Prozent bei Cabernet Sauvignon. In den CO2-begasten Rieslingtrauben wogen nicht nur die einzelnen Beeren mehr, auch die Traubenstruktur war verändert „Das Kohlendioxid „düngt“ die Pflanzen – durch die gesteigerte Photosynthese gewinnen sie mehr Energie daraus“, sagte Wohlfahrt. Auch gab es mehr Blattmasse bei erhöhtem CO2-Gehalt. „Die unterschiedliche Wuchsform verändert das Mikroklima innerhalb des Rebstockes und kann Vitalität und Inhaltsstoffe der Früchte beeinflussen“, erklärte die Oenologin.
Die in Geisenheim etablierte FACE-Anlage für Sonderkulturen im Freiland ist weltweit einzigartig. Eine ausgeklügelt gesteuerte Forschungs-Infrastruktur setzt rund 70 Reben (Riesling und Cabernet Sauvignon) pro FACE-Ring entweder mit CO2-angereicherter Luft oder Umgebungsluft aus. In insgesamt sechs Ringen untersucht die Doktorandin nicht nur Wachstum und Inhaltsstoffe der Weinreben und der Früchte. In jedem Jahr wird auch ein Wein für jede Rebsorte und Versuchsfläche vinifiziert, um ihn von Experten verkosten zu lassen und zukünftige Änderungen in der Lagerung zu analysieren.
Bei dem für 2050 prognostizierten CO2-Gehalt enthielten sowohl Trauben als auch Most für Ries-ling und Cabernet Sauvignon mehr Gesamt- und Apfelsäure im zweiten Versuchsjahr 2015. Zu-dem enthielten die Moste weniger Zucker. „Geschmacklich konnten wir bislang keine Unter-schiede bei den 2014er Weinen feststellen“, erklärte Stoll, Institutsleiter für allgemeinen und ökologischen Weinbau. „Bei der geschmacklichen Wahrnehmung interagieren unterschiedliche Eigenschaften miteinander. Der Wein muss daher nicht zwangsläufig saurer wahrgenommen werden, nur weil der Gehalt an Weinsäuren höher ist.“ Langfristige Folgen einer erhöhten CO2-Konzentration für den Weinbau und die Weinqualität können die Forscher daher nur vorsichtig abschätzen. Um Wechselwirkungen bei mehrjährigen Pflanzen wie der Rebe und deren Interak-tion mit einem erhöhten Kohlendioxidgehalt auch langfristig beurteilen zu können, laufen in der Geisenheimer FACE-Anlage weitere Untersuchungen.
Verschiedene Forschergruppen der Hochschule Geisenheim arbeiten mit Partnern wie der Justus-Liebig-Universität Gießen und dem Max Planck Institut in Marburg daran, die komplexen Auswirkungen des Treibhausgases CO2 auf Grünland, Wein- und Gemüsebau zu verstehen. Das Projekt FACE2FACE wird durch das Land Hessen im Rahmen der Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz (LOEWE) gefördert.
Tagungsbeitrag
Wohlfahrt Y, Stoll M (2016): Multi-seasonal effects of elevated CO2 on growth and grape quality of Vitis vinifera cvs. Riesling and Cabernet Sauvignon. In: Kammann C., Müller C, Breuer L, Andresen LC, Weigel HJ (Hrsg.): FACEing the future - food production and ecosystems under a changing climate, Book of Abstracts zur FACE2FACE Conference, 26. -29. Sep. 2016 in Gießen, S. 29
Weitere Informationen
Tagung (Programm, Redner): http://www.face2face-conference.org/...
LOEWE-Schwerpunkt FACE2FACE: http://www.hs-geisenheim.de/...
Kontakt
M. Sc. Yvette Wohlfahrt und Prof. Dr. Manfred Stoll
Hochschule Geisenheim
Institut für allgemeinen und ökologischen Weinbau
Von-Lade-Straße 1, 65366 Geisenheim
Telefon: 06722 502-141 (während der Tagung: 0641 99-14886, Tagungsbüro)
E-Mail: Yvette.Wohlfahrt@hs-gm.de