Ein eigenes Computerspiel realisieren, eine Applikation für Smartphones entwickeln, alltägliche Geräte wie Kaffeemaschine oder Kühlschrank in die "Internetwelt" integrieren oder mit einfachen Gesten Funksteckdosen steuern: Mit diesen Aufgaben haben sich im letzten Sommersemester vier studentische Teams der Hochschule Osnabrück befasst. 28 Teilnehmer des Seminars "Software Engineering" - allesamt Studierende der Medien- und Technischen Informatik ab dem 5. Semester - zeigten jetzt auf der Projektmesse Ergebnisse ihrer Arbeit. An Ständen und in Präsentationen führten sie vor, was alles mit passender Software schon heute möglich ist und wie sie die Welt von morgen beeinflussen könnte.
Computerspiele machen Spaß - nicht nur den Spielern, sondern auch den Entwicklern. Das wird deutlich am Stand des Projekts "Aona". Aona ist ein "textbasiertes Fantasy-Browser-Rollenspiel mit wirtschaftlichen und politischen Elementen", erklärt der Sprecher des 8-köpfigen Teams Malte Glüsenkamp und liefert gleich die Geschichte dazu: Der Kontinent Aona wird von Menschen, Orks und Elfen zu gleichen Teilen beherrscht. Der Spieler kann sich bei der Anmeldung einen Charakter erstellen, der einem dieser drei Völker angehört. Im Laufe des Spiels kann er einen Beruf ausüben, eine politische Karriere starten, Geld anhäufen und sich an Schlachten beteiligen. Das Ziel dabei ist, seinem Volk zum Wohlstand zu verhelfen, wobei der Schwerpunkt von "Aona" auf der Kommunikation zwischen den Spielern liegt. "Aona" basiert auf der Programmiersprache Rubi on Rails, mit der sich komplizierte Webseiten schnell entwickeln lassen. Außerdem haben die Studenten andere freie Programme eingesetzt, um ihr Spiel optisch ansprechend und technisch fehlerfrei zu gestalten. Nach sechs Monaten intensiver Arbeit - neben vielen anderen Vorlesungen, Seminaren und Prüfungen - zieht Malte Glüsenkamp eine positive Bilanz: "In diesem Projekt haben wir viel gelernt: Wie komplex die Entwicklung eines neuen Spiels ist; wie das Team aus acht Mitgliedern mit unterschiedlichen Stärken und Interessen am besten funktioniert, und wie viel Spaß Projektarbeit macht." Im nächsten Semester schreiben die acht Aona-Entwickler ihre Bachelorarbeiten. Nach dem Studienabschluss wollen sie das Spiel zur Marktreife führen.
Schon bald auf dem Markt dürfte dagegen eine andere Entwicklung sein: eine App für Smartphones, die Naturfreunden, Familien und allen Neugierigen sogenannte Arboreten näherbringt. Ein Arboretum ist eine Sammlung verschiedener Gehölze, zum Beispiel in Form eines Parks oder Botanischen Gartens. Rund 500 Arboreten gibt es in Deutschland, 100 davon werden auf der Internetseite www.arboreten.de präsentiert, die drei Master-Studierende der Fakultät Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur unter der Leitung von Prof. Dr. Jürgen Bouillon entwickelt haben. Nun haben acht angehende Medieninformatiker die Inhalte dieser Seite so strukturiert, dass Smartphone-Nutzer sich problemlos über Arboreten informieren können. "Wichtig war für uns vor allem, die vorhandenen Informationen gut zu strukturieren und bedienerfreundlich zu gestalten", sagt der Teamsprecher Christian Blomberg. Angezeigt wird beispielsweise, welche Arboreten sich in der Nähe befinden, ob ein Park behindertengerecht ist oder einen Spielplatz hat; man kann eine Favoritenliste erstellen und besuchte Arboreten bewerten. Rund 50 Personen haben die App während der Entwicklungsphase an mobilen Endgeräten getestet - auch im hochschuleigenen Usability Labor. So konnten die Studenten ihre Applikation an Wünsche der Nutzer anpassen. In wenigen Wochen soll die Arboreten-App kostenlos für Android- und iOS-Smartphones zur Verfügung stehen.
Um Zukunftsmusik ging es dagegen im Projekt "SmartHome". Es beschäftigte sich mit der Frage, wie sich Geräte des täglichen Lebens in die neue "Internetwelt" integrieren lassen. "Dafür haben wir drei komplett unterschiedliche Technologien unter einen Hut gebracht: eine Beleuchtungsanlage, eine Wetterstation und einen Schalter, der ohne Strom auskommt - indem er die Energie umwandelt, die beim Knopfdruck entsteht", berichtet der Student Tobias Münch. Anhand einer gemeinsamen Schnittstelle für all diese Geräte, einer neuentwickelten Bedienlogik und -oberfläche hat sein Team die Geräte und die erforderlichen Dienste so beschrieben, dass Computer sie direkt interpretieren können. So können Nutzer ganz ohne Expertenwissen individualisierte Anwendungen nach eigenen Wünschen und Bedürfnissen entwickeln. Zur Umsetzung dieser Idee wurde die Java Enterprise Edition in der Version 6 (JEE6) eingesetzt. Dies deutet schon darauf hin, dass es sich um eine verteilte Applikation handelt. Die Studierenden haben eine sehr komplexe Architektur entworfen und aufgesetzt, um eine möglichst einfache Erweiterbarkeit und Anpassbarkeit des Systems zu realisieren. Das Team zeigte die Anwendbarkeit ihres Systems und stellte heraus, dass sich die gewählte Architektur bei der Umsetzung des Systems sehr bewährt hätte. Tobias Münch wies darauf hin, dass dieses Projekt den Studenten zwar vieles abverlangt, aber auch viel an Erfahrungen gebracht habe.
Wie kann man Geräte mit bloßen Gesten steuern? - Mit dieser Frage befasste sich das vierte Projekt: "Prototyp eines verteilten Mensch-Computer-Interfaces". Samet Misirci und sein Team haben ein kostengünstiges Board entwickelt, das die menschliche Hand erkennt und deren Bewegungen interpretiert. So kann der Nutzer - vor dem Board stehend und winkend - drei verschiedene Steckdosen ein- und ausschalten. Was sich einfach anhört, hat einen komplexen technischen Hintergrund - zum Zuge kommen dabei Handerkennungsalgorithmen, Bildbearbeitung und nicht zuletzt das Zusammenspiel zwischen Board, Server und den Steckdosen. In Zukunft könnten solche Boards weiterentwickelt werden und mit unterschiedlichsten Funktionen beispielsweise behinderten Menschen das Leben erleichtern.
Die Teambetreuer, Prof. Dr. Winfried Gehrke, Diplom-Informatiker Björn Plutka und Prof. Dr. Ralf Tönjes, zeigten sich sehr zufrieden mit den Ergebnissen ihrer Studierenden. Genauso wie der Organisator der Informatikmesse, Prof. Dr. Rainer Roosmann: "Projekte im Seminar 'Software Engineering' sind die letzte große Aufgabe unserer Informatik-Studierenden, bevor sie mit ihrer Bachelorarbeit anfangen. Die tollen Resultate, die unsere Seminarteilnehmer kurz vor Studienabschluss abgeliefert haben, bestätigen uns: Die Kombination von Theorie und Praxis - seit jeher ein Markenzeichen der Hochschulen - ist unabdingbar bei der Ausbildung guter Nachwuchskräfte. Für die Informatik, eine der dynamischsten Branchen überhaupt, gilt es in besonderer Weise."