Laut dem Verband der deutschen Fruchtsaftindustrie (VdF) rechneten die Verarbeitungsunternehmen 2022 mit rund 500.000 Tonnen Streuobst. Aktuelle Daten zur tatsächlich erfassten Menge liegen noch nicht vor. 178 Tonnen hiervon ernteten die 220 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Preisbarometers von Hochstamm Deutschland e.V. Dies entspricht zwar weniger als einem Prozent der Gesamterntemenge in Deutschland, dennoch schafft das einzige bundesweite Preismonitoring im Streuobstbereich Transparenz und zeigt, in welchen Spannweiten – je nach Qualität, abnehmendem Betrieb und Vertrag – Mostobstpreise liegen. Die ausführlichen Ergebnisse finden Sie auf hochstamm-deutschland.de/preisbarometer.
Höchster Preis für Bio-Mostobst
Wie bereits in der letztjährigen Saison ergibt die Auswertung 2022 weite Preisspannen. Der höchste Preis liegt dieses Jahr wieder bei 30 Euro/Dezitonne (Preisangaben in brutto; 1 Dezitonne dt = 100 Kilogramm) in Bayern. Im Gegensatz zu 2021 wurde er dieses Jahr für Bio-Mostobst ausbezahlt. Der niedrigste bezahlte Erzeugerpreis liegt allerdings 24 Euro tiefer bei nur 6 Euro, ebenfalls für Bio-Mostobst und ausbezahlt in Baden-Württemberg. Dass auch konventionelles Streuobst hohe Auszahlungspreise erzielen kann, zeigt eine Meldung aus Nordrhein-Westfalen: Ein Naturschutzverein zahlt dort den höchsten erfassten konventionellen Preis von 27 Euro/dt. Auch dieser liegt über 20 Euro über dem niedrigsten Erzeugerpreis von 5 Euro/dt, ebenfalls in Baden-Württemberg ausbezahlt.
Durchschnittlich erzielten die Lieferantinnen und Lieferanten über die gesamte Saison und deutschlandweit gesehen auf Grundlage der eingegangenen Meldungen aus der Praxis folgenden Durchschnittspreise:
- 11,48 Euro/dt für konventionelles Obst (2021: 9,86 Euro/dt)
- 15,48 Euro/dt für Bio-Mostobst (2021: 16,44 Euro/dt)
Bio und alles ist gut?
Die Durchschnittspreise machen es deutlich: Auch wenn der höchste Auszahlungspreis für Bio-Mostobst gilt, spiegelt der sinkende mittlere Bio-Preis die aktuellen Verwerfungen am Bio-Streuobstmarkt wider. Im Vergleich zur letzten Saison sinkt er ab und nähert sich dem Preis für nicht bio-zertifiziertes Mostobst an. Diese Entwicklung beobachten Streuobstexpertinnen und -experten schon länger. Im vergangenen Jahr berichtete Hochstamm Deutschland e.V. bereits über Meldungen von Mostobstlieferanten, die über kurzfristige Vertragskündigungen für Bio-Mostobst klagten. Auch ein Kommentar im diesjährigen Preisbarometer aus der Praxis macht dies deutlich: „In den letzten beiden Jahren erhielt ich noch zwischen 17 und 19 Euro/dt.“ Der Fachgruppe Keltereien im baden-württembergischen Verband der agrargewerblichen Wirtschaft (VdaW) zufolge stehen die Keltereien in dieser Saison großen Herausforderungen gegenüber: Stark steigende Energiepreise, Engpässe bei Pfandflaschen, Personalnot und sinkende Verbrauchernachfrage nach hochwertigen Säften machen der Fruchtsaftbranche zu schaffen. Außerdem kommt immer mehr (Bio-)Direktsaft aus Plantagen in Polen, u.a. auch, weil die Exportwege nach Osten eingeschränkt sind. Direktsäfte in bio- und konventioneller Qualität waren bisher eine Stärke der deutschen Keltereien. Nun stehen sie einer immer stärkeren Konkurrenz gegenüber, die zu deutlich niedrigeren Preisen auf dem Markt auftritt.
Gerechte Preise für harte Arbeit: Wo liegt der faire Erzeugerpreis?
„Bei der Obsternte bzw. Obstlese per Hand ohne Maschineneinsatz liege ich umgerechnet deutlich unter dem derzeitigen gesetzlichen Mindestlohn. Wenn man die Arbeitszeit für die notwendige Baumpflege noch einrechnet, dann ist es, nüchtern betrachtet, eine unwirtschaftliche Brauchtumspflege. Leider kann ich aber auch nicht dabei zusehen, wie die Bäume verkommen und das Obst am Boden verfault.“ Diese Einschätzung eines Preismelders zeigt das Dilemma der Streuobstbewirtschafterinnen und -bewirtschafter in der Praxis: Hoher Zeitaufwand bei der Produktion steht niedrigen Erzeugerpreisen gegenüber. Das Ergebnis: Der Stundenlohn liegt weit unter dem Mindestlohn. Dies bestätigen auch die Wirtschaftlichkeitsberechnungen von Streuobstbewirtschafter Ulfried Miller. „In richtig guten Jahren wie 2020 komme ich auch schon mal auf einen Stundenlohn von etwas über 6 Euro. Im Durchschnitt der letzten 12 Jahre liege ich aber deutlich unter 4 Euro je Stunde, in einzelnen Jahren habe ich sogar einen Verlust eingefahren. Und das obwohl ich mein Mostobst nicht nur abliefere, sondern über Brände in der Direktvermarktung veredele“, so das ehrenamtliche Vorstandsmitglied von Hochstamm Deutschland e.V. „Streuobst muss mehr gefördert werden, aktuell legen wir jährlich ca. 1.000 bis 2.000 Euro drauf“, so ein weiterer O-Ton eines Streuobstbewirtschafters im Preisbarometer.
Wie gelingen hohe Preise?
Der Preisbarometer zeigt: Das richtige Bundesland, verlässliche Abnahmeverträge und die Zusammenarbeit mit einer Aufpreisinitiative machen einen besseren Mostobstpreis möglich. Gerade die Zusammenarbeit in Netzwerken macht deutlich, welches Potenzial in der Bündelung liegt. Martina Hörmann, Vorsitzende von Hochstamm Deutschland e.V. zeigt sich wenig überrascht darüber und appelliert deshalb in erster Linie an die Bewirtschafterinnen und Bewirtschafter selbst: „Wir haben in Deutschland eine atomistische Angebotsstruktur, das heißt viele Lieferantinnen und Lieferanten treffen auf wenige abnehmende Betriebe. Für eine stärkere Position, die auch Preisverhandlungen ermöglicht, ist ein Zusammenschluss von Erzeugerbetrieben sehr wichtig.“ Aber auch Verbraucherinnen und Verbraucher sind gefragt, mit ihrem Kauf der wertvollen Produkte aus 100 % Streuobstbau dessen Zukunft zu stützen. Hochstamm Deutschland setzt daher gezielt auf diesen Weg. „Wir sind uns sicher, dass Streuobst nur durch aktive und begeisterte Streuobstheldinnen und -helden erhalten bleibt. Deshalb setzen wir auf Erhalt durch Nutzung“, erklärt Martina Hörmann. 2023 führt der gemeinnützige Verein hierfür das erarbeitete Qualitätszeichen für 100 % Streuobstprodukte ein. Die hochwertigen Produkte bieten eine garantierte und zertifizierte Qualität für Verbraucherinnen und Verbraucher und gleichzeitig die Chance auf höhere Preise für die erzeugenden Betriebe.
Und warum? Anlass des Preisbarometers
Für viele landwirtschaftliche Produkte wie Milch, Kartoffeln oder Getreide gibt es regelmäßige Veröffentlichungen zu Erzeugerpreisen. Im Bereich Mostobst aus Streuobst fehlt dem gegenüber eine Preisübersicht in Abhängigkeit von der gelieferten Qualität. Ziel des „Preisbarometers Streuobst“ ist deshalb, Transparenz im Mostobstmarkt zu schaffen – für Erzeugung, Verarbeitung und nicht zuletzt Politik und Gesellschaft. Langfristig sind höhere Mostobstpreise eine wichtige Grundlage für den Erhalt der wertvollen Kulturlandschaft.