Der Saisonverlauf der drei Protagonisten ist dabei völlig unterschiedlich. René Rast kam nach einem verhaltenen Saisonstart erst spät in die Gänge. Sechs Saisonsiege gehen auf das Konto des 33-jährigen Mindeners – davon alleine vier beim vorletzten Saisonmeeting im belgischen Zolder. Und prompt stürmte der Pilot des Audi Sport Team Rosberg mit 304 Punkten an die Tabellenspitze.
Bei Nico Müller ist es genau umgekehrt. Zu Saisonbeginn schien gegen den 28-jährigen Schweizer aus dem Audi Sport Team Abt Sportsline kein Kraut gewachsen. Mit drei Siegen in den ersten drei Läufen setzte sich der Vorjahres-Vizemeister direkt vom Rest der Meute ab. Seither hat Müller zwar zwei weitere Rennen gewonnen, aber auch mehrmals Pech gehabt, sodass er in der Tabelle nun 19 Punkte zurück liegt. Was nach mehr klingt, als es ist – dass ein Nuller in der DTM schnell passiert sein kann, weiß niemand besser als René Rast.
Die Titelchancen des Dritten im Bunde, Robin Frijns, ebenfalls aus dem Audi Sport Team Abt Sportsline, sind angesichts von 41 Zählern Rückstand auf Rast und 56 in Hockenheim noch zu erobernden Punkten eher mathematischer Natur. Doch dafür muss sich der 29-jährige Niederländer auch keine Sorgen mehr um taktische Konstellationen machen. Frijns, der alle seine drei Saisonsiege zu Saisonmitte erobert hat, kann nur noch auf eine Weise DTM-Champion werden – mit vollem Angriff. Das macht ihn im Titeldreikampf zweifellos gefährlich.
Vielleicht ein weiterer kleiner Vorteil für Rast: Er weiß als einziger der drei Aspiranten, wie man einen DTM-Titel erringt, weil ihm dieses Kunststück bereits 2017 und 2019 gelungen ist. Der dritte Meisterschaftsgewinn würde ihn in eine Riege mit DTM-Legende Klaus Ludwig stellen, der bislang mit drei Titeln hinter Rekordmeister Bernd Schneider (5) allein den zweiten Rang in der Ewigen Bestenliste innehatte. Zudem wäre Rast der erste Pilot seit Timo Scheider (ebenfalls Audi) in der Saison 2009, dem es gelänge, einen DTM-Titel im darauffolgenden Jahr erfolgreich zu verteidigen.
Unterschiedliche Herangehensweisen im Titelkampf
Kein Wunder, ist die Herangehensweise des Audi-Trios vor dem Showdown auf dem 4,5 Kilometer langen Grand-Prix-Kurs unterschiedlich. Tabellenführer René Rast fühlt sich seiner Sache keineswegs sicher: „Ich habe natürlich die besten Chancen, weil ich 19 Punkte Vorsprung habe. Aber wie man zuletzt in Zolder gesehen hat, kann noch alles passieren. Zwei Ausfälle oder zwei schlechte Rennen für mich und zwei gute für Nico, dann wendet sich das Blatt wieder. Dennoch gehe ich die Sache eher entspannt an. Ich muss diesen dritten Titel nicht mit aller Gewalt einfahren. Wenn er kommt, dann freue ich mich irre. Aber es ist jetzt nicht so, dass ich sage: Den brauche ich unbedingt und ohne den geht’s nicht. Ich schaue einfach, was passiert.“
Nico Müller hat den Kampf um den Titel beileibe noch nicht aufgegeben: „Ich glaube nach wie vor fest daran und weiß, dass wir das Zeug dazu haben, DTM-Meister 2020 zu werden. Beim Finale gibt’s für mich nur eins: Volle Attacke! Wir starten das erste Mal in dieser Saison in der Verfolgerrolle in ein Wochenende. Sonst waren wir immer die Gejagten. Klar würde ich lieber mit einem Vorsprung zum Finale reisen. Aber ich glaube, es hat auch etwas Positives. Es gibt nur eine Richtung. Man kann voll angreifen und einfach alles geben, um das Ding nochmal umzudrehen. Das wird nicht einfach, aber wir haben noch eine sehr gute Chance. Und bei einem Finale kann alles passieren.“
Robin Frijns derweil sieht seine Chancen äußerst pragmatisch: „Für mich wird es natürlich ziemlich schwierig. Ich werde mein Bestes geben, werde aber sehr viel Glück brauchen. Ich habe nichts zu verlieren. Platz 3 in der Meisterschaft ist mir schon sicher. Also gehe ich „all-in“ und schaue, was passiert.“
Großer Kampfgeist im BMW-Lager
Die Konstellation an der Tabellenspitze bedeutet indessen auch: Die übrigen 12 DTM-Piloten haben beim Finale nichts mehr zu verlieren, aber noch jede Menge zu gewinnen. Sie werden alles daran setzen, um sich mit einem guten Ergebnis in die Winterpause zu verabschieden – und sich dadurch auch für die neue Saison zu empfehlen, wenn die Karten in der DTM dank eines auf GT-Fahrzeugen basierenden Technischen Reglements neu gemischt werden.
„Alles auf Angriff“ lautet daher die Devise nicht zuletzt für die BMW-Piloten, die erst zwei Saisonsiege durch Sheldon van der Linde und Lucas Auer auf dem Konto haben und diese Bilanz beim Finale unbedingt aufpolieren möchten. „Der bisherige Saisonverlauf entspricht in keinster Weise unserem Potenzial. Wir werden alles daransetzen, um in Hockenheim nochmal zu zeigen, was in uns und dem BMW M4 DTM steckt, und den Audi-Jungs einen heißen Tanz zu bieten. Die Rennstrecke ist ja geradezu prädestiniert für tolles Racing“, verspricht Routinier Timo Glock, der zwei seiner fünf DTM-Rennsiege auf dem Hockenheimring Baden-Württemberg gefeiert hat.
DTM-Saisonfinale ohne Zuschauer
In Anbetracht der von Bund und Ländern verfügten Restriktionen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie wird das DTM-Saisonfinale ohne Zuschauer stattfinden. SAT.1 und Internet-Streaming liefern die DTM-Entscheidung auf TV-Bildschirme und Smartphone. SAT.1 im deutschsprachigen Raum sowie TV-Sender in über 30 Ländern übertragen die beiden Rennen am Samstag und Sonntag (Start jeweils um 13:30 Uhr) live. Über das Streaming-Portal DTM Grid (grid.dtm.com) sind auch Trainings und Qualifyings neben einer umfassenden Berichterstattung aus dem Fahrerlager auf TV-Bildschirmen und auf Smartphones zu sehen.