Auch aktuell erhalten Besitzer von Fahrzeugen der Marke Mercedes-Benz, in denen insbesondere Motoren mit der Typenbezeichnung OM 651 und OM 642 verbaut worden sind, weiterhin unerwünschte Post. Hierin wird im Rahmen einer - derzeit noch - „freiwilligen Servicemaßnahme“ oder einer verpflichtenden „Rückrufaktion“ zu einem „Software-Update für Ihren Dieselmotor“ aufgerufen. „Gerade wenn man sich für ein hochpreisiges Fahrzeug aus dem Premiumsegment entschieden hat, möchte man sich natürlich nicht mit einem in seiner Wirkungsweise und seinen Folgen nicht genauer spezifizierten Software-Update abspeisen lassen“, weiß Rechtsanwalt Göpfert aus der Praxis zu berichten.
Zahlreiche Betroffene wollen ihre manipulierten Kfz daher zurückgeben und verklagen die Daimler AG auf Schadensersatz. Da die Manipulationen bei Dieselfahrzeugen der Marke Mercedes-Benz in ihrer gesamten Tragweite erst mehr und mehr ans Licht kommen, kann es noch nicht die „Urteilsflut“ wie gegen die Volkswagen AG in Bezug auf EA189-Motoren geben. „Die haftungsbegründenden Tatsachen sind indessen hier wie dort die gleichen“, stellt Rechtsanwalt Dr. Hoffmann klar. Nachdem bereits zahlreiche Landgerichte den Autobauer in der Haftung sahen, wird es auch in den Berufungsinstanzen für die Daimler AG zunehmend ungemütlich. Denn die Richter an einigen Oberlandesgerichten wollen sich offensichtlich nicht mehr mit dem typischen, völlig pauschalen Prozessvortrag der Daimler AG abspeisen lassen.
So gab das OLG Nürnberg, Az.: 5 U 144/20, bereits mit Verfügung vom 28.05.2020 der Daimler AG auf, die das dort streitgegenständliche Fahrzeug betreffende Rückrufanordnung vorzulegen, wobei die Vorlage vollständig und grundsätzlich ohne Schwärzungen zu erfolgen habe. Mit seiner Entscheidung vom 28.08.2020, Az.: 1 U 137/19, hob das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht ein klageabweisendes Urteil des Landgerichts Lübeck auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung zurück. Das OLG Schleswig kam zu dem Ergebnis, dass dem Kläger ein Schadensersatzanspruch gegen die Daimler AG gemäß § 826 BGB zustehen könne. Es müsse der vom Kläger angebotene Sachverständigenbeweis über die von ihm behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtungen erhoben werden. Dessen Vortrag sei hinreichend substantiiert, so dass eine Beweisaufnahme durchzuführen sei.
Jetzt verurteilte erstmals ein Oberlandesgericht die Daimler AG zu Schadensersatz. Nach der aktuellen Entscheidung des OLG Naumburg vom 18.09.2020, Az.: 8 U 8/20, haftet die Daimler AG dem Käufer eines Mercedes-Benz GLK 220 CDI mit einem Dieselmotor des Typs OM 651 (Euro 5) wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung auf Schadensersatz. In seiner gut begründeten Entscheidung hob das Oberlandesgericht auch hier zunächst hervor, dass der Kläger das Vorhandensein einer Abschalteinrichtung ausreichend substantiiert vorgetragen habe. Der Stuttgarter Autobauer dementierte demgegenüber pauschal das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Mehr wurde nicht zu den Anschuldigungen vorgetragen. „Tauglichen Vortrag zur Funktionsweise der Abgasreinigung gab es von Daimler nicht, obwohl der Senat unter anderem die Vorlage eines Schreibens des KBA und des entsprechenden Bescheids explizit angeordnet hatte. Die Daimler AG ist damit der ihr obliegenden sogenannten sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen und wurde daher verurteilt“, erläutert Rechtsanwalt Dr. Hoffmann.
Nach Auffassung der Nürnberger Rechtsanwälte stehen bereits aufgrund der vom KBA aufgefundenen illegalen Abschalteinrichtungen auch für die betroffenen Kunden die notwendigen Tatsachen zur Verfügung, um Schadensersatzansprüche erfolgversprechend geltend zu machen. Hierbei muss natürlich im jeweiligen Einzelfall genau und sorgfältig gearbeitet werden. In einem durch die Kanzlei Dr. Hoffmann & Partner Rechtsanwälte aktuell gegen die Audi AG erstrittenen Urteil vom 18.08.2020, Az.: 4 O 219/20, stellte das Gericht demgemäß fest, dass „im Gegensatz zu zahlreichen anderen Fällen der Vortrag der Klagepartei hinreichend substantiiert erfolgt“ sei. Vor diesem Hintergrund obliege es nach der zutreffenden Auffassung des Landgerichts der Beklagten, hinreichend substantiiert zu bestreiten. Genau dies sei nicht erfolgt, so dass die Herstellerin auch dort zu Schadensersatz verurteilt worden ist.
Die aktuelle Entscheidung des OLG Naumburg vom 18.09.2020, Az.: 8 U 8/20, zeigt erneut, dass auch Besitzer von betroffenen Dieselfahrzeugen der Marke Mercedes-Benz ihre Schadensersatzansprüche mit aller Konsequenz verfolgen und durchsetzen sollten. Wegen der auch in diesen Fällen drohenden Verjährung ist rasches Handeln erforderlich. Gerade wenn Betroffene über eine Verkehrsrechtsschutzversicherung verfügen, die bereits vor dem Kauf abgeschlossen worden ist, besteht vielfach ohnehin kein Kostenrisiko.