In den letzten Monaten stand ein Thema im Mittelpunkt der Diskussion um den VW-Abgasskandal: die Verjährung Ende 2019. Es kursierten unzählige Meldungen, dass spätestens mit Ablauf des 31.12.2019 Schadensersatzansprüche gegen „Volkswagen“ verjähren. Bleibt also die weit überwiegende Mehrheit der vom Dieselskandal Betroffenen, die nicht bis zum 31.12.2019 gerichtliche oder andere verjährungshemmende Maßnahmen ergriffen haben, auf den Schäden sitzen? Konnten die Verantwortlichen des Volkswagen-Konzerns an Silvester 2019 mit Blick auf die Millionen von bislang unentschlossenen Autobesitzern die sprichwörtlichen „Champagnerkorken knallen“ lassen?
Nach Auffassung der Nürnberger Rechtsanwälte Dr. Hoffmann & Partner, die zahlreiche Geschädigte im Dieselskandal vertreten, lassen sich diese Fragen glücklicherweise mit „Nein“ beantworten. „Entgegen der nahezu einhelligen öffentlichen Meinung sind Schadensersatzansprüche auch für Besitzer der Marken VW, Audi, Seat und Skoda mit Dieselmotoren des Typs EA 189 mit Nichten bereits mit Ablauf des 31.12.2019 verjährt. Vielmehr können diese auch im Jahr 2020 noch erfolgversprechend durchgesetzt werden“, stellt Rechtsanwalt Dr. Hoffmann heraus.
Grundsätzlich gilt die dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB), die gemäß § 199 Abs.1 Nr. 2 BGB ab der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Käufers von den anspruchsbegründenden Umständen zu laufen beginnt. Regelmäßig wird bei der Bestimmung des Fristbeginns pauschal auf ein „Bekanntwerden des VW-Abgasskandals“ im September 2015 abgestellt und damit fälschlicherweise eine Verjährung bereits mit Ablauf des 31.12.2018 konstruiert.
Die Kanzlei Dr. Hoffmann & Partner Rechtsanwälte hatte im Gegensatz zu manch anderer Verbraucherschutzkanzlei seit jeher ganz entschieden die Auffassung vertreten, dass die Mitteilungen des VW-Konzerns Ende 2015 über „Unregelmäßigkeiten“ bei Dieselmotoren des Typs EA 189 nicht geeignet sind, die Verjährung auszulösen. Dies wurde in zwei durch die Nürnberger Rechtsanwälte geführten Verfahren vor dem LG Nürnberg-Fürth bestätigt. In seinen aktuellen Urteilen vom 27.11.2019, Az.: 9 O 3056/19 und vom 28.11.2019, Az.: 9 O 4197/19, entschied das Landgericht, dass Schadensersatzansprüche gegen die Volkswagen AG nicht verjährt sind. VW wurde daher zur vollständigen Rückabwicklung verurteilt.
Die Darlegungs- und Beweislast bei der Verjährung liegt auf Seiten der Volkswagen AG. „Danach müsste VW konkret dazu vortragen, aus welchen Gründen und zu welchem Zeitpunkt Betroffene hätten wissen müssen, dass ihr individuelles Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen ist“, erläutert Rechtsanwalt Dr. Hoffmann. Nach Auffassung der Nürnberger Rechtsanwälte wird eine entsprechende Kenntnis nicht einmal durch die in den Jahren 2016 und 2017 versandten Rückrufschreiben zu Lasten der Autokäufer begründet.
Sehr bedeutsam für die zukünftige rechtliche Beurteilung sind die Ausführungen des LG Nürnberg-Fürth zum Az.: 9 O 3056/19 im Zusammenhang mit dem Verhalten von Volkswagen nach „Bekanntwerden des VW-Abgasskandals“. Nach der völlig zutreffenden Auffassung des Gerichts verfolgte der VW Konzern eine Strategie, bei der die vorgenommenen Manipulationen verharmlost und gleichzeitig eine enge Einbindung der betroffenen Fahrzeugbesitzer in Aussicht gestellt wurde.
Unter diesen Umständen konnte es sich für den Halter eines Fahrzeugs aus dem Konzern der Beklagten keinesfalls aufdrängen, dass er nun seinerseits tätig werden musste, um seine Rechte zu wahren. Die Kanzlei Dr. Hoffmann & Partner Rechtsanwälte hatte insoweit bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass der Verjährungseinrede von VW ihrerseits die Einrede des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens entgegensteht.
Rechtsanwalt Göpfert ergänzt in diesem Zusammenhang: „VW möge sich doch einmal ernsthaft die Frage stellen, weshalb ein Kunde Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der Verwicklung des Vorstands in die Abgasmanipulationen gehabt haben soll, wohingegen der Konzern in allen anhängigen Zivilverfahren bis heute die Kenntnis der Vorstandmitglieder abstreitet.“
Es zeigt sich also, dass auch Betroffene des VW-Skandals, die bis zum 31.12.2019 noch keine gerichtlichen Maßnahmen ergriffen haben, weiterhin nicht zögern sollten, ihre Ansprüche durchzusetzen. Gerade wenn Autobesitzer über eine Verkehrsrechtsschutzversicherung verfügen, die bereits vor dem Kauf abgeschlossen worden ist, besteht vielfach ohnehin so gut wie kein Kostenrisiko.