Nicht nur mit dieser Fragestellung, sondern mit noch weit mehr interessanten Einblicken in die Entwicklungsgeschichte von den allerersten Anfängen bis heute befasst sich Prof. Dr. Josef Kurz von den Hohensteiner Textilforschungsinstituten in Bönnigheim in seinem neuesten Buch mit dem Titel „Französische Wäsche und deutsche Textilreinigung“.
Auf insgesamt 366 Seiten zeichnet der Autor nach, wie sich aus dem Zusammenwirken politischer, gesellschaftlicher, ökonomischer und technischer Umbrüche in Europa eine ganze Branche herauskristallisieren konnte: „Für uns ist es heutzutage eine Selbstverständlichkeit, mit perfekt gepflegter und gereinigter Kleidung in Erscheinung zu treten. Das war nicht immer so. Lösemittel, Maschinen, Geräte und vor allem aber Menschen haben seit dem Jahre 1825 dafür gesorgt, dass die Reinigung von Textilien aller Art auf immer einfachere Weise zu bewältigen war.“
Übrigens ebnete Napoleon Bonaparte zusammen mit seiner damaligen Frau Josephine durch sein nach der Französischen Revolution neu geschaffenes Sauberkeitsideal den Weg für eine neuartige Wäschepflege. Fünfzig Jahre zuvor galt Baden noch als ungesund und mit der textilen Hygiene war es auch nicht zum Besten bestellt. Wie also sollten die mit der Wäschepflege Betrauten ohne große Erfahrung die neue Herausforderung „saubere Kleidung“ meistern? Noch dazu unter Berücksichtigung von Krinolinen, Spitzenbesätzen, Reifröcken und Schleppen?
In dieser Situation gründete der französische Färbermeister Jolly Belin um 1825 bei Paris den ersten Laden zur Annahme von Kleidung zum Reinigen in Terpentinöl. Damit wurde er zum Erfinder der Chemischreinigung. Zwar war bereits schon seit 1716 die fettlösende Wirkung von Terpentinöl dokumentiert, jedoch erst mit seinem Preisverfall zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde es möglich, Terpentinöl in großen Mengen gewerblich zur Textilreinigung zu verwenden. In Deutschland nannte man diese Methode bald die
„französische Wäsche“. Mit der Umstellung auf Benzol, eines neueren und besseren Lösemittels war dann auch in Deutschland 1854 endgültig die „chemische Wäsche“ geboren.
Nachdem sich jedoch herausgestellt hatte, dass der offene Umgang mit Benzol ein erhebliches gesundheitliches Gefährdungspotential barg, wurde es durch Benzin ersetzt. Dieses wiederum hatte die unangenehme Eigenschaft, beim kleinsten Funken zu explodieren. Man glaubte, dieses Problem durch die Verwendung von dicht verschließbaren Maschinen beseitigen zu können. Nun begannen gleich zwei Geschäftszweige mit ihrer Arbeit: die chemische Industrie mit der Suche nach dem ultimativen Lösungsmittel und die Maschinenindustrie mit der Entwicklung der optimalen „Reinigungsmaschine“.
Es sollten jedoch noch mehrere Jahrzehnte vergehen, ehe das wegen seiner einfachen Handhabung und seines kostengünstigen Einsatzes recht beliebte Benzin aus der Branche verschwunden war. Erst ab 1920 kamen drei neue unbrennbare Lösemittel auf den Markt. Gleichzeitig wurden Spezialmaschinen eingesetzt, in denen durch innovative Techniken sogar eine Lösemittelrückgewinnung möglich war.
Wie sehr die Chemischreinigung damals in das gesellschaftliche Leben integriert war, manifestierte sich spätestens mit der Anerkennung als eigenständiger Beruf am 25. Mai 1935. Nach Beendigung des zweiten Weltkrieges fand innerhalb der Branche eine Verschiebung von der Chemie in die Technik statt – es gelang, die Reinigungsmaschinen von Großmaschinen auf ein Schrankformat zu reduzieren. Damit begann ein Strukturwandel weg von großen Zentralbetrieben außerhalb der Stadtzentren hin zu Ladenbetrieben in den Städten und damit in unmittelbare Kundennähe. In den 1960er Jahren kamen noch zwei Fluorschlorkohlenwasserstoffe als Lösemittel in die Textilreinigung, wurden jedoch nach dem FCKW-Verbot in den 1980er Jahren durch Kohlenwasserstofflösemittel ersetzt. Letzter Stand der Entwicklung ist die Verwendung von komprimiertem Kohlendioxid in sicheren Reinigungsmaschinen, die sämtliche Auflagen erfüllen.
Doch was bewog letztendlich die Menschen damals wie heute, ihre Kleidung im Dienste der „fleckenlosen Sauberkeit“ den Chemischreinigern anzuvertrauen, obwohl sie doch stets auf Wasser und Waschmittel hätten zurückgreifen können?
Damals wie heute war es die Mode, ohne die diese Evolution wohl nicht stattgefunden hätte. Früher war es mithilfe der „französischen Wäsche“ möglich, mit Volants und Besätzen verzierte Kleidung ohne aufzutrennen, unter Garantie der Farbechtheit sowie unter Beibehaltung ihrer Fasson zu reinigen. Heutzutage sind es hauptsächlich nicht waschbare, empfindliche oder wattierte Kleidungsstücke wie etwa Wolle, Seide, Leder oder Pelze, die dank moderner Textilreinigung weder Filzen noch Einlaufen noch ihre Form verlieren.
Diesem Schulterschluss zwischen häuslicher Wäschepflege und gewerblicher Textilreinigung widmete sich Prof. Dr. Josef Kurz: „50 Jahre Arbeit am Textilforschungsinstitut Hohenstein im Dienste der Textilpflege gipfeln in der Herausgabe meiner Bücher „Kulturgeschichte der häuslichen Wäschepflege“ und „Französische Wäsche und deutsche Textilreinigung“ sowie dem in Arbeit befindlichen Werk über die gewerbliche Wäscherei.“