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Burka, Burkini - Symbole eines kulturellen Dschihad?

Von Jürgen Liminski

(lifePR) (Sankt Augustin, )
Verkehrte Welt: Früher war es zu wenig Textil, heute ist es zuviel. Als der französische Ingenieur und spätere Modeschöpfer Louis Réard am 18. Juli 1946 den Bikini patentieren ließ, erntete er eine Menge Entrüstung. Die vier patentierten Dreiecke, je zwei mit einer kleinen Kordel verbunden und benannt nach einer der Inseln im südpazifischen Marshall-Archipel, wurden als Skandal empfunden und an den Stränden Frankreichs verboten. Erst Marilyn Monroe und Brigitte Bardot machten den Bikini strandfähig, Bardot 1953 auf dem Filmfestival von Cannes. Wer heute in Cannes mit einem Burkini (der muslimischen Variante, deren Textil vom Brustbein bis zum Knie reicht, meist noch mit Kopf-, Arm- und Beinbedeckung) am Strand baden geht, bekommt ein Knöllchen. 42 Euro kostet das Vergnügen. Auch in anderen Badeorten haben die Bürgermeister den Burkini verboten. Auf Korsika kam es wegen einiger Burkini-Damen am vergangenen Wochenende zu einer Schlägerei mit  fünf Verletzten und brennenden Autos. Das sommerliche Kleidungsstück beschäftigt auch die Politik. Selbst Premierminister Manuel Valls nahm Stellung und zeigte Verständnis für die Bürgermeister, „die öffentliches Ärgernis vermeiden wollen“. Ihre Intention sei es, den sozialen Frieden zu schützen und politische Demonstrationen, die die öffentliche Ordnung stören könnten, zu verhindern.

Ein allgemeines Burkini-Gesetz will Valls nicht erlassen. Ein Burka-Gesetz aber gibt es schon. Wer in den Straßen Frankreichs mit Burka oder Niquab, also vollverschleiert “erwischt” wird, zahlt 150 Euro. Die Mehrheit der Franzosen hält die Vollverschleierung für „ein Symbol des islamischen Extremismus“. Das ist kein Ergebnis der jüngsten Terrorakte. Das Burka-Verbot gibt es seit 2011, ob es Terrorakte verhindert hat, weiß man nicht. Das Verbot ist übrigens rechtens, das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg entschieden. Aber sowohl in Frankreich als auch in Deutschland betrifft das (geplante) Verbot nur eine Minderheit, in Frankreich schätzt man die Zahl auf unter zehntausend, in Deutschland tragen schätzungsweise 4.000 bis 6.500 Frauen einen Niqāb. Die meisten tragen ihn freiwillig. Ein Burka-Verbot würde ihnen nicht nützen, sie kämen dann vermutlich erst gar nicht mehr aus dem Haus. Dennoch ist die Frage für die allgemeine Sicherheit von Belang und in Frankreich hat dieses Argument jedenfalls mit zu dem Verbot geführt. Den Terroristen wird eine Möglichkeit genommen, sich unbemerkt mit Waffen oder Sprengstoff unter Menschenmengen zu mischen, auf Märkten und in Fanmeilen zum Beispiel.

Der Sinn dieser Maßnahme ist in Frankreich nicht umstritten, in Deutschland wohl. Der Bundesinnenminister hegt Zweifel, seine Landeskollegen von der CDU wollen sie. Ein Burka-Verbot würde hartes Durchgreifen signalisieren und damit mindestens eine psychologische Wirkung entfalten. Man kann das als Populismus bezeichnen. Aber ist das Volk nicht der Souverän? Und sind Symbole nicht auch Hoheitszeichen? Sicher, die Burka ist keine Fahne. Aber in einer martialisch aufgeheizten, phosphornen Stimmung sind auch kleine Symbole schon wie Zündhölzer, wie der Fall Korsika zeigt. Dort zogen am Tag nach der Massenschlägerei hunderte Demonstranten durch die Straßen der Kleinstadt Sisco und skandierten „On est chez nous“ – Wir sind hier bei uns“. Die banal klingende Parole ist hochpolitisch. Sie weist auf die kulturell-gesellschaftlichen Aspekte der Debatte hin. Burkini und vor allem Burka werden verstanden als Instrument der Erniedrigung und Entwürdigung der Frau. Das passe nicht in unsere freiheitliche, pluralistische Gesellschaft und Lebensweise. Und der Textilstreit wird auch verstanden als Teil eines kulturellen Dschihad, der nicht Ausdruck der Religionsfreiheit sondern eines politisch-religiösen Denkens ist, das der freiheitlichen Verfasstheit  und der Laizität entgegenstehe. Schon Artikel 1 der Verfassung der Fünften Republik erklärt Frankreich unter anderem zu einer laizistischen Republik, er postuliert den Gleichheitsgrundsatz und verpflichtet den Staat zur Durchsetzung der Gleichberechtigung der Geschlechter.

Grundsätzlicher geht es nicht. Deshalb ist nicht zu sehen, was der Einspruch des Französischen Rats für muslimischen Kult oder anderer islamischer Organisationen im Moment an kultureller Autonomie für Muslime im öffentlichen Raum bewirken könnte. Auf Dauer gilt das auch für Deutschland. Nicht Sicherheit ist das Thema, sondern Kulturhoheit. Wer die alte Weisheit „andere Länder, andere Sitten“ im Ausland nicht ernst nimmt, der riskiert in der Tat den Clash of  civilisations. 

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