HPV-Test ist keine Kassenleistung
Zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs bieten die Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) derzeit eine jährliche (zytologische) Untersuchung der Schleimhautzellen aus einem Abstrich vom Gebärmutterhals (Zervix), den Pap-Test an. Seit bekannt ist, dass Humane Papillomaviren der Hauptrisikofaktor für ein Zervixkarzinom sind, diskutieren Experten darüber, ob sich auch ein HPV-Test für das Screening eignet oder einem zytologischen Test sogar überlegen ist. Den HPV-Test zahlt die GKV bislang nur in Ausnahmefällen, zum Beispiel bei einem unklaren Pap-Befund. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte das IQWiG deshalb beauftragt, den Nutzen des HPV-Tests im Primärscreening zu bewerten und dabei auch verschiedene Screeningstrategien zu vergleichen.
Weniger Karzinome und ihre Vorstufen sind eigenständige Zielkriterien
Eine Krebsfrüherkennung wird üblicherweise danach bewertet, ob sie nachweislich dazu beiträgt krebsbedingte Todesfälle zu vermeiden. Beim Zervixkarzinom kann ein Kriterium für den Nutzen aber auch darin bestehen, dass voll entwickelte (invasive) Tumoren seltener auftreten. Denn - ähnlich wie beim Darmkrebs - zielt das Screening hier darauf ab, bereits Zellveränderungen (Dysplasien) zu entdecken und zu behandeln, aus denen sich ein Krebsgeschwür entwickeln könnte. Denn die Behandlung solcher (fortgeschrittenen) Krebsvorstufen ist für die Patientinnen deutlich weniger belastend als die spätere Behandlung eines Tumors.
Studien mit insgesamt 235.613 Teilnehmerinnen einbezogen
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des IQWiG suchten nach Studien, die die HPV-Diagnostik allein oder in Kombination mit einem zytologiebasierten Verfahren mit einer Strategie verglichen, die ausschließlich zytologiebasierte diagnostische Tests im Primärscreening einsetzt.
In die Bewertung einbeziehen konnten sie sechs randomisierte kontrollierte Studien, die in Finnland, Großbritannien, Italien, den Niederlanden und in Schweden durchgeführt worden waren. Insgesamt 235.613 Frauen waren für die Studien rekrutiert worden, um sie in wenigstens zwei Screeningrunden im Abstand von mindestens drei Jahren auf Vorstufen des invasiven Zervixkarzinoms zu untersuchen. Alle diese Studien waren jedoch anfällig für Verzerrungen, was die Aussagekraft ihrer Ergebnisse einschränkt.
Weniger Krebsdiagnosen in der zweiten Screeningrunde
Bei der Bewertung haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zwischen verschiedenen Zielkriterien (Endpunkte) unterschieden. Dabei handelt es sich zum einen um einen sogenannten kombinierten Endpunkt CIN 3+, bei dem invasive Zervixkarzinome und fortgeschrittene Krebsvorstufen (hochgradige zervikale intraepitheliale Dysplasien oder In-situ-Zervixkarzinome, d. h. CIN 3 / CIS) zusammen betrachtet werden. Zudem wurden der Endpunkt "invasives Zervixkarzinom" - also das Auftreten nicht nur einer Krebsvorstufe, sondern eines Tumors - und der Endpunkt "CIN 3 / CIS" zurate gezogen.
Bei den beiden Endpunkten "CIN 3+" und "invasives Zervixkarzinom" war die Zahl der Diagnosen in der zweiten Screeningrunde in der HPV-Gruppe niedriger als in der Gruppe der Frauen, die in der ersten Screeningrunde allein mit einem zytologiebasierten Verfahren (z. B. Pap-Test) untersucht worden waren. Das IQWiG sieht deshalb hier jeweils einen Hinweis auf einen Nutzen.
Betrachtet man die fortgeschrittenen Krebsvorstufen (CIN 3 / CIS) allein, zeigt sich nur ein Anhaltspunkt für einen Nutzen. Das liegt vor allem an einer relativ großen Studie, in der es keinen Unterschied zwischen der HPV- und der Vergleichsgruppe gab. Die Kategorie "Anhaltspunkt" drückt aus, dass bestimmte Mindestanforderungen an die Studien zwar erfüllt sind, Aussagen zu Nutzen oder Schaden aber dennoch nur mit niedriger Sicherheit möglich sind.
Keine verwertbaren Daten zu Überleben und Lebensqualität
Aussagen zum Gesamtüberleben, zu der durch den Gebärmutterhalskrebs bedingten Sterblichkeit oder zur Lebensqualität sind nicht möglich, da zu diesen Kriterien in den Studien keine beziehungsweise keine verwertbaren Daten erhoben wurden.
Auch für einen möglichen Schaden gibt es keine verwertbaren Daten. Beispielsweise können unnötige diagnostische Maßnahmen (z.B. die Entnahme von Gewebeproben) infolge falsch positiver Test-Ergebnisse, den Patientinnen schaden. Zudem kann die Diagnose allein psychisch belastend sein, indem sie Ängste oder Schuldgefühle auslöst.
Schaden kann schließlich auch entstehen durch Übertherapie: Es fällt auf, dass in den eingeschlossenen Studien bereits mittelgradige (CIN 2), zum Teil auch schon niedriggradige Vorstufen behandelt wurden, die sich in den meisten Fällen von allein zurückbilden und nur selten zu Karzinomen weiterentwickeln. Wie häufig bei HPV- und/oder Pap-Test unnötig behandelt wird, lässt sich anhand dieser Studien jedoch nicht ermessen.
Keine Empfehlung für bestimmte Screeningstrategie möglich
Die komplexen Screeningstrategien, die in den Studien eingesetzt wurden, waren sehr unterschiedlich und deshalb untereinander kaum vergleichbar. Das gilt für das Alter der Teilnehmerinnen und den zeitlichen Abstand der Untersuchungen ebenso wie für die Frage, in welcher Reihenfolge oder Kombination HPV- und Zytologie-Test eingesetzt und wie nach bestimmten Befunden weiter vorgegangen werden soll.
Die Studienergebnisse lassen daher keine Empfehlung für eine bestimmte Screeningstrategie im deutschen Gesundheitssystem zu. Zu den wenigen Gemeinsamkeiten der Studien gehört, dass das Screeningintervall mindestens drei Jahre betrug und das Screening in einem populationsweit organisierten und qualitätsgesicherten Kontext stattfand.
Zum Ablauf der Berichtserstellung
Die vorläufigen Ergebnisse, den sogenannten Vorbericht, hatte das IQWiG im Juni 2011 veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Nach dem Ende des Stellungnahmeverfahrens wurde der Vorbericht überarbeitet und als Abschlussbericht im November 2011 an den Auftraggeber versandt. Die schriftlichen Stellungnahmen werden in einem eigenen Dokument zeitgleich mit dem Abschlussbericht publiziert. Der Bericht wurde gemeinsam mit externen Sachverständigen erstellt.