Unter Einbeziehung zusätzlicher Studiendaten (z.B. zu Subgruppenanalysen), die der Hersteller im Stellungnahmeverfahren beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) nachgereicht hat, kommt das Institut zu einem anderen Ergebnis: Demnach gibt es Belege, dass Rilpivirin auch in der fixen Kombination mit Emtricitabin und Tenofovirdisoproxil HIV-1 infizierten Männern einen beträchtlichen Zusatznutzen bietet. Für Frauen liefern die verfügbaren Studien entsprechende Hinweise. Dies entspricht dem Ergebnis der Dossierbewertung des Rilpivirin-Monopräparats vom April 2012.
Studien zu Monopräparat auch für Fixkombination relevant
Als zweckmäßige Vergleichstherapie hatte der G-BA jeweils Efavirenz in Kombination mit einer aus weiteren Wirkstoffen bestehenden sogenannten Sockeltherapie festgelegt. Für die Bewertung der Fixkombination wurden konkret Daten zu Efavirenz in Kombination mit Emtricitabin und Tenofovirdisoproxil herangezogen. Insgesamt lagen die Ergebnisse aus drei Studien vor. Für die beiden größten Studien standen zum Zeitpunkt der Bewertung nur Auswertungen nach 48 Wochen vollständig zur Verfügung, weshalb sich das IQWiG auf diese Auswertungen stützt.
In allen drei Studien wurde Rilpivirin als Einzelsubstanz getestet. Dennoch sind die Ergebnisse auch für die Bewertung des Kombinationspräparats relevant. Denn die Dosierung von Rilpivirin, Emtricitabin und Tenofovirdisoproxil, die in diesen Studien verabreicht wurde, entspricht der Dosierung in der Fixkombination.
Viruslast ist ausreichend valides Ersatzkennzeichen
Der Hersteller legte keine Daten zum patientenrelevanten Endpunkt "AIDS-definierenden Erkrankungen/Tod", d.h. zum Ausbrechen der AIDS-Erkrankung und zum Überleben vor. Er zog ersatzweise Ergebnisse zur sogenannten Viruslast heran, um den Zusatznutzen zu belegen. Viruslast bezeichnet die Zahl von Virenbestandteilen im Blut und zeigt an, wie aktiv HIV ist.
Das IQWiG hält dieses sogenannte Surrogat prinzipiell für valide, d.h. für aussagekräftig. Denn Patientinnen und Patienten, bei denen die Zahl der Viren anhaltend unter die Nachweisgrenze gedrückt werden kann, haben nach derzeitigem Stand des Wissens ein geringeres Risiko an AIDS zu erkranken oder zu sterben. Unklar ist allerdings, ob eine Behandlung einen ebenso großen Effekt auf den patientenrelevanten Endpunkt wie auf das Surrogat hat.
Wirkstoffkombination senkt Viruslast bei Männern
In den Studien fand sich ein Hinweis, dass die Effekte auf die Verminderung der Viruslast bei Männern und Frauen unterschiedlich sind und die Daten deshalb getrennt betrachtet werden sollten. Für diesen Endpunkt zeigte sich in den drei Studien ein statistisch signifikanter Unterschied zugunsten der Rilpivirin-Kombination für männliche Patienten. Deshalb sieht das IQWiG für diesen Endpunkt bei mit HIV-1 infizierten Männern, nicht jedoch bei Frauen einen Beleg für einen Zusatznutzen. Aufgrund der beschriebenen Unsicherheit, was die Größe des Effektes auf den patientenrelevanten Endpunkt betrifft, lässt sich das Ausmaß dieses Zusatznutzens nicht bestimmen ("nicht quantifizierbar").
Weniger neurologische Nebenwirkungen
Vorteile hat Rilpivirin als Kombinationspräparat auch bei Nebenwirkungen: Sogenannte neurologische Ereignisse wie etwa Kopfschmerzen oder Schlaflosigkeit traten hier seltener auf. Unterschiede zwischen Männern und Frauen ergaben sich hierbei nicht. Die vom Hersteller vorgelegte Auswertung hat jedoch einige Unsicherheiten, weshalb das IQWiG hier keinen Beleg, sondern nur einen Hinweis auf einen geringeren Schaden von Rilpivirin gegenüber Efavirenz jeweils in Kombination mit Emtricitabin und Tenofovirdisoproxil sieht.
In der Gesamtschau der Ergebnisse zu Nebenwirkungen und der Viruslast geht das Institut bei männlichen Patienten von einem Beleg für einen beträchtlichen Zusatznutzen aus, bei Frauen von einem entsprechenden Hinweis.
G-BA beschließt über Ausmaß des Zusatznutzens
Die Dossierbewertung ist Teil des Gesamtverfahrens zur frühen Nutzenbewertung, das der G-BA leitet. Nach der Publikation von Herstellerdossier und der IQWiG-Dossierbewertung führte der G-BA ein Stellungnahmeverfahren durch. Dabei reichte der Hersteller ergänzende Informationen nach. Der G-BA beauftragte daraufhin (7. Juni 2012) das IQWiG, eine erneute Bewertung unter Einbeziehung der zusätzlichen Daten durchzuführen.
Ergibt sich im Zuge der Beratungen zu einem Auftrag des G-BA zusätzlicher Bearbeitungsbedarf, legt das IQWiG den Bericht in Form eines "Addendum" vor. Dieses Addendum hat das Institut am 22. Juni 2012 dem Auftraggeber zugesandt. Der G-BA trifft einen Beschluss über das Ausmaß des Zusatznutzens, der die frühe Nutzenbewertung abschließt.