Es ist kein Geheimnis: 2023 war in Bordeaux die Arbeit im Rebberg alles andere als einfach. Das Jahr war warm und feucht, der Mehltau fühlte sich in diesen paradiesischen Verhältnisse entsprechend wohl und forderte den Winzerinnen und Winzern viel Mühe ab.
Mit grossem Arbeitseinsatz und dank guter Kenntnis einzelner Parzellen haben viele Produzenten den Kampf gegen den Pilz gewonnen. Nach einer langen, über einen Monat dauernden Erntezeit und strenger Selektion, die man sich auch aufgrund von überdurchschnittlich hohen Erntemengen leisten konnte, haben viele Betriebe voll ausgereiftes, gesundes Traubengut verarbeiten können.
Das Resultat ist gut bis sehr gut bei den roten Weinen und ausgezeichnet bei den Weiss- und Süssweinen. Allerdings sind die Qualitäten 2023 deutlich heterogener als noch 2022, was eine von Verkaufsinteressen unabhängige Beurteilung umso wichtiger macht.
Klassisch bedeutet nicht unreif
2023 ist stilistisch betrachtet ein kontemporär-klassisches Jahr. Kontemporär, weil nicht zuletzt aufgrund des Klimawandels die Cabernets einmal mehr voll ausreifen konnten und die Weine in vielen Fällen über feine, reife Tannine verfügen, die man von eher warmen Jahrgängen her kennt (2023 war ähnlich warm wie 2022, einfach mit viel weniger Sonne und Licht).
Im Ausdruck jedoch, sind die Weine klassisch, sie verfügen über moderate Alkoholgrade und strahlen ungemein viel Frische aus. «Klassisch» darf jedoch nicht mit «unreif» verwechselt werden, denn grüne, trocknende Gerbstoffe findet man bei den guten, sehr guten und ausgezeichneten Weinen aus 2023 nicht. Viele Weine werden darum schon früh Trinkspass bieten, verfügen aber dennoch über ein grosses Reifepotential.
Sinkende Preise
Was fest steht ist, dass die Preise auf breiter Front sinken und sich in etwa auf dem Release-Preis-Niveau von 2019 einpendeln. Konkret heisst das: bei ca. 50 Franken pro Flasche sind Preisabschläge im Rahmen bis zu 20 Prozent möglich. Bei hochpreisigen Weinen sinken die Preise meist noch etwas stärker.
So ist einer der besten Weine des Jahres 2023, Château Lafite Rotschild, gut 30 Prozent günstiger zu haben als noch 2022. Château Léoville Las Cases, dessen Preis sich über die letzten Jahre stark erhöht hatte, lancierte den Jahrgang 2023 mit einem Abschlag von 40 Prozent.
Kurz: Wer beim Primeur-Kauf auf die richtigen Güter setzt, diejenigen nämlich, die sehr gute oder ausgezeichnete Weine produziert haben und zu moderatem Preis verkauft werden, wird 2023 sehr viel Bordeaux fürs Geld erhalten.
Acht Weine mit dem Potenzial zur Maximalbewertung
Adrian van Velsen, Bordeaux-Korrespondent für Vinum, verbrachte zwei Wochen in Bordeaux und hat über 600 Fassmuster verkostet, beschrieben und bewertet. Seine Notizen bieten eine Orientierungshilfe durch den Dschungel der vielen Weine. Acht Weine hat van Velsen mit 99/100 Punkten bewertet, was auf der Vinum Skala 19.5-20 Punkten entspricht.
Dahinter folgen 46 Weine, die 95 oder mehr Punkte (= 18.5 bis 19 Punkte auf der Vinum Skala) erhielten, darunter wohl verstanden diverse Weine, die preislich noch erschwinglich sind. Über 600 Weinbewertungen und Beschriebe findet man ab sofort in der Vinum-Weindatenbank.
Text: =show&tx_vinum_author[author]=29&cHash=c5993a1b95b694bc369dd0deb2aba5cf]Adrian van Velsen