Digitalisierung im Bereich Healthcare nicht mehr wegzudenken
Die digitale Technik hat längst auch den Bereich Healthcare erreicht. Dr. Frank Wartenberg, Präsident "Central Europe" (Deutschland, Österreich, Schweiz) von IMS HEALTH, verdeutlichte dies in seiner Einführung in die Thematik am ersten Konferenztag u.a. am Beispiel der "mobile devices". Apps, Smartphones, diverse Arten sog. "Wearables" zeigten die gestiegene Affinität zu technischen Entwicklungen und ihrer Anwendung. Ein wesentlicher Grund dafür sei im Nutzen für Patienten und Ärzte gleichermaßen zu sehen, von der Diagnostik über das Monitoring der Patientenbefindlichkeit bis hin zum Einsatz bei Operationen.
Krankenversicherungen in den USA bezahlen bereits heute internetgestützte Services, die dem Patienten bei der Gesundheitsversorgung helfen und auch hierzulande erstatten einige Krankenkassen bestimmte Digital-Health-Angebote, etwa im Rahmen der Neurorehabilitation von Schlaganfallpatienten.
Die umfassendere Nutzung digitaler Medien geht mit einer zunehmenden Vernetzung einher. Tim Cole, Internet Publizist und Autor, geht davon aus, dass sich die Datenmengen infolge der digitalen Transformation immer weiter erhöhen. "Big data", heute oftmals noch kritisch beäugt, u.a. wegen Fragen zur
Datensicherheit, werde zur Norm werden. Bei Wahrung der informationellen Selbstbestimmung des Einzelnen werde die digitale Transformation auch den Behandlungsalltag erleichtern. Mögliches Zukunftsszenario: der Arzt ruft aus dem Computer neueste Forschungserkenntnisse ab und erhält zusammen damit entsprechende Therapievorschläge. Gleichzeitig werde auch der Patient durch den Zugang zu Informationen und die vernetzte Kommunikation mächtiger. Die Zukunft heiße "E-Health".
Auf die Bedeutung von Technologien im Kontext des demografischen Wandels ging Murray Aitken, Director des IMS Institute for Healthcare Informatics, ein. Technische Entwicklungen könnten dazu beitragen, steigende Gesundheitskosten in Folge einer alternden Bevölkerung zu begrenzen. Dabei erstrecke sich der Einsatz technologischer Services von der Diagnostik über Prävention und Home Care bis hin zum Selbstmanagement des Patienten. Aitken wies darauf hin, dass die Bandbreite der bereits heute existierenden Technologien vielfach noch daraufhin zu evaluieren sei, was welchem Patienten hilft. Erst dann sei auch eine Grundlage für die Kostenerstattung geschaffen und transparent, wo sich Investitionen lohnten.
Paul Tunnah, CEO von Pharmaphorum, setzte sich mit dem immer schnelleren Transport digitaler Informationen über verschiedene "Social Media"-Kanäle auseinander. Für die "Patientenreise" von Prävention über Diagnose bis hin zur Therapie ergäben sich für die pharmazeutische Industrie verschiedene Ansatzpunkte, vorhandenes Wissen in Form neuer Technologien zu nutzen, z.B. mittels Smartphones und entsprechender Apps. Ärzte und Patienten stünden dem aufgeschlossen gegenüber, wenn das Behandlungsmanagement dadurch verbessert werde.
Bernd Haas, Leiter des Bereichs "Technology & Applications" für die Region "Central Europe" bei IMS, konstatierte, dass Pharmaunternehmen heutzutage von zwei Seiten mehr Druck ausgesetzt seien: zum einen durch eine steigende Komplexität in der Verarbeitung von Daten und Informationen, zum anderen durch einen wachsenden Budgetdruck. In diesem Spannungsfeld seien in der IT häufig noch Insellösungen üblich, auch wenn integrierte Systeme notwendig seien. Mögliche Anwendungen wurden anhand von Fallbeispielen in Spezialforen zu verschiedenen Themen vertieft.
Globale Entwicklungen und lokale Perspektiven
Der zweite Konferenztag stand im Zeichen der Entwicklungen im weltweiten Pharmamarkt und beschäftigte sich zudem mit den Perspektiven des deutschen Gesundheitswesens bzw. der Gesundheitspolitik hierzulande in den nächsten Jahren.
Wartenberg stellte in seinem Eröffnungsvortrag einige globale Markttrends vor. So zeige sich im globalen Pharmamarkt dank des weitgehend überwundenen "Patent Cliffs" (Patentklippe: Patentabläufe der letzten Jahre in Milliardenhöhe) ein Aufwärtstrend und ein niedrig zweistelliges Wachstum in den "pharmerging" (aufstrebenden) Märkten. China und die USA stellten im Wesentlichen die Wachstumstreiber. Hinsichtlich der Entwicklungen bei einzelnen Therapiegebieten zeigten sich zwischen den etablierten und den "pharmerging" Märkten Unterschiede. So stehen in ersteren nach Ausgaben bspw. Krebstherapeutika an der Spitze, während in letzteren Schmerzmittel und Antibiotika die Top-Bereiche bilden. Biologika zählten weiterhin zu den wachstumsstarken Präparaten.
Für den Erfolg von Unternehmen im Markt zeichnen sich bestimmte Strategien ab. So sind immer mehr "kleinere" Unternehmen innovativ in der Forschung, während sich große Firmen in der Folge um die Zulassung und Kommerzialisierung der Präparate kümmern. Kostendämpfungsmaßnahmen seien inzwischen auch in den aufstrebenden Ländern üblich.
Wartenberg benannte des Weiteren eine Reihe von Vorboten des Wandels im globalen Markt, die für Gesundheitsausgaben immer mehr vernetzte Betrachtungen notwendig machen. Das Spannungsfeld zwischen Innovation und Bezahlbarkeit werde weiterhin eine Rolle spielen. In etwa zehn Jahren werde der Markt sich als outcome-getrieben darstellen, der Nutzen von Therapien wird dann das entscheidende Kriterium für deren Einsatz und maßgeblich von Technologie bestimmt sein. Medikamente werden für mehr Menschen als je zuvor verfügbar sein.
Lokale Bezüge hatten die drei weiteren Nachfolgepräsentationen. Einen Ausblick auf Schwerpunkte der deutschen Gesundheitspolitik in der 18. Legislaturperiode des Deutschen Bundestags gab Dr. Thomas Portz, Director Governmental Affairs bei IMS Health. Er skizzierte zu einer Bandbreite verschiedener Themen jeweils mögliche Regelungen und Entwicklungen und ging davon aus, dass Arzneimittel nicht im Fokus der nächsten Gesetzesvorhaben stehen.
Im Anschluss erörterte Roger Jaeckel, Leiter Gesundheitspolitik bei Glaxo SmithKline, Herausforderungen des deutschen Gesundheitswesens aus industriepolitischer Sicht. Einen Schwerpunkt seiner Betrachtung bildete der geplante Innovationsfonds zur Förderung einer sektorübergreifenden Versorgung. Als Fazit ergibt sich für Jaeckel, dass innovative Versorgungsformen allein nicht mehr Patientenorientierung im Gesundheitswesen garantieren.
Guido Michels von der Treuhand Hannover Steuerberatungsgesellschaft skizzierte in seinem Vortrag zum Thema "Zukunft Apotheke" zunächst die rückläufige Anzahl der Apotheken in Deutschland in den letzten zehn Jahren und verwies auf mehrere Ursachen für diese Entwicklung. Die pharmazeutische Industrie sei ein wertvoller Partner für die Apotheken, wenn sie es schaffe, zukünftige Entwicklungsprozesse zu begleiten.