Die Öffnung der privaten Krankenversicherung für alle Bürgerinnen und Bürger höhlt die Solidarität weiter aus und birgt hohe Risiken für alle Versicherten. Die private und die gesetzliche Krankenversicherung unterliegen gegensätzlichen Prinzipien: In der gesetzlichen Krankenversicherung ist der soziale Ausgleich vorherrschend, die Beiträge sind bis zur Beitragsbemessungsgrenze einkommensabhängig ausgestaltet, Alter und Vorerkrankung spielen dabei keine Rolle, die Versicherten können ohne finanzielle Nachteile die Krankenkasse wechseln und EhepartnerInnen und Kinder sind kostenlos mitversichert.
In der privaten Krankenversicherung werden Beiträge und Leistungen aufgrund der individuellen Risikostruktur der Versicherten kalkuliert, d.h. die Prämienhöhe ist von Vorerkrankungen und Alter abhängig, jedes Familienmitglied muss einzeln versichert werden, die Beiträge steigen unabhängig vom Einkommen und ein Wechsel in günstigere Tarife ist oft nur mit finanziellen Einbußen oder Leistungsausschlüssen möglich. Mit Wahlfreiheit hat das nichts zu tun. Deshalb lohnt sich eine private Krankenversicherung auch nur für junge, gesunde und gutverdienende Singles, da die Beiträge meist günstiger sind als in der gesetzlichen Versicherung. Mit der Abwanderung von sogenannten guten Risiken in die private Versicherung sind der soziale Ausgleich und die Finanzierung des Krankenversicherungssystems insgesamt gefährdet. Schon heute können sich viele Privatversicherte die steigenden Beiträge insbesondere bei Krankheit und im Alter nicht mehr leisten.
Das Wahlprogramm der FDP birgt aber noch weiteren sozialpolitischen Sprengstoff: Die Liberalen wollen das Kostenerstattungsprinzip auch in der gesetzlichen Krankenversicherung einführen, d.h. die Versicherten erhalten eine Rechnung und müssen die Kosten zunächst selbst tragen, bevor diese von der Krankenkasse erstattet werden. Abgesehen davon, dass viele Versicherte die hohen Arzt- und Krankenhausrechnungen nicht vorstrecken können, besteht die Gefahr, dass sie auf einem Teil der Kosten sitzen bleiben. Armut bei Krankheit und im Alter ist so vorprogrammiert.
Die KAB erteilt diesen Vorschlägen eine klare Absage und fordert die konsequente Weiterentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung zu einer Bürgerversicherung, die Einbeziehung aller BürgerInnen und Einkunftsarten in die Finanzierung, die Wiederherstellung der paritätischen Finanzierung und den Ausbau des solidarischen Ausgleichs. Mit ihren Vorschlägen zur Krankenversicherung ist die FDP für die KAB und die Gesellschaft untragbar.
Lucia Schneiders-Adams
Referentin im Grundsatzreferat