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Konzerthaus Berlin

Exotismus als Vorspiel der Emigration

DI 17.05.11 / 20.00 Uhr / Konzerthaus Berlin, Kleiner Saal

(lifePR) (Berlin, )
Dieses Programm beginnt am Ende - und zwar mit Gustav Mahlers Adagio aus dessen letzter Sinfonie Nr. 10, die der Komponist zu Lebzeiten nicht mehr vollenden konnte. Teilweise heftiger Streit entbrannte über die vom britischen Musikwissenschaftler Deryck Cooke 1976 »vollendete« Version bzw. seine »Konzertfassung des Entwurfs«. Konzentrieren wir uns daher auf das originär Überlieferte, bzw. auf das, was Hans Stadlmair für Streicher bearbeitet hat und im Rahmen der Themenwoche »Musik mit Mahler - Teil 3« im Konzerthaus Berlin vom Ensemble Resonanz unter Emilio Pomàrico aufgeführt wird. Das Adagio ist - sinnbildlich gesprochen - ein langes Ausatmen nach einem anstrengenden kräftezehrenden Kampf, ein Ausatmen des Lebens nach Abschied und Verlust, aber auch ein Ausatmen hin zu Verklärung und Transzendenz. Musikalisch ist es ungemein interessant, wenn Mahler nach und nach jegliche Tonalität auflöst, gipfelnd in dem musikhistorischen Novum eines Neuntonklangs - eine zu jener Zeit unerhörte Dissonanz - an Stelle des zweiten Themas in der Reprise.

Wenngleich er zeitlebens auf Distanz zu Mahler blieb, bewegte sich der deutsche Komponist Hanns Eisler zumindest zu seiner Wiener Zeit durchaus in diesem Milieu und war von Mahlers Musik beeinflusst, was vor allem deutlich wird im »Gesang des Abgeschiedenen« nach altjapanischer Lyrik für Alt und Ensemble. Ein eindrucksvolles Stück, das Eisler unmittelbar nach dem 1. Weltkrieg schrieb und unüberhörbar von Mahlers »Lied von der Erde« beeinflusst ist.

Jenes erklingt sodann in der Kammerfassung von Arnold Schönberg und Rainer Riehn mit den wunderbaren Solisten Maite Beaumont und Andrew Kennedy. Auch diesem Werk liegt altjapanische Lyrik zugrunde, die Mahler der Gedichtsammlung »Die chinesische Flöte« von Hans Bethge entnommen hat - die dieser wiederum aus dem Französischen in der Version von Marquis D'Hervey de Saint-Denys übersetzt hatte, die jener den japanischen Originalen aus dem 7. und 8. Jahrhundert abgelauscht hatte.

Das Werk besteht aus sechs Teilen, die sich jeweils auf ein Gedicht beziehen, mit Titeln wie »Das Trinklied vom Jammer der Erde« oder »Der Einsame im Herbst« und schließlich »Der Abschied«. Ganz wie bei Eisler stellt auch hier Exotismus die Vorstufe der Emigration dar - musikalisch auf die Spitze getrieben durch eine radikale Reduziertheit und Kargheit der Tonsprache - die im krassen Gegensatz zu dem Großaufgebot an Orchester- und Chormassen früherer Werke steht. Mahlers größter Verfechter, der Dirigent Bruno Walter, brachte das Besondere des Werks auf den Punkt: »Die Erde ist im Entschwinden, eine andere Luft weht herein, ein anderes Licht leuchtet darüber.« Die Kammerfassung, zu der Schönberg die Bearbeitung eines halben und Riehn die Bearbeitung der übrigen fünfeinhalb Sätze beisteuerte und die zeitweise weit häufiger als das Original aufgeführt wurde, war und ist - wie das Original - eine ungeheure Herausforderung für Sänger und Musiker.

Ensemble Resonanz
Emilio Pomàrico
Maite Beaumont Mezzosopran
Andrew Kennedy Tenor

Gustav Mahler Adagio aus der Sinfonie Nr. 10, für Streicher bearbeitet von Hans Stadlmair
Hanns Eisler »Gesang des Abgeschiedenen« nach altjapanischer Lyrik für mittlere Stimme und Ensemble
Gustav Mahler »Das Lied von der Erde«, für Tenor, Alt und Kammerensemble bearbeitet von Arnold Schönberg und Rainer Riehn

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