Telemedizin im Rettungsdienst gibt es in Deutschland schon seit mehreren Jahren – und zwar das sogenannte „Aachener Projekt“. Das aber ist, so Dr. Wranze-Bielefeld, sehr aufwendig, da rund um die Uhr ein Arzt in der Leitstelle sein muss, der bis zu drei Einsätze gleichzeitig betreut.
Beim Vogelsberger Projekt läuft es anders: Hier arbeitet der Notarzt im Hintergrund, wird nur im Bedarfsfall vom Rettungswagen aus angefragt. Eine Arbeitsweise übrigens, deren Vorläufer sich bereits seit 14 Jahren bewährt hatte – und zwar bei der Gabe von Schmerzmitteln. Diese Medikation ließen sich die Rettungskräfte vor Ort ebenfalls von einem Arzt telefonisch freigeben.
„Die Struktur dieses Hintergrunddienstes hatten wir also schon, jetzt mussten wir nur noch einen Weg finden, die Daten zu übermitteln“, so Erich Wranze-Bielefeld. Der entsprechende Anbieter war schnell gefunden, im Grunde war nur eine Weiterentwicklung des bisherigen EKG-Gerätes nötig, damit alle Überwachungsfunktionen wie beispielsweise die Herz- und Atemfrequenz des Patienten, die Temperatur oder der Sauerstoffgehalt im Blut nicht nur den Helfern im Wagen, sondern eben auch dem Telenotarzt im Hintergrund angezeigt werden. Auf dem Bildschirm seines Laptops sind alle Funktions-Kurven sichtbar, der Mediziner kann die relevanten Daten auslesen und bewerten und somit dem Rettungsdienstpersonal und gegebenenfalls auch dem Notarzt die benötigten Hilfen geben. Er kann bei der Diagnosefindung helfen, er kann erste Therapieschritte einleiten und auch darüber befinden, ob ein Notarzt vor Ort gebraucht wird.
„Damit sind wir im Grunde bei der Fragestellung des Projektes: Können wir mit Hilfe der Telemedizin unnötige Notarzteinsätze künftig reduzieren?“, erklärt Dr. Wranze-Bielefeld. Denn: Viel zu oft werde nach dem Notarzt gerufen, vor Ort stelle sich dann heraus, dass er tatsächlich nicht benötigt wird. „Wir müssen dafür sorgen, dass solch unnötige Notarzt-Fahrten vermieden werden, damit die Notärzte für die tatsächlichen Notfälle zur Verfügung stehen“, sagt Wranze-Bielefeld.
Genauso gesehen wird das übrigens in den Nachbarkreisen Marburg-Biedenkopf und Gießen. Mit beiden hat der Vogelsbergkreis eine Kooperationsvereinbarung zur Umsetzung des Projektes „Telemedizin im Rettungsdienst Mittelhessen“ geschlossen. Angelegt ist das vom hessischen Sozialministerium finanzierte Projekt auf drei Jahre. Derzeit werden zwei Rettungswagen im Vogelsbergkreis mit telemedizinischen Überwachungsgeräten ausgestatten. Weitere werden folgen.
„In zwei Kreisen in Hessen läuft das Aachener Modell, wir haben nun im Verbund unser Projekt gestartet, irgendwann wird das Land entscheiden müssen, welche Variante hessenweit zum Tragen kommt“, so der Ärztliche Leiter des Rettungsdienstes. Sowohl Wranze-Bielefeld als auch Landrat Manfred Görig sehen für das Gemeinschaftsprojekt Mittelhessen gute Chancen. „Wir sind um ein Vielfaches günstiger“, erklärt Landrat Manfred Görig. Von daher könnte das Vogelsberger Modell nach Ablauf der Testphase möglicherweise auf ganz Hessen ausgedehnt werden.
„Auch dieses Beispiel zeigt, dass der Vogelsberg in der rettungsdienstlichen Versorgung seiner Bevölkerung ganz weit vorn ist“, betont Landrat Görig. „Wir haben in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen, um den Rettungsdienst zu optimieren, und in diesem Bemühen werden wir auch künftig nicht nachlassen“, kündigt er abschließend an.