Mit über 100 Bildern, Zeichnungen und Skulpturen aus den Jahren 1946 bis 2008 ist die Ausstellung des 85-jährigen Künstlers Helmut Braig aus Giengen die größte Einzelausstellung, die in der 9-jährigen Geschichte des Kulturgewächshaus Birkenried gezeigt wurde. Auch für den Künstler selbst stellte die Birkenrieder Ausstellung eine der umfangreichsten Werkschauen dar, die er je in der Vergangenheit zusammengestellt hat.
Die breite Vielfalt von Braigs Werken ist nur dann zu verstehen, wenn einerseits die Kriegsjahre, die aus ihm einen bekennenden und streitbaren Pazifisten gemacht haben, und die Nachkriegsjahre mit dem sog. Wirtschaftswunder als Gegenpole der persönlichen Entwicklung zugrunde gelegt werden.
Die Verarbeitung des Krieges endete bei ihm 1963 in dem Puppenfilm "Ameisenkrieg", der als erster Puppenfilm in realer Bewegung und nicht in Stop-Motion gedreht wurde. Weltweite Preise (Tokio, Johannesburg, Schweiz und Frankreich) sowie der Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde waren dafür internationale Anerkennung. Mit dem Film "Romanze in Müll" nahm er bereits 1965 ein Thema auf, das die Gesellschaft noch heute beschäftigt. Beide Filme sind anlässlich der Finissage in Birkenried zu sehen.
Einen großen Teil der Werke nehmen surrealistische erotische Szenen ein, die in der Birkenrieder Ausstellung immer wieder gegen die Braigschen Kriegsbilder gesetzt sind. "Bei erotischen Darstellungen verschlägt es den Politikern und dem Publikum immer wieder die Sprache. Dabei ist die Erotik der Ursprung des Lebens, der Krieg dessen Ende", sinniert der 85-Jährige. "Die verbrannte Erde, welche von der deutschen Wehrmacht beim Rückzug zurückgelassen wurde, wo ich selbst Augenzeuge war, lässt mich nicht ruhen und immer wieder Bilder von diesen unmenschlichen Ereignissen malen."
Viele der Werke kommen surrealistisch daher, gelebte Wirklichkeiten in unwirklich wirkende Bildszenen umgesetzt, dadaistische Anspielungen, Grosz'sche Aphorismen, Dalis Verzerrungen von Raum und Zeit: Braig lebt mit beiden Füßen auf dem Boden der zweiten Hälfte des 20 Jahrhunderts mit seiner ungezügelten Vielfalt des Kunstausdrucks - besser gesagt: Er schwelgt in seiner unendlichen Fantasie und Ausdrucksfähigkeit. Egal ob mit Bildern, Zeichnungen, in Beton gegossenen Skulpturen oder surrealistischen Installationen.
Mit seinem "Waldhaus", mit "Braighausen" und dem Skulpturenpark an der Giengener Stadtmauer hat er opulente Gesamtwerke geschaffen, die ihm allerdings auch Sorgen bereiten: "Wer hält das später mal instand - das wird sicher irgendwann aus Geldmangel und mangelnder Sachkenntnis verfallen und von der Natur zurückerobert".
Eingebettet in das verträumte Ambiente des Kulturgewächshaus' Birkenried entführt die Ausstellung Besucher wie Kunstsammler in eine Welt jenseits des aktuellen Kunstbetriebs. Braig passt in keine Schublade, er arbeitete immer aus seinen tiefen Emotionen heraus. Was zu sehen ist, berührt einen tief und entfacht Diskussionen.
Am Sonntag dem 31. August ab 14 bis 19 Uhr ist die letzte Gelegenheit, die Ausstellung zu besichtigen. Zur Finissage um 17 Uhr werden Getränke gereicht.