Neben dem Abbau der Sektorengrenzen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung und Maßnahmen gegen den Pflegekräftemangel kündigte Dr. Ralf-Norbert Bartelt (CDU) die Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes an. Auch müsse der Mangel an Pflegekräften behoben werden. Vor der Pandemie sei belächelt worden, wer von Pandemievorsorgeplänen gesprochen habe, hob Marcus Bocklet, Bündnis 90/Die Grünen, vor. Da habe die ganze Gesellschaft „gepennt“: Eine Haltung, die sich, so Bocklet, jetzt geändert haben dürfte. Obwohl es auch in Hessen anfangs Schwierigkeiten bei der Pandemiebewältigung gegeben habe, hob Dr. Pinkowski die ausgezeichnete Zusammenarbeit des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration, der Landesärztekammer Hessen, der Kassenärztlichen Vereinigung und der Hessischen Krankenhausgesellschaft hervor.
„Es hat uns alle überrascht; wir hatten am Anfang zu wenig Informationen“, stellte Yanki Pürsün (FDP) fest und fügte hinzu, dass sich die Politik eigentlich für das von ihr verursachte Chaos entschuldigen müsse. Wichtig sei jetzt, zu prüfen, wie das Corona-Infektionsrisiko für welche Bevölkerungsgruppe aussehe. Deutlich kritisierte Pürsün, dass einige Politiker, alles so weiterzuführen wollten, wie bisher. Tatsächlich jedoch dürften die Bürgerrechte nicht weiter eingeschränkt werden.
Im Wahlprogram der Linken heißt es, die Corona-Krise habe allen vor Augen geführt, dass das Gesundheitssystem falsch organisiert sei. „Wie genau meinen Sie das?“, wollte Dr. med. Peter Zürner, Präsidiumsmitglied der LÄKH, von Christiane Böhm, Die Linke, wissen. Es müssten andere Strukturen geschaffen werden, damit die Beschäftigen gesund bis zur Rente arbeiten könnten, gab Böhm zur Antwort. Sie sprach sich für eine Stärkung der Pflege aus. Auch müsse das Gesundheitssystem sozialer gestaltet und seine Kommerzialisierung zurückgedreht werden.
Einig waren sich die Politiker bei der Beantwortung der Frage, warum Corona-Prämien an die Pflege und andere Berufsgruppen im Gesundheitswesen, nicht aber an Ärztinnen und Ärzte gezahlt worden seien. So baten die gesundheitspolitischen Sprecher um Verständnis dafür, dass nur die besonders schwere Tätigkeit der Pflege honoriert worden sei. Auch wenn Ärztinnen und Ärzte eine tolle Arbeit machten - die finanziellen Mittel seien begrenzt. Sonderzahlungen für alle Beschäftigen im Gesundheitswesen „würden jeden Haushalt sprengen“, erklärte Bocklet.
Wie Christiane Böhm, Die Linke, sprach sich auch Dr. Daniela Sommer, SPD, klar für die Einführung einer Bürgerversicherung aus. Gesundheit sei keine Ware; jeder solle den gleichen Zugang dazu haben, sagte Sommer. Auch wenn viele Ärzte dies bestritten, mache sie die Erfahrung, dass es eine Zwei-Klassenmedizin gebe. So erzielten manche Ärzte 50 Prozent ihres Umsatzes mit 20 Prozent der Privatversicherten. Sommer bezeichnete eine gute, bedarfsgerechte Vergütung der Ärzte für wichtig, meinte jedoch, dass man sich die neue GOÄ nochmals unter dem Aspekt einer solidarisch gestalteten Gesundheitsversorgung ansehen müsse.
„Es ist eine der ganz großen Reformen, die vor uns stehen“, stellte Bocklet, Bündnis 90/Die Grünen, in Aussicht. Während man „historisch“ unter Bürgerversicherung die Zusammenlegung von privater und gesetzlicher Krankenversicherung verstanden habe, gehe es heute um eine Verbreiterung der Einnahmen. Nach der Vorstellung von Bündnis 90/Die Grünen solle es Regionalbudgets geben. Regional und lokal denken – darauf komme es künftig an. Ziel sei die bestmögliche Versorgung von der Diagnostik bis zur Reha, so Bocklet. Im Verbund solle Versorgung mit eigenem Regionalbudget nach den Bedürfnissen vor Ort gestaltet werden.
Von Ärztekammerpräsident Dr. Pinkowski auf die im Bundestagswahlprogramm der Grünen geplante übergreifende Planung von ambulanten und stationären Angeboten angesprochen, beschwichtigte Bocklet: Es kämen keine „DDR-Verhältnisse“ auf die Ärzte zu. Tatsächlich fehlten aber vor allem auf dem Land Ärztinnen und Ärzte, so dass eine „staatliche Lenkung“ notwendig werde. Dazu gehöre auch eine stärkere Delegation einfacher ärztlicher Aufgaben, wie etwa der Wundversorgung an eine MFA.
Dr. Sommer hob hervor, dass nach Corona eine grundlegende Reform des Fallpauschalensystems (DRG) notwendig sei. Hier werde man sich mit der Ärzteschaft als den Expertinnen und Experten abstimmen. Auch Claudia Böhm, Die Linke, machte die DRGs für viele Probleme im Gesundheitswesen verantwortlich.
Auf die Frage von LÄKH-Vizepräsidentin Monika Buchalik nach den Konsequenzen, die eine von der SPD geplante neue Rollenverteilung zwischen dem ambulanten und dem stationären Sektor für den ambulanten Bereich habe, bekräftigte Dr. Daniela Sommer die Notwendigkeit, die Sektorenschranken abzubauen. Man brauche ein Case-Management, um den Patienten zu steuern, damit er in dem richtigen Versorgungsbereich ankomme. Erster Ansprechpartner bleibe allerdings weiterhin der Hausarzt.
Yanki Pürsün (FDP) sprach sich für eine Fortsetzung des Systems von gesetzlicher und privater Krankenversicherung aus und bezeichnete den Freien Beruf als das Fundament einer liberalen Gesundheitsversorgung. Die FDP lehne eine Bürgerversicherung ab. Der Wettbewerb der Krankenkassen sei notwendig. Die ambulanten Strukturen seien ein wichtiger Baustein in der Versorgung, der erhalten und weiter ausgebaut werden müsse. „Ganz wichtig sind die niedergelassenen Ärzte“, betonte Pürsün.
Von einer Mangelversorgung nicht nur in ländlichen Regionen, sondern teilweise auch in sozial schwächeren Vierteln in Großstädten, sprach Dr. Ralf-Norbert Bartelt (CDU). Alleine mit Förderprogrammen für die Niederlassung – insbesondere in Einzelpraxis – funktioniere die Versorgung in diesen Bereichen nicht. So müssten dort auch Versorgungszentren gefördert werden, was eine „gewünschte Zusammenarbeit“ mit Kliniken erfordere.
Übereinstimmend plädierten die gesundheitspolitischen Sprecher der Fraktionen im hessischen Landtag für eine Stärkung der Prävention. Gesundheit sei unser höchstes Gut und Prävention daher ganz wichtig, erklärte Dr. Daniela Sommer (SPD). Man brauche – Stichwort „Eigenverantwortung“ – den Menschen als „Gesundmacher“ in der Gesundheitsversorgung, sagte Yanki Pürsün (FDP). Claudia Papst-Dippel, AfD, die den Ärztemangel auf dem Land beklagte und für präventives Verhalten des Einzelnen plädierte, bezeichnete Gesundheitsförderung als „klare Durchschnittsaufgabe der Politik“ und Marcus Bocklet, Bündnis 90/Die Grüne, nannte Prävention „ein Schlüsselfeld in der Gesundheitspolitik“.