- Die Rohstoffindizes haben zuletzt Federn gelassen. Sie sind in den Bereich der 200-Tage- Linien zurückgefallen, die seit 2011 quasi wie ein Brett liegen und dabei enorme Gravitationskräfte ausüben. Somit scheint wieder einmal ein vermeintlicher Ausbruchversuch gescheitert zu sein. Solange die Erholungsansätze ereignis- bzw. spekulativ getrieben sind und die fundamentalen Verhältnisse sich nicht wirklich verbessern, bleiben die Preisperspektiven für die Mehrzahl der Produkte gedämpft.
- Trotz geopolitischer Unsicherheiten, Wetterrisiken und gewisser Exportbeschränkungen dürfte das Angebot der meisten Rohstoffe weiterhin eher reichlich ausfallen. Die Weltkonjunktur scheint zwar noch auf dem Expansionspfad zu sein. Europa und diverse Schwellenländer bringen die zeitweilig an den Rohstoffmärkten erhoffte Wachstumsdynamik aber nicht auf. Die Konjunkturentwicklung gibt dem Rohstoffsektor wohl weiterhin keinen nachhaltigen Auftrieb. US-Geldpolitik und Währungstendenzen dürften auch wenig förderlich sein. Gleichzeitig dürfte der Finanzbedarf der meisten rohstoffexportierenden Länder eher noch steigen, so dass Mengenbeschränkungen kaum eine ernst zu nehmende Drohkulisse darstellen. Auch die zuletzt etwas lavierenden Finanzinvestoren könnten ihren nach dem offensiven Jahresauftakt eingeleiteten Rückzug fortsetzen, zumal sich Engagements an den Terminmärkten wahrscheinlich immer weniger rechnen. Eine zumindest leicht defensive Positionierung bei Rohstoffen bleibt u. E. somit weiter angesagt.
Überblick Rohstoffgruppen
Energie: Fundamentale Verhältnisse halten Notierungen "in Schach"
Alle beteiligten Spieler, ja selbst die aktuell auf der Öl- und Gasgewinnerspur fahrenden USA, wünschen sich aus ökonomischen Gründen keinen geopolitisch bedingten Ölpreisschock. Eine weitere große Wirtschaftskrise wäre kaum zu verkraften. Somit ist es bei der Einschätzung der Entwicklung der Mineralölnotierungen trotz der Verschärfung der Konflikte in Nahost und Osteuropa sinnvoll, sich an der faktischen Angebots-Nachfrage-Situation zu orientieren. So scheint sich das Szenario einer guten Marktversorgung inzwischen auch bei den nicht-kommerziellen Marktteilnehmern (Spekulanten) durchzusetzen.
Edelmetalle: Bodensuche bei Gold nicht abgeschlossen
Die Wechselbäder halten bei Gold und Edelmetallen wohl erst noch an. Zwar haben große institutionelle Anleger ihren Ausstieg zuletzt unterbrochen. Andererseits haben sie mitunter noch einiges Material an Bord. Das spekulative Auf und Ab an den Terminmärkten zeigt gleichzeitig, dass Gold gegenwärtig nach wie vor mehr Spielball als wirkliches Investment ist. Das gelbe Metall dürfte dem zyklischen Tiefpunkt zwar relativ nahe sein. Ein weiteres Minus von rund 15 % auf heutiger Basis erscheint dennoch realistisch. In einer insgesamt sehr ertragssensitiven Phase spricht dies vorerst für eine Untergewichtung von Edelmetallen.
Industrie: Strukturelle Bereinigung steht zumeist noch aus
Länger als von uns erwartete spekulative Sonderbewegungen - vornehmlich aufgrund der indonesischen Exportbeschränkungen (Nickel, Bauxit (Aluminium)) und der Krise in Osteuropa - werden inzwischen durch ein scheinbar weniger negatives China-Konjunkturbild begleitet. Diese Phänomene geben NE-Metallen gegenwärtig Halt. So konnte sich der LME-Primärmetalle-Index zuletzt auch vergleichsweise gut, d.h. sichtbar über der 200-Tage-Linie halten. Strukturell kann gleichwohl noch nicht grünes Licht gegeben werden. Die allgemein wenig dynamische Nachfrage bei Investitions- und dauerhaften Konsumgütern sowie eher begrenzte Infrastrukturausgaben treffen zumeist weiter auf hohe oder sogar noch wachsende Kapazitäten. Auch unter beschäftigungspolitischen Aspekten dürfte sich in den Förderländern die Produktion insgesamt wohl weiter beleben.
Getreide: Preistief noch nicht ausgelotet
Entgegen unseren Erwartungen hat sich der Rückgang der Getreidenotierungen zuletzt derart beschleunigt, dass die Tiefstände vom letzten Winter klar unterschritten wurden. Jetzt müssen wichtige Unterstützungslinien halten (Mais: 350 $¢/bu;Sojabohnen:1.200/1.000;Weizen:500/450), die mitunter noch deutlich oberhalb der Preisbänder des Zeitraums von 1973 bis 2005 (Mais:200-350 $¢/bu; Sojabohnen: 500-800;Weizen:250-400) liegen. Angesichts einer - auch jenseits des Einsatzes bei Bio-Sprit - strukturell weiterhin erhöhten Nachfrage ist ein nachhaltiger Rückfall auf die Preisniveaus der Jahre vor 2005 wenig wahrscheinlich.
Genussmittel: Wetterphänomen El Niño weniger ausgeprägt als erwartet
Obwohl ein massiver El Niño aus den Karten ist, scheinen Wetterrisiken in Brasilien die Zuckernotierungen im Bereich um 17 $¢/lb zu stützen. Gleichwohl bleibt das Zuckerangebot bei wenig dynamischer Nachfrage hoch. Sollten sich die Ernteperspektiven in Brasilien verbessern, könnte durchaus das Tief vom Januar bei 15 $¢/lb getestet werden. Kaffee Arabica dürfte sich trotz latenter Angebotsunsicherheiten zwischen 160 und 180 $¢/lb einpendeln. Angesichts des vermeintlichen strukturellen Angebotsdefizits bleibt Kakao für die Spekulanten weiter ein Objekt der Begierde. Nachdem die rekordhohen Netto-Long-Positionen der nichtkommerziellen Marktteilnehmer im Frühjahr etwas abgeflaut waren, haben sie zuletzt wieder einen Sprung gemacht.
Tierprodukte: Strukturelles Angebotsdefizit bei US-Rindfleisch wirkt noch
Auch aufgrund veränderter Konsumgewohnheiten in den Schwellenländern scheint bei Fleischprodukten - ähnlich wie im Fall von Kakao, der allerdings auch noch in der Produktion regional stark konzentriert ist - weiterhin einer strukturell wachsenden Nachfrage kein entsprechendes Angebot gegenüber zu stehen. Nachhaltig erschwerte Angebotsbedingungen bei Rindern in den USA könnten aber durch wachsende Herden in Südamerika zunehmend kompensiert werden. Ein Ende des Embargos insbesondere seitens Chinas gegenüber brasilianischem Rind, das einen Großteil des dortigen Importbedarfs decken könnte, dürfte schon eine gewisse Entspannung bringen.