- Die führenden Rohstoffindizes setzten ihre Talfahrt in den vergangenen Wochen fort. Inzwischen scheinen die Notierungen aber Regionen zu erreichen, wo von der Markttechnik mit zunehmender Unterstützung zu rechnen ist. Erheblich unter Druck kamen seit Ende September die besonders konjunktursensitiven Energie- und Industrierohstoffe, während zuvor zum Teil arg gebeutelte Agrarrohstoffe sich stabilisieren konnten. Sehr hohe Abschläge hatten zuletzt Benzin, Brent-Rohöl, WTI-Rohöl, Nickel und Magerschwein zu verzeichnen.
- Da für die Weltwirtschaft keine tiefe Rezession zu erwarten ist, dürfte mit der jüngsten Abwärtsbewegung der Rohstoffindizes eine insgesamt geringe Wachstumsdynamik weitgehend eskomptiert sein. Lageraufbau im Zuge von Opportunitätskäufen könnte sogar stabilisierend wirken. Ausschlaggebend für die weitere Entwicklung der Notierungen scheint aber gegenwärtig aus fundamentaler Sicht die Angebotsseite zu sein. Während etwa bei Getreide die Überschüsse den Zenit erreichen müssten, wachsen bei Mineralöl und verschiedenen Metallen die Kapazitäten noch. Offensichtlich verfolgen hier Schlüsselanbieter nicht mehr eine Strategie der Preisstabilisierung, sondern eine Maximierung der Marktanteile über niedrigere Preise mit dem langfristigen Ziel einer Marktkonsolidierung. Dabei werden Preisregionen angestrebt, wo die Kosten bestimmter Wettbewerber spürbar unterschritten werden. Zumindest die Investitionen in neue Projekte sollen damit eingedämmt werden. Das Potenzial mancher Schlüsselrohstoffe ist somit wohl erst einmal begrenzt. Dies scheinen auch Finanzinvestoren so zu sehen, die inzwischen sehr zurückhaltend sind.
Überblick Rohstoffgruppen
Energie
Zwar gab es gewisse Gegenkräfte während des Preisverfalls der vergangenen Wochen, etwa in Form von Opportunitätskäufen. So wirklich waren aber Marktteilnehmer kaum bereit, in das "fallende Messer zu greifen". Die hinter dem Preisverfall vermuteten Angebotsüberschüsse sind auch keine "Fata Morgana". Die momentane Ölpreisschwäche spiegelt auch die mangelnde Wachstumsdynamik in wichtigen Verbraucherländern wider. Bedeutsam dürfte gleichwohl der Kampf um Marktanteile sein. Inzwischen verstärkt sich der Eindruck, dass auch Nicht-OPEC-Angebot etwa aus Nordamerika Ziel eines von den arabischen Staaten am Golf ausgehenden Kampfs um Martanteile vor allem in Asien sein könnte. Dieser Prozess dürfte sich noch eine Weile hinziehen.
Edelmetalle
Der Industriemetallcharakter von Silber und Platin hat sich in jüngster Zeit einmal mehr an den Märkten gezeigt. Während Gold sich in den letzten Wochen im Zuge zunehmender Wachstumsunsicherheiten als relativ robust erwies, gaben die übrigen Edelmetalle im Preis nach. Platin notierte zeitweilig sogar wieder niedriger als Gold. Das gelbe Metall dürfte aber als sicherer Hafen weiter gegenüber dem US-Dollar verlieren, zumal die Inflationsperspektiven weltweit vorerst weiter nach unten gerichtet sind. Damit bleiben die Realzinsen vergleichsweise stattlich, zumal bei den Nominalzinsen kaum mehr Luft nach unten besteht. Entweder bleibt die Inflation mittelfristig sehr niedrig oder die Zinsen steigen spürbar. Kein Umfeld für Fantasie bei Edelmetallen. Die Finanzinvestoren haben bei Gold bislang noch nicht wirklich kapituliert. Wahrscheinlich geschieht dies im Rahmen einer weniger lockeren US-Geldpolitik in 2015.
Industrierohstoffe
Sowohl in China als auch in Europa sind die Signale aus dem Verarbeitenden Gewerbe nicht ermutigend. Investitions- und Gebrauchsgüternachfrage bleiben dort wohl gedämpft. Deutlich kommt dies auch im jüngsten Preisrutsch bei Nickel zum Ausdruck, das ja aus Sicht vieler Beobachter eigentlich von den Exportbeschränkungen bei Nickel-Erzen seitens des weltweit größten Anbieters Indonesien nachhaltig profitieren sollte. Als Input des breit eingesetzten Werkstoffs Edelstahl ist es ganz besonders konjunktursensitiv. Für Überraschungen sorgen bei Primärmetallen immer wieder die Verhältnisse auf der Angebotsseite, so dass die fundamentalen Marktverhältnisse kaum mehr seriös einzuschätzen sind. So werden Angebotsdefizite beschworen, wo schließlich Überschüsse auftauchen. Das Lagergeschäft scheint zudem manipuliert zu sein. Solange das makroökonomische Umfeld kein grünes Licht gibt, bleibt Zurückhaltung angesagt.
Getreide
Zwischenerholungen werden bei Getreide immer wieder zum Abverkauf von Beständen genutzt. Gleichzeitig stehen auch aufgrund der zuletzt insgesamt günstigen Wetterbedingungen in Nordund Südamerika Rekordernten bei Mais und Sojabohnen ins Haus. 2014/2015 dürfte somit eher eine Phase der Bodenbildung als eines neuen Preisauftriebs sein. Geprägt durch den langjährigen Importsog aus China scheinen die Preisvorstellungen bei Soja für eine zügige Marktbereinigung immer noch zu hoch zu sein. Andererseits werden angesichts schlechter Betriebsergebnisse im laufenden Jahr immer mehr südamerikanische Produzenten verlustbringende Anbauflächen bei Mais und Soja bald aus dem Markt nehmen müssen. Die Weizen-Notierungen erhalten dagegen gewisse Unterstützung von wetterbedingt geringeren Ernten in Australien und Osteuropa.
Genussmittel
Mit der Ernte 2014/2015 wird der Weltzuckermarkt wahrscheinlich zum fünften Mal in Folge durch hohe Produktionsüberschüsse geprägt sein. So wird wohl der Bereich zwischen 14 und 15 $¢/lb noch einmal ausgelotet. Bei Kaffee lastet die längere Trockenheit in Brasilien trotz jüngster Regenfälle weiter auf den Ernteperspektiven. Die physischen Märkte scheinen aufgrund reichlicher Reserven zwar ausreichend versorgt zu sein, dennoch könnte es in den nächsten Monaten noch einmal zu einem Test der 200 $¢-Marke kommen. Der Kakaopreis macht derzeit einen Spagat zwischen Ebola-Gefahren und kurzfristig reichlichem Angebot sowie gedämpfter Asiennachfrage. Lieferunterbrechungen seitens Westafrika und Preissprünge sind weiterhin möglich.
Tierprodukte
US-Rind hat zuletzt einen neuerlichen Preissprung vollzogen und sich damit von der 150 $¢-Marke gelöst. Zwar zeigen hohe Absatzpreise und gleichzeitig niedrige Futtermittelpreise Wirkung bei den Rinderzüchtern, ein Wachstum des Angebots lässt aber wohl noch eine Weile auf sich warten. Herdengröße und Fleischbestände erreichen wahrscheinlich allmählich die Talsohle. 2015 dürfte das Angebot gleichwohl nochmal etwas geringer ausfallen. Erst 2016/2017 könnte nach vermehrter Mast wieder eine Entspannung eintreten. Andererseits werden inzwischen Preisregionen erreicht, die den Rindfleischverzehr im Vergleich zu anderen Proteinlieferanten zunehmend unattraktiv erscheinen lassen. So beträgt die Prämie etwa gegenüber US-Magerschwein gegenwärtig nahezu das Achtfache des Durchschnittswertes früherer Jahrzehnte. Während letzteres bei spätestens 80 $¢/lb unten sein dürfte, wird die Luft für US-Rind immer dünner.