- Die aktuelle Chart-Technik signalisiert eine Fortsetzung der Baisse bei Rohstoffen. Perfor-mancebasierte Gesamtertragsindizes erreichten zuletzt zwar bereits wieder Werte wie En-de August 1999, andererseits notierte beispielsweise der reine Rohstoffpreisindex von Bloomberg noch auf dem Stand von Ende Juli 2009. Um das 99er Niveau zu erreichen, müsste er schließlich noch rund 65 % abgeben. Unter den Rohstoffgruppen fiel zuletzt die Robustheit der Edelmetalle auf. Monatsverlierer waren Brent (-18,8 %), WTI (-17,6 %) und US-Benzin (-18,5 %).
- Das Makroumfeld, die physischen Marktverhältnisse und der Finanzsektor dämpfen eher noch eine Weile die Rohstoffnotierungen, als dass sie schon bald den Startschuss für eine durchgreifende Erholung geben. Die mühsame Bodensuche dauert vorerst wohl an. Im Ge-gensatz zu typischen Finanzanlagen werfen Rohstoffe keine laufenden Erträge ab, vielmehr erzeugt deren Besitz diverse Kosten. Außerdem stellen sie mehr oder weniger lagerfähige Verbrauchsgüter dar. Die Annäherung eines fairen Wertes zur Feststellung signifikanter Un-terbewertungen wie etwa bei Aktien fehlt als Kompass bei Preisstürzen. Bleiben die relati-ven Preise zur Orientierung. Allerdings stößt man auch hier an Grenzen. So befinden sich die ähnlich schwankungsreichen Aktien wohl nach wie vor in einer Übertreibungsphase. Vor allem aber nehmen sich Rohstoffe gegenüber anderen Gütern immer noch nicht preiswert aus. So erscheint Rohöl der Sorte Brent inflationsbereinigt im historischen Vergleich trotz der deutlichen nominalen Abschläge noch nicht sonderlich günstig.
Überblick Rohstoffgruppen
Energie
Die Hängepartie bei Mineralöl geht weiter. Offensichtlich nehmen die „Falken" in der OPEC deut-lich niedrigere Preise in Kauf als von uns erwartet, um ihre strategischen Interessen zu verfolgen. Ansonsten hätte Saudi-Arabien seine Produktion schon um 2-3 Mio. Barrel pro Tag gesenkt. Mit der Begebung von Anleihen hat das Königtum kürzlich sogar signalisiert, dass es sich durchaus auf eine längere Auseinandersetzung einrichten kann. Die im Markt gehandelten, angeblichen Preisziele der Saudis von 20 USD je Barrel können wir gegenwärtig nicht nachvollziehen. Immer-hin liegt der fiskalische Break-Even des Landes über 90 USD je Barrel. Nach den Erfahrungen der 80er Jahre könnten sie kurzfristig aber alles geben, um lästige Konkurrenz wieder loszuwerden. Hinzu kommt die geopolitische Situation im Nahen Osten. Iran/Irak sowie Russland und der sich scheinbar von Saudi-Arabien abwendende Westen könnten das Königtum dazu veranlassen, mehr „Öl ins Feuer zu gießen", auch um positiv geneigte Staaten bei der Energierechnung zu entlasten. Allerdings läuft das „Drehbuch" nicht mehr so einfach wie in den 80er Jahren und auch nicht wie von uns zeitweilig erwartet (Brent-Bandbreite: 35-60 USD/bbl; Negativszenario; 25 USD/bbl).
Edelmetalle
Gold hat nicht die 1.000er Marke getestet, vielmehr wurde sein „Versicherungscharakter" einmal mehr aktiv, während sich nahezu der gesamte Finanzsektor in Kontraposition begeben hat. Daraus ergeben sich Unterstützung, vielleicht sogar Chancen für das gelbe Metall. Es bleibt abzuwarten, wie sich die nicht gerade optimal positionierten Finanzinvestoren aus der Affäre ziehen. Die Schüt-zenhilfe der US-Notenbank erscheint zumindest fraglich.
Industrierohstoffe
Primärmetalle bleiben vermutlich erst einmal im Abwärtssog des mangelnden Gleichgewichts von Angebot und Nachfrage. Offensichtlich wirken die umfangreichen Kapazitätserweiterungen im Zu-ge des letzten „Superzyklus" wesentlich länger nach als auch von uns erwartet. Gleichzeitig kommt die metallintensive Industrie- und Gebrauchsgüternachfrage nicht wirklich in der Breite auf Touren. Sie droht vielmehr beim Hauptabnehmer China nachhaltig zu kippen. Besonders irritiert die Wucht des Preisverfalls des in Konsumgütern verwendeten Nickels. Die Primärmetall-Produzenten be-treiben offensichtlich weiterhin nicht Gewinn-, sondern Umsatzmaximierung, wohl auch um ihren finanziellen Verpflichtungen aus der Boom-Phase nachzukommen. Dieses jetzt schon eine Weile andauernde „Spiel" scheint vorerst kein Ende zu finden. Die notwendige Marktbereinigung wird wahrscheinlich erst bei wesentlich niedrigeren, nicht mehr tragbaren Notierungen stattfinden.
Getreide
Rekordernten auch aufgrund enormer Produktivitätszuwächse, weniger dynamische Nachfrage sowie volle Lager halten die Cerealien-Preise weiter in Schach. Die Getreidesilos sind in manchen Regionen so voll, dass die Ernten dort nicht mehr unterzubringen sind. Hinzu kommt der preis-dämpfende Währungsverfall in vielen Exportländern. Die Volatilität der Notierungen steigt wieder. Gleichzeitig ziehen sich die Finanzinvestoren weiter zurück. Auch der opportunistische Lagerauf-bau von Großverbrauchern und -importeuren zeigt kaum mehr Niederschlag in den Preisen, was etwa im Fall von China bei Sojabohnen zu konstatieren ist.
Genussmittel
Die Hoffnungen sind bei Zucker kurzfristig wieder auf das Wetterphänomen El Niño gerichtet. In diesem Zusammenhang setzen Marktteilnehmer hinsichtlich der Ernteergebnisse auf zu viel Feuchtigkeit in Brasilien und zu wenig in Indien. Außerdem stimmt sie ein erhöhter Biospritver-brauch in Brasilien positiv. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass das Zuckerangebot weltweit für eine nachhaltige Preiserholung noch viel zu hoch ist. Selbst eine u. E. nicht zu erwar-tende kurzfristige Produktionslücke würde nur wenig an den über die vergangenen fünf Jahre auf-gebauten umfangreichen Lagerbeständen ändern. Günstige Erntebedingungen und Währungsver-hältnisse lassen die Notierungen von Kaffee weiter sinken. Die niedrigeren Preise regen zwar den Kaffeeverbrauch an. Es reicht aber nicht für eine sichtbare Preisbelebung auf Dollarbasis.
Tierprodukte
Die ungünstigeren weltwirtschaftlichen Verhältnisse machen sich auch bei den US-Rindfleischexporten bemerkbar. Im bisherigen Jahresverlauf sind sie deutlich gefallen (-11 %). Hierbei dürfte sich aber auch der zunehmende Wettbewerb auf den Auslandsmärkten bemerkbar machen. Zuletzt sind aufgrund der Entwicklung an den Finanzmärkten auch hinsichtlich des Kon-sums von Premiumfleisch vermehrt Zweifel unter Finanzinvestoren aufgekommen. Wobei es sich im Wesentlichen um das vornehmlich in Steakhäusern verzehrte Rind handelt. Die spekulativen Netto-Long-Positionen des bei Anlegern lange Zeit beliebten „vierbeinigen Investments" sind in den letzten Wochen massiv gefallen. Andererseits bleibt US-Rind strukturell aufgrund der regiona-len Angebotsverhältnisse wohl vorerst ein „Ausnahmerohstoff".